»Die Tradition nicht aussterben zu lassen: Das ist unsere Aufgabe«, betont Trachtenfrau Angelika Kälble. Die 65-Jährige stammt vom Bodensee, hat 1977 nach Nordrach geheiratet und kam durch Bekannte ihres Mannes zur hiesigen Trachtengruppe.



Das geschah letztendlich durch ihren Beruf: Als ausgebildete Erzieherin, die vor ihrer Heirat zwei Jahre lang einen Kindergarten leitete, wurde sie gefragt, ob sie denn nicht die 1974 ins Leben gerufene Kindertrachtengruppe übernehmen wolle.
Sie wollte. Wodurch sich selbstredend ergab, dass fortan auch sie selbst die Tracht trug. Singen und Tanzen stand auf dem Programm der Kindergruppe, »aber ich habe ihnen auch die Geschichte der Tradition nahe gebracht«, unterstreicht Angelika Kälble und erzählt vom Palm- und Kräuterbüschelbinden, von Erntedank und den Prozessionen zu Fronleichnam oder am Ulrichsfest – letzteres zu Ehren des Heiligen, dem die Nordracher Pfarrkirche gewidmet ist.
Ihre Schützlinge traten beispielsweise bei den damaligen Nordracher Heimatabenden auf. Die fanden alle sechs Wochen statt, und jedes Mal war die große Nordracher Veranstaltungshalle proppenvoll – vor allem mit Gästen der zu jener Zeit ab und an florierenden örtlichen Kur- und Heilkliniken.
Dass Kinder, wie einstmals üblich, in Tracht zur Kommunion gehen, ist in Nordrach zwar schon lange nicht mehr der Fall. Als das Fest jedoch bei Angelika Kälbles Sohn Christian anstand, kamen bis auf eine Ausnahme sämtliche Kommunionkinder in Tracht. »Das war aber nur dieses eine Mal«, erzählt die zweifache Mutter mit einem Lachen, denn gleich elf Trachtenmütter hatten im gleichen Jahr Nachwuchs zur Welt gebracht.
»nicht so wie in Bayern«
Noch bis einige Jahre danach bestand die Kindertrachtengruppe, bis sie sich durch Schule und Studium zerschlug. »Tracht ist halt nicht mehr so angesagt«, bedauert die agile Rentnerin. Am ehesten noch könne man heutzutage Mädchen für eine Kindergruppe gewinnen, »vor allem wegen dem Tanzen«. Mit etwa zehn Jahren dann aber sei in der Regel Schluss, »bei uns wird die Tracht einfach nicht so gelebt wie in Bayern.«
Sie selbst gab – nach 13 Jahren – die Leitung der Kindertrachtengruppe anno 1992« aus Zeitgründen ab, da sie nun wieder ganztags berufstätig war. Dem Trachtenverein blieb sie jedoch treu: Seit der Jahrtausendwende übt sie das Amt der Schriftführerin aus, schreibt und versendet zu sämtlichen Anlässen die Einladungen, kümmert sich zudem um die Pressearbeit.
Außerdem moderiert sie den noch immer stattfindenden »Kräuterbüscheltag«: Während das jährliche Palmbinden inzwischen gemeinsam mit dem Altenwerk durchgeführt wird, stemmen die Trachtenfrauen die touristische Veranstaltung rund ums Kräuterbüschelbinden nach wie vor alleine, seit etwa 15 Jahren nun schon.
Stets zur Kräuterweihe zu Maria Himmelfahrt am 15. August sammeln sie in ihren Gärten und auf den Feldern Kräuter, deren Duft dann die Hansjakob-Halle erfüllt. Am Nachmittag geht es los mit dem Binden der Büschel, und bis in den Abend hinein geht es weiter mit Bewirtung – und zu Nicht-Corona-Zeiten mit Musik und dem traditionellen Holzhackertanz.
Gehört dazu: das Präsentieren
Auch das Präsentieren der Tracht gehört dazu. Um eine bäuerliche handelt es sich. Mädchen tragen bis zu ihrer Kommunion am weißen Sonntag Zöpfe, im Anschluss daran – bis zur Hochzeit – Brautkränze. Verheiratete Frauen trugen als Kopfbedeckung ursprünglich grundsätzlich eine schwarze Flügelhaube, kamen also mit der Hochzeit unter die sprichwörtliche Haube.
Später jedoch waren auch Goldkappen zu sehen: Zum einen mit dem Aufkommen des Autos, in das die Frau zu früheren Kleinvehikel-Zeiten mit der rund 15 Zentimeter hohen und akribisch mit Klammern im Haar befestigten Haube kaum hineinpasste. Zum anderen wollten die reichen Bauersfrauen der großen Höfe zeigen, was sie hatten. So waren die Goldkappen nicht nur mit Brokatspitze bezogen, sondern je nach Finanzlage teils »wunderschön mit Edelsteinen bestickt.«
Der Körper wird in ein Kleid samt Unterrock gehüllt. »Die Tracht war früher immer dunkel gehalten«, weiß Angelika Kälble, »denn du bist in einer Großfamilie aufgewachsen, da war Freud’ und Leid eng beieinander, und eine dunkle Tracht konnte man zu jedem Anlass anziehen.« Doch es gibt verschiedene Halstücher – schwarz für Trauerfälle, »aber sonst kann jede Trachtenträgerin die Farbe ihrer seidenen Halstücher selbst aussuchen.« Handbestickt waren diese einst, ebenso wie die Schürzen, »vielmals im gleichen Muster wie die Halstücher.«
Letztere werden am hinteren Kragen des Kleides mit einer Sicherheitsnadel befestigt, sorgsam in Falten gelegt, um die Taille geschlungen, am Rücken mit Stecknadeln am Kleid befestigt sowie vorne und hinten von einer Brosche zusammengehalten.
Das Unterhalstuch als Altar
Zuvor jedoch legt eine Nordracher Trachtenfrau das spitzenbesetzte, weiße »Unterhalstuch« an. »Mit dem wird praktisch der Altar für Jesus bereitet«, erklärt Angelika Kälble. Denn zum traditionellen Outfit gehört ein Kreuz, das an einer Granatkette um den Hals getragen wird. Je öfter diese um den Hals geschlungen war, desto wohlhabender ihre Trägerin.
Warum Granat? Nun – der wurde früher in Nordrach nicht nur abgebaut, sondern in der damaligen Glasfabrik hier auch geschliffen. Ihre eigene Kette hat Kälble von der Schwiegermutter erhalten, die das gute Stück wiederum von der eigenen Mutter geerbt hatte.
Während es die historisch belegte Nordracher Frauentracht schon sehr lange gibt, war die Tracht der Männer zunächst verschollen. Zu feierlichen Anlässen trug man einfach Jackett und Hose in schwarz, dazu einen Hut und – wer hatte – ein weißes Hemd, oftmals jedoch lediglich einen weißen Einsteckkragen. Erst nach dem Krieg recherchierte man und erfand die Männertracht neu. Deren Markenzeichen: Der breitkrempige Haeckerhut zu Ehren des einstigen Widerstandskämpfers.
»Beim Umzug auf dem Cannstatter Wasen im letzten Jahr liefen 30 Trachtenträger mit, sogar Kinder, das war ein tolles Bild«, schwärmt Angelika Kälble. Nur «3 aktive und entsprechend engagierte Mitglieder allerdings zählt die Trachtengruppe heutzutage, von 30 Lenzen an aufwärts. »Unser Altersdurchschnitt ist inzwischen sehr hoch«, bedauert die Ehrenamtlerin, »wenn die Tracht und die dazugehörige Tradition ganz verloren ginge, das fände ich echt schade.«
Es ist immer wieder schön, wenn solche Traditionen aufrecht erhalten bleiben. Man sollte auch von Regierungsseite solche Vereine finanziell unterstützen!
Denn sie verkörpern unsere Heimat auf die wir stolz sein können.
Beste Grüsse aus der Kurpfalz.