Reinhard Sigle, Dietrich Schön, Reinhard Klessinger und Josef Bücheler haben gemeinsam in der Nationalgalerie Polens ausgestellt. Im Rundofen begegnen sich ihre Arbeiten nun in einem Dialog: Konzept trifft auf Material, Idee auf Körper.
Auf dem großen Bildschirm im Rundofen läuft ein Video. Das Bild schwingt hektisch vor und zurück, alles beginnt zu flirren, überlagert sich. Man versucht, etwas zu erkennen und verliert im nächsten Moment wieder den Fokus. Die Wahrnehmung verrutscht durch die Reizüberflutung – und löst bei längerer Betrachtung eine körperliche Reaktion aus: Kopfschmerzen.
Verlust des Privaten
Reinhard Klessinger nennt die Arbeit „Bildabwehr“. Entstanden ist sie 2010, als Überwachungskameras zunahmen und die Selfiekultur begann. Das Private wurde öffentlicher, der öffentliche Raum dichter beobachtet.
Klessinger hat seine Kamera im Atelier auf eine Schaukel montiert und sie immer wieder abgewehrt. Weggeschlagen. Bis zur Erschöpfung. Je stärker die Abwehr, desto heftiger schwang die Kamera zurück. Und doch ist das Bild nicht zu vermeiden. Ein starker, visueller Einstieg in die Ausstellung „Kunst hoch 4“.
Premiere für Klaus A. Burth
Klaus A. Burth, Maler, Grafiker und seit Kurzem im Vorstand der Zeller Kunstwege, eröffnete die Vernissage. In seiner Laudatio am vergangenen Donnerstag sprach er von einem „Nebeneinander, das die Sinne öffnet“. Die vier gezeigten Künstler – Reinhard Sigle, Dietrich Schön, Reinhard Klessinger und Josef Bücheler – kennen sich gut. Sie haben gemeinsam in der Nationalgalerie Polens ausgestellt; im Rundofen begegnen sich ihre Arbeiten nun in einem besonderen Raum. Burths Leitfrage für den Abend: Wie wirkt Kunst auf mich?
Energie, die zurückprallt
Wer den Rundofen betritt, landet derzeit zwangsläufig bei Reinhard Sigle. Sein Trampolin steht im Eingang. Umspannt ist es mit einem Netz. Darin befinden sich dutzende Bälle, bemalt wie kleine Weltkugeln. Es steht „Golf von Mexiko“ darauf.
Allein das Material stellt schon die Frage: Was prallt hier zurück? Das Trampolin drückt sich nach unten und schleudert das, was darauf liegt, hoch. Sigle ist Installationskünstler, der aus Fundholz und Abfallstücken Formen baut. Oft verwendet er leuchtende Farben. Nicht unbedingt als Dekoration, eher als Hinweis. In einer Arbeit am Treppenaufgang ragen grün gestrichene Spitzen in den Raum; ein Verweis auf die palästinensische Flagge und damit auf Konflikt, Verletzung, Spannung. In einer anderen Arbeit in Schwarz-Weiß greift Sigle den „Schwarzen Donnerstag“ der S21-Proteste auf.
Sigle sagt, seine Kunst fordere „ein mündiges Publikum“, das selbst denkt.
Schwere auf Zeit
Während Sigle den Raum auflädt, setzt Schön auf die Schwere der Form. Doch die Schwere seiner Skulpturen hat eine eigene Art von Spannung. Drei blaue Werke stehen auf hölzernen Sockeln. Organische Ge-
bilde, die sich zu amorphen Körpern türmen. Abstrakt, aber nicht streng. Sie erinnern an Korallen, an Zellstrukturen, an etwas Gewachsenes. Schön interessiert sich nicht nur für die Umrisse seiner Formen, sondern auch für die Zwischenräume. Für das Licht, das hindurchfällt.
Laudator Burth erinnert daran, dass Gusseisen nicht ewig ist: Lässt man es oxidieren verschwindet rund ein Zentimeter seiner Stärke pro fünfzig Jahre. Dieser Gedanke verändert den Blick. Aus starren Skulpturen werden Zeitkörper. Formen von massiver Präsenz, die dem Vergehen ausgesetzt sind.
An der Backsteinwand hängen großformatige Zeichnungen: Linienbündel, die sich zu organischen Gebilden verdichten. Vier Blätter nebeneinander – manche in Schwarz auf hellem Grund, andere leuchtend Blau mit Schattenwurf. Die Linien knäueln sich, bilden Strukturen. Zeichnungen, die räumlich denken.
Im Großen wie im Kleinen
Bei Josef Bücheler ändert sich das Tempo. Seine Arbeiten sind reduziert. Vier Zeichnungen in weißen Kästen hängen an der rohen Backsteinwand auf der ersten Ebene. Keine Titel, keine Hinweise. Die Blätter wirken wie gerissen – manche zeigen gestische Grafitstriche, andere aufgereihte Ellipsen, wieder andere dicht gedrängte vertikale Linien.
Doch Bücheler kann auch monumental. Von der Decke hängt ein mächtiges Papierobjekt, gefaltet wie ein Fächer. Die Oberfläche ist rau. Bücheler arbeitet bei solchen Objekten in der Regel mit leimgetränktem Zeitungspapier, das er unter Beimengung von Erde und Asche mithilfe von Ästen und Seilen in Form bringt.
Sein Hauptwerk steht im Zeichen der Arte Povera, der Kunstrichtung, die seit den 1960er-Jahren alltägliche, „arme“ Materialien nutzt. Bücheler selbst spricht vom „Abfall der Gesellschaft“.
Josef Büchelers Reduktion ist keine Askese, sondern ein Angebot. Was wir zu erkennen meinen, ist es oft nicht. Seine Ästhetik öffnet Möglichkeiten zu anderer Wahrnehmung. Sie ist eine Aufforderung, sich im Alltag auf Dinge einzulassen. In seinen Zeichnungen geht er in die dritte Dimension, indem er mehrere Lagen Papier übereinander legt. Die Kraft seiner Bleistiftstriche durchdringt das vielschichtige Papier.
Den kompletten Bericht und weitere Bilder finden Sie in der Print-Ausgabe der Schwarzwälder-Post.





