„Was es in Zell nimmi git“ – Erinnerungen an das „Alte Zell“

Bernhard Stelzer begab sich beim Seniorennachmittag mit historischen Stadtansichten auf eine Zeitreise und beleuchtete das „Alte Zell“ aus verschiedenen Perspektiven.

Viele Seniorinnen und Senioren zeigten großes Interesse am Bildvortrag „Was es in Zell nimmi git“. Stadtführer Bernhard Stelzer ließ in 78 Dias die Geschichte der Stadt Zell der vergangenen gut 150 Jahre Revue passieren. Neben Fakten sorgten Anekdoten für Leichtigkeit und Schmunzeln.

Wo ist die Zeit geblieben?

„Wo ist die Zeit geblieben?“ – mit diesem Gedicht eröffnete das Team FORUM älterwerden den Seniorennachmittag. Mit Gitarrenspiel und Liedern wurde das Publikum begrüßt, bevor der Zeller Stadtführer Bernhard Stelzer mit seinem Vortrag begann.

Wer, wenn nicht ein Stadtführer, kann die Geschichte der Stadt besser erzählen? Bernhard Stelzer begab sich mit historischen Stadtansichten auf eine Zeitreise und beleuchtete das „Alte Zell“ aus verschiedenen Perspektiven.

Besondere Orientierungspunkte waren der Storchenturm, die Kirchtürme der Stadtkirche, der evangelischen Kirche sowie der Wallfahrtskirche. Auch der Blick vom alten Wald über das Zeller Städtli zum Gasthaus „Kleebad“ brachte alte Erinnerungen zurück.

Zu Beginn führte der Vortrag direkt über die Hauptstraße mit Abstechern in die Kirchstraße und Kapellenstraße. Zu den vielfältigen Bildern präsentierte Stelzer Geschichten, pfiffige Anekdoten und zahlreiche Informationen.

Fachwerkhäuser

So spielte die Fachwerkarchitektur eine entscheidende Rolle. Das Bild des alten Gasthauses „Sonne“ in der Unterstadt zeigt noch verputzte Hauswände. Das bekannte Fachwerk war damals nicht sichtbar. Denn viele Fachwerkhäuser waren nach dem Brand von 1899 verschwunden. Aus versicherungsrechtlichen Gründen wurden die Mauern verputzt. Später wurde das Fachwerk wieder freigelegt.

Unterstadt

Veränderungen im Stadtbild lassen sich an vielen markanten Gebäuden erkennen.

Das Haus Lehmann Sattler mit der Werkstatt des Heizmann-Schuhmachers stand dort, wo heute die Stadt Apotheke ist. Das Gasthaus „Raben“ mit Kegelbahn Ecke Nordracher Straße/Hauptstraße beherbergte auch einen großen Saal, der zudem als Kino und für Fasendsveranstaltungen genutzt wurde.

Im Haus Thoma an der Hauptstraße vis-à-vis befanden sich 1928/30 der Guggenbühler Friseur und später der Wagner Friseur. In den 1970er-Jahren zogen Blumen Grass und ein Versicherungsbüro ein. 1986 wurde das Gebäude abgerissen und die Volksbank übernahm das Thoma-Haus für ihre Erweiterung.

Das Haus, in dem sich heute das Café Alt-Zell befindet, wurde 1904 erbaut. Zunächst war hier die Bäckerei Ritter-Beck, später bezog Korbmacher Spinner das Erdgeschoss.

Eine illustre Geschichte hat der „Badische Hof“ in der Kanzleistraße 1. Anna Maria Jehle kaufte 1840 das Gebäude, um einen Gasthof zu eröffnen. Der Gemeinderat lehnte dies aber ab. So wandte sie sich an den Erzherzog von Baden, der ihr die Genehmigung für den Gastbetrieb erteilte. Aus Dankbarkeit nannte sie das Haus „Badischer Hof“. Der Gasthof mit seinem großen Saal und Kegelbahn wurde bedeutender Treffpunkt für das gesellschaftliche Leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Saal von Valentin Dörr als Kino genutzt. Später eröffnete er in der Nordracher Straße ein eigenes Kino mit einem großen und kleinen Saal.

Gastronomie

Zu vielen Veränderungen kam es in der Gastronomie. Viele frühere Wirtshäuser und Hotels als Fixpunkte des gesellschaftlichen Lebens existieren heute nicht mehr. Dazu zählen das Café und Pension „Benedikt“ (Fabrikstraße), das Gasthaus „Schwanen“, Hotel „Bären“ und das „Bürgerstüble“ in der Kirchstraße. Auch in der Hauptstraße kam es zum gastronomischen Aderlass: Gasthaus „Sternen“ (mit Kegelbahn), Hotel „Hirsch“ mit großem Saal und Hirschgarten, Hotel „Löwen“ mit großem Saal und Gartenwirtschaft sowie das Gasthaus „Hechten“ und das Gasthaus „Linde“ (Kapellenstraße) sind mittlerweile Geschichte. Die Hotels wurden größtenteils zu Wohnungen und Geschäftshäusern umgebaut.

Kirchen und Religionsgeschichte

Die alte evangelische Kirche wurde 1901 erbaut. Vorher konnten evangelische Gläubige Gottesdienste im Haus von Carl Schaaff, Besitzer der Zeller Keramik (von 1875-1907) feiern. In diesem Haus befindet sich heute die Sozialstation. Im Jahr 1970 wurde die stimmungsvolle aus Holz gebaute Kirche abgerissen. Die heutige evangelische Kirche ist in unmittelbarer Nähe.

Handwerk und Handel

Früher gab es zahlreiche Bäckereien und Metzgereien. So prägten in den 1950/60er Jahren noch acht Bäckereien das Stadtbild. Übrig geblieben sind nur noch drei: Lehmann’s Beck, Marie-Beck (ursprünglich Ritter Beck) und Bäckerei Dreher.

Anstelle der anderen sechs Bäckereien gibt es heute andere Geschäfte. Die Bäckerei/Konditorei Burger (später Café Stuber), ist heute die Buchhandlung Richter. Auch das Kaufhaus Zapf (später Keilbach und danach NKD) und das direkt auf der anderen Seite der Hauptstraße liegende Kaufhaus Siefert (heute Herrenausstatter Moser) prägten das Stadtbild.

Von fünf markanten Metzgereien existiert heute nur noch die Metzgerei Damm (1889 gegründet, heute in der 5. Generation mit Partyservice). Aus unterschiedlichen Gründen haben die Metzgereien Hermann Rese, Fieß (später Wagner), Kornmayer (später Bisser) und Fischer (später Meier) geschlossen.

Oberstadt

Viele Gebäude wurden abgerissen. Aber auch Neubauten entstanden, wie z. B. das „Schulranzenparadies Schmid“ (früher Krämer Sattler), Modehaus Gießler (früher „Schlecht“). Der Hirsch-Beck wich dem Gebäude, in dem nun Blumen Grass zu finden ist.

Das Einzelhandelsgeschäft Auer, 1870 gegründet, schloss 2019 für immer. Auch kleinere Händler wurden in den 1970er- und 1980er- Jahren geschlossen, darunter Wölfle-Maier, Feinkost End (zuerst in der Kirchstraße im Haus Heffner, dann im Haus Krumm), Fahrrad Rubi, Kornmayer Sattler, Bäckerei Welle, Metzgerei Hermann Rese, Willmann Schuhmacher und Korbmacher Spinner. Pecher (jetzt Trachtenmodehaus Pecher) hat hingegen sein Geschäft in einem neuen Haus in der Nachbarschaft erweitert. Die traditionelle Marien Apotheke, als einst älteste Apotheke des Ortenaukreises, hat Ende Dezember 2023 nach fast 200 Jahren ihre Pforte geschlossen.

Industriegeschichte

Die Keramischen Werke Georg Schmider hatten von der Gründung 1794 bis 2024 in Zell zwei Produktionsstandorte. 100 Jahre davon wurde Porzellan hergestellt. Nach 230 Jahren kam auch hier das Aus. Heute ist die „Obere Fabrik“ als Museumsbau revitalisiert, das ehemalige Verwaltungsgebäude („Schmiders Villa“) beherbergt heute die Sozialstation.

Musikalische Begleitung

Der Vortrag wurde vom Duo Matthias Demmel und Albert Heizmann begleitet. Mit Liedern wie „Die kleine Kneipe“ von Peter Alexander, „Dein schönstes Geschenk“ von Roy Black oder „Heimweh“ von Freddy Quinn erwärmten sie die Herzen der Senioren. Freilich wurde auch mitgesungen.

Mit Applaus bedankte sich das Publikum für den informativen Vortrag von Bernhard Stelzer und für die musikalische Gestaltung von Matthias Demmel und Albert Heizmann. Das Team FORUM älterwerden überreichte ihnen ein Präsent als Dankeschön.