Sie sind wieder da, die Zeller Kunstwege. Am Sonntag eröffnete zum vierten Mal die Ausstellung, die Skulpturen international geschätzter Künstler dieses Mal an 32 öffentlich zugänglichen Punkten in Zell am Harmersbach zeigt.







Die Kunstwerke sind dabei Dauerleihgaben, die bis zur nächsten Ausgabe der Kunstwege bleiben dürfen. Zur Skulpturenschau in der Stadt laufen parallel Ausstellungen im Museum Villa Haiss und in der Arthus Galerie.
»Es ist bemerkenswert, was hier auf die Beine gestellt wird«, bemerkte Dr. Friedhelm Häring und meinte damit die Stadt Zell am Harmersbach, den Zeller Kunstwege Förderverein und all die vielen Kunstinteressierten und -förderer als Protagonisten. Im Rahmen der Eröffnungsfeier auf dem Kanzleiplatz sprach er mitreißend und große Bögen spannend über die Rolle der Kunst im Leben der Menschen. Über die ganze Menschheitsgeschichte, die Dora Várkonyi zum Beispiel in einer einzelnen Skulptur aus ausgebrannter Erde zu erzählen weiß: »Aus Erde, mit Feuer, Wasser und Luft entsteht Festes, was über die Zeit hinweg das Leben (…) dokumentiert.« Die Keramik-Skulpturen, die der bekannte Kunsthistoriker meint, ist im Storchenturm-Museum zu sehen, bis der Rundofen saniert ist. Die 3,5 Tonnen schwere Skulptur von Mechthild Ehmann am hinteren Ausgang des Stadtparks ist aus ganz anderem Material, dem Granit, und zeigt die maximale Reduktion eines menschlichen Kopfes. Die Reduktion helfe durch das Weglassen sich auf das Wesentliche zu besinnen, so Häring.
Kunst ist mehr als dekoratives Beiwerk
Ganz ähnlich seien auch die Fotografien von Sebastian Wehrle, die ebenfalls im Storchenturm-Museum ausgestellt sind, interpretierbar. Für diese steckt er Menschen, die so ganz und gar nicht in die Schublade »Trachtenträger« passen, in ebendiese traditionelle Kleidung: stark tätowierte Frauen mit Piercings, Schönheiten, deren ethnischer Ursprung in Asien oder Afrika liegt. Die Bilder sind handwerklich perfekt gemacht und zudem äußerst dekorativ. Aber sie seien eben noch mehr. In Anbetracht dieser Bilder müsse man sich fragen, so Häring, warum es nicht funktionieren sollte, das Fremde in die Heimat zu integrieren. Überhaupt die Heimat. Sie sei wichtig. Doch wenn Kolumbus ein »Heimathirsch« gewesen wäre, hätte er nie Amerika entdeckt. »Heimat ist die Stelle, von der aus wir aufbrechen können, um Entdeckungen zu machen.«
Jeder kann mitreden
Der Zeller Bürgermeister Günter Pfundstein rief in seiner Rede jeden dazu auf, sich zu trauen, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen und seine Meinung über Kunst mit anderen offen zu diskutieren. »Jeder hat ein Empfinden für die Kunst, die er sieht!« Er dankte den Initiatoren Bertin Gentges, Armin Göringer und Walter Bischoff für ihr Engagement und ihre fachliche Beratung. Die Kunstwege seien gemessen an der Größe der Stadt eine große Kunstveranstaltung mit bedeutenden Ausstellungsstücken.
Auch Häring sieht Kunst als Lebenselexier und fordert auf, sich mit ihr auseinanderzusetzen – selbst – oder gerade – wenn sie irritiert oder provoziert. Er wünscht sich, dass das Verlangen nach Neuem nicht nur in dem Bereich der Haushalts- und Unterhaltungselektronik wächst: »Die heile Welt ist etwas Schönes. Aber die Zweifel bringen uns voran.« Selbst im Tod habe man noch Verordnungen zu folgen. »Die Künstler weisen uns den Weg in die Freiheit.« Deshalb seien die Kunstwege keine Irrwege, sondern Sinnwege.
Wurzelbezogenes, neues Bild vom Schwarzwald
Auch Uwe Baumann, Initiator des Kulturprojekts »Kosmos Schwarzwald«, sprach in diesem Sinne. In Zusammenarbeit mit diesem Projekt werden die Ausstellungen im Foyer des Storchturm-Museums gezeigt. Bezugnehmend auf die Fotografien von Sebastian Wehrle erzählte er, dass es nicht immer einfach sei, alles »unter eine Haube« zu bringen. Bei den gezeigten Fotos hätte einiges zur Provokation geführt – speziell bei Heimat- und Trachtenvereinen, aus deren Bestand die Bekleidung stammte. Und doch entstehe nicht zuletzt durch die künstlerische Auseinandersetzung mit der Region und ihren Traditionen ein wurzelbezogenes, neues Schwarzwaldbild. »Es ist noch nicht zu Ende. Wir spüren noch einen Mordsdurst auf neue Bilder.«
Fachkundige Führungen über die Kunstwege Vier »Kunstwege-Guides« führen Gäste ab der nächsten Woche immer sonntags um 11 Uhr durch die Stadt. Weitere Termine sind auf Anfrage bei der Tourist-Info möglich. Es gibt außerdem spezielle Führungen für Schulkinder und Jugendliche. Wer lieber allein die Kunstwege erkunden will, kann das mithilfe des Flyers oder Ausstellungskatalogs, eines Audioguide oder der Zell-App tun. Am 29. Juni und 20. Juli gibt es unter dem Titel »Dort – Donnerstags in der Ortenau« die Highlights der Kunstwege mit einem Begrüßungsgetränk und Versucherle serviert, und am 5. August wird die Fotoausstellung von Sebastian Wehrle »Heimat 2.1« von der Ausstellung »Heimat 2.2« abgelöst. Rund um den Zeller Kunstweg zeigen zudem das Museum Villa Haiss und die Arthus Galerie Wechsel-Ausstellungen.