„Ich will junge Leute dazu motivieren, im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb weiterzumachen“, ist eines der Anliegen, die Ann-Kathrin Schmider umtreiben.
Wollte man versuchen, die auf dem Unterharmersbacher Mattenhof Aufgewachsene in eine Schublade zu stecken, so würde allenfalls die des Prototyps einer jungen, rundherum selbstbestimmten Landfrau passen.
Und zwar „Landfrau“ im doppelten Sinne des Wortes, nämlich auch als Mitglied des Oberharmersbacher Ortsvereins, mit dem sie durch langjährige Beziehungen eng verbunden ist. „In diesem Jahr habe ich dem Werben nachgegeben“, lacht die studierte Agraringenieurin, „und bin dann auch noch gleich als Beisitzerin und Website-Betreuerin im Vorstand gelandet.“ Aber sie sei froh, dass sie den Schritt gegangen sei, wird sie gleich darauf ernst. „Wenn man jetzt mitwirken und etwas bewirken kann, dann sollte man das tun“, betont sie, „ich sehe auch ganz viele politische Ansätze.“
Diese Haltung ließ sie im Vorfeld der letztjährigen Landtagswahl einer politischen Diskussionsrunde beiwohnen: „Statt einfach nur über Politiker und deren Entscheidungen zu schimpfen, sollte man als Landwirt zu solchen Veranstaltungen hingegen und selber mitdiskutieren und denen sagen: Was ist es denn, was es für mich braucht.“
Als Vorbild sieht sie Juliane Vees, seit 2019 Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Landfrauen. „Sie lebt selbst auf einem Hof und ich finde das so toll, wenn man das alles als Landwirtin gemanaged bekommt und man als Landwirtin was darstellt, man hat Einblicke und kann mitreden.“
Ann-Kathrin Schmider weiß, wovon sie spricht, hat sie doch selbst jede Menge unter einen Hut zu kriegen. Kennengelernt hat sie Juliane Vees auf der Schwäbischen Bauernschule in Bad Waldsee, wo die 23-Jährige über den Landesbauernverband als Agrarpädagogin angestellt ist. In Vollzeit wohlgemerkt, und das seit letztem November – also noch während des erst vor wenigen Wochen abgeschlossenen Studiums und zusätzlich zur Arbeit auf dem elterlichen Hof.
Schwäbische Bauernschule
Auf der Bauernschule qualifiziert Ann-Kathrin Schmider einerseits Landwirte zum „Lernort Bauernhof Betrieb“. Gibt ihnen also Methoden an die Hand, wie sie ihr Fachwissen kind- und jugendgerecht bei Bauernhofbesuchen vermitteln können. Sobald die Landwirte in einer Vorstellungsrunde erführen, dass sie selber in der Landwirtschaft aufgewachsen ist, „habe ich ihr Vertrauen“, so Ann-Kathrin. Immerhin ist der mütterlicherseits übernommene und im Haupterwerb geführte Mattenhof ein bunt gemischter Betrieb, mit Viehwirtschaft, Forst, Acker, Grünland und Hofladen. Auch Streuobst und Beeren sowie Selbstgebranntes gehören dazu, überdies Ferienwohnungen.
Angestellte Arbeitskräfte gibt es auf dem Hof nicht, „das machen alles meine Mama, mein Bruder und ich“, ist die junge Landwirtin froh. Denn noch vor drei Jahren wusste die Familie nicht, wie es weitergehen soll, und noch immer ist der Vater aufgrund einer Hirnblutung eingeschränkt.. Immerhin, in der Hauptsaison, wenn richtig viel auf dem Feld zu tun ist, helfen gute Freunde – „wie das halt so ist auf der Landwirtschaft.“
Nicht nur Landwirte, sondern auch Lehrkräfte schult Ann-Kathrin Schmider als Agrarpädagogin. Zeigt Ihnen, auf welche Weise sie Schülern von der ersten Grundschulklasse bis zum Abitur jene Inhalte nahe bringen können, wie sie seit 2016 im Rahmen der „Bildung für nachhaltige Entwicklung und Verbraucherbildung im Bildungsplan für allgemeinbildende Schulen“ verankert sind. Wie sie ihren Unterricht vor- und nachbereiten können, dass zum Beispiel ein Bauernhofbesuch mit eingebaut werden kann. Und erklärt ihnen unter anderem, dass ein Betrieb mit 300 Kühen nicht unbedingt Massentierhaltung bedeutet, wenn die Kühe „einen tollen Stall haben“.
Wie das ist, als junger Mensch teils wesentlich Ältere zu schulen? „Ich bin bisher mit allen gut klar gekommen“, freut sich die bald ihren 24. Geburtstag Feiernde, die ebenso lebendig wie strukturiert und überlegt wirkt, „ich begegne allen auf Augenhöhe, und manchmal muss man sich auch durchsetzen.“ Schwierige Fragen dazu, wie man kritische Themen am besten vermittelt, gehören bei ihren Schulungen dazu, „wenn Kinder zum Beispiel wissen wollen, warum muss das arme Kalb jetzt von der Kuh getrennt werden.“ Hinzu komme, dass Lehrer oftmals in ganz andere Richtungen dächten als ein Landwirt, „dann muss ich mir erst mal eine Antwort überlegen.“
Ihr Agrarstudium hat Ann-Kathrin Schmider zwar ohne Vertiefung absolviert, aber dennoch „eher schon fast in Richtung Nutztierwissenschaften, weil ich eigentlich immer Tierärztin werden wollte.“ Das habe sich dann wegen dem Mathe-Abi nicht ergeben, lacht sie in der ihr eigenen Offenheit und gleichzeitiger Bescheidenheit, denn wegen „Mathe“ lag ihr Notenschnitt gerade einmal um 0,1 unter der für einen sofortigen Studienbeginn benötigten Punktezahl.
Zum Glück nicht Tiermedizin
Ein Jahr lang lernte die Unterharmersbacherin als Praktikantin auf anderen landwirtschaftlichen Betrieben bewusst andere Sichtweisen kennen, hielt sich zwischendurch im Ausland auf. Dann aber wollte sie nicht länger auf einen Uniplatz in der Tiermedizin warten: „Ich wollte studieren und fertig werden, damit ich arbeiten kann.“
Im Nachhinein ist sie froh darum. „Wenn ich Tiermedizin studiert hätte, wäre ich viel weiter weg von daheim gewesen.“ Für das Studium der Agrarwissenschaften hingegen bekam sie einen Studienplatz in Stuttgart, daher „war ich relativ flexibel und konnte bei uns auf dem Hof immer relativ viel machen, das war schon gut so.“
Kühe, Pferde, Schweine und Hühner, der Hofladen und die Arbeit mit den Feriengästen, insbesondere mit deren Kindern – „das ist mein Steckenpferd“, strahlt Ann-Kathrin Schmider. Schon von Kindesbeinen an hat sie sich Gedanken darum gemacht, wie man Gästen die Landwirtschaft näher bringen kann, hat sich immer wieder neue Beschäftigungsprogramme ausgedacht. „Manche Kinder wissen nicht, dass ein Huhn ein Ei legt“, sagt sie, „und ich werde bestimmt ein- bis zweimal in der Saison gefragt, ob Kühe wirklich nicht lila sind, das ist kein Witz.“
Ihr, die nach eigenem Bekunden Landwirtin mit Leib und Seele ist, tut solcherlei Nichtwissen dann auch in der Seele weh, hier will sie sich unbedingt einbringen. „Landwirtschaft steckt mir einfach in den Kinderschuhen, sie umgibt mich schon immer.“ Natürlich gebe es viele junge Leute, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufwachsen und sagen: „Oh nein, die viele Arbeit – das habe ich jetzt mein Leben lang gesehen, und das will ich auf keinen Fall machen.“ Aber, so findet Ann-Kathrin, nach dem Höfesterben komme es jetzt wieder, dass Landwirtschaft für junge Leute attraktiver werde. Nicht zuletzt, weil die Ausbildung in der Landwirtschaft sehr an Qualität zugenommen habe.
Ihr selbst gibt das Arbeiten in dem elterlichen Betrieb „ganz viel: Ich kann rausgehen und da arbeiten, wo andere Urlaub machen.“ Das wisse sie wahnsinnig zu schätzen, strahlt sie wieder, „weil ich einfach auch meine Heimat so liebe.“
Unabdingbar: Auszeiten
Auf die Frage nach ihrem Schlafpensum lacht sie vergnügt auf. Wird morgens auf dem Hof Brot gebacken – was bis zu dreimal in der Woche ansteht -, ist sie ab vier und fünf Uhr in der Frühe auf den Beinen. „Am Wochenende stehe ich auch mal erst um sieben auf“, fügt sie fröhlich hinzu. Wann es ins Bett geht? „Wenn Getreideernte ist, dann wird es schon ein Uhr nachts, es gibt aber auch ruhigere Tage“, winkt die junge Frau schmunzelnd ab. So sei der August stets eher ruhig.
Im Winter hingegen liegt viel Schnapsbrennerei an. Dieses Handwerk hat sie vom Vater gelernt, zusätzlich absolviert sie auf diesem Gebiet „nebenher“ eine Ausbildung an der Fachschule in Offenburg. Dort lerne man nicht nur viel, sondern es entwickle sich zudem ein tolles Netzwerk, das sich über Baden-Württemberg und ganz Deutschland erstrecke.
„Ich denke immer: Wenn man das alles gut managed, dann geht das schon“, konstatiert das Energiebündel, dann bleibe trotz natürlich „auch mal stressiger Tage“ noch genügend Zeit für einen selbst. „Man muss wirklich bewusst sagen: Jetzt ist Feierabend“, betont Ann-Kathrin Schmider, „und man muss immer mal wieder einen freien Tag einlegen.“ Zeit, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter Barbara verbringt, „dann machen wir den Selbstbedienungsladen morgens auf und fahren weg und sind dann auch den ganzen Tag über für niemanden zu erreichen.“