Johann B. Schreiber höchstpersönlich hat Schweizer Keramikfreunde durch den Rundofen und durch seine Keramikausstellung geführt, die noch bis zum 7. Juli zu sehen sein wird.
„Diese Vase ist so wuchtig wie es mein Urgroßvater war, der hatte riesige Pranken“, mit diesen Worten beginnt Johann Baptist Schreiber die Führung seiner Keramikausstellung im Rundofen. Es ist Samstagvormittag und seine Zuhörer und Zuhörerinnen sind Mitglieder des Schweizer Vereins der Keramikfreunde. Dem gehören Keramiksammler an, Keramikschaffende und Kunstfreunde, sowie Fachleute von Museen, Denkmalämtern, archäologischen Diensten, Hochschulen und des Kunsthandels.
100 handgetöpferte Exponate
Auch der aus Zell stammende Johann Schreiber gehört diesem Verein an. Interessierte Mitglieder hatte er daher eingeladen – zu einer Führung durch den historischen Zeller Rundofen und durch seine Keramikausstellung. Diese ist seit dem 7. Juni zu sehen und zeigt 100 ausgesuchte Teile seiner auf der Drehscheibe handgetöpferten Keramik. Entstanden in rund zwanzig Jahren, unter anderem während seiner Ausbildungszeit als Keramikermeister.
Familientradition
In deren Zuge wanderte Schreiber dereinst in die Schweiz aus, gründete dort dann 1980 seine eigene Firma und stellte fortan Ofenkacheln und Baukeramik her.
Seiner Geburtsstadt aber blieb er verbunden. Und die wiederum ist eng verbunden mit der Geschichte der Töpfer respektive Hafner. Die stellten in Zell schon früh Alltags- und Kochgeschirr her, später auch Ofenkacheln. Tone und Quarzsand fanden sie in der Umgebung. Johann B. Schreibers Ur-Ur-Ur-Onkel, gründete hier im Jahre 1795 die Stadthafnerei. Seither haben sechs Generationen und dreizehn Familienmitglieder das Keramikhandwerk ausgeübt.
Kellerrundgang
Nach Johann B. Schreiber jedoch wird Schluss sein, seine Kinder widmen sich anderen Berufen. Umso bedeutsamer ist für ihn seine Ausstellung in dem sanierten Rundofengebäude. Die Führung für die Keramikfreunde startet im Keller, dem generellen Ausgangspunkt für Rundgänge.
Dank historischer Fotos, Grafiken und Ausstellungsvitrinen mit Keramikbeispielen aus den jeweiligen Epochen erhält die Gruppe zum ersten einen Überblick zur Geschichte der Zeller Keramikfabrik ab dem Jahr 1790. Eine der Vitrinen ist mit früheren Produkten der Schreiber-Keramik bestückt. Eine andere zeigt schwungvolle Motive, die Elisabeth Schmidt-Pecht für die Zeller Keramik ent wickelt hatte und die früher durchgängig per Hand gemalt wurden. Wobei wegen des saugenden Untergrundes Fehlerkorrekturen unmöglich waren.
„Favorit“ als Lehrstück eingeschmuggelt
In der Schweiz, als Ausbilder von unter anderem Keramikmalerinnen, hatte Johann B. Schreiber zur Lehrabschluss prüfung stets das Motiv „Fa vorit“ reingeschmuggelt. „Die mussten einen Teller mit diesem Muster malen“, erzählt er mit verschmitztem Lächeln, „denn da konnte man sofort sehen, wer eine gute Pinseltechnik hat: Man sieht sofort, ob eine Keramikmalerin den Pinselschwung, wie er für ein Motiv wie Favorit nötig ist, beherrscht.“
Zum Zweiten gewinnen die Keramikfreunde einen Einblick in den früheren Produktionsprozess, von den Rohstoffen sowie allen Zutaten für die Porzellanmalerei über die Modell entwicklung hin zum Brand in dem Drei-Etagen-Ofen mit seinen drei übereinander liegenden Brennkammern.
Ein ganzer Güterwaggon voller Kohle
In diesem Keller befand sich einst die Anfeuerung. Eindrücklich schildert Johann Schreiber, wie hier unter einer damals extrem niedrigen Decke durch neun Löcher in der aus Schamottsteinen gemauerten Ofenwand Kohle geschaufelt wurde. 20 Tonnen über 48 Stunden hinweg, für einen Brennlauf. „Das entspricht gut einem Güterwaggon voller Kohle.“ Zwei bis drei Leute waren im Schichtbetrieb mit dem Schaufeln beschäftigt. „Man kann sich vorstellen, was für eine Temperatur hier unten herrschte, dazu der Kohlestaub und die langen Arbeitszeiten“, berichtet Johann Schreiber anschaulich von harter körperlicher Arbeit unter einst unerträglichen Bedingungen.
Temperaturmessen ohne Thermometer
Wie man die Temperatur maß, will jemand aus der immer wieder interessiert Fragen stellenden Gruppe wissen. Dazu Johann Schreiber: „Mein Vater hat immer gesagt, man muss das Feuer beobachten – aufgrund seiner jeweiligen Farbe weiß man die Temperatur.“ Die Technik des Brennens sei bei seinem Vater und Großvater die gleiche gewesen wie in dem riesigen Ofen der Zeller Keramikfabrik. Durch Schaulöcher konnte man zudem Ziehproben entnehmen, um zu sehen, ob die Glasur „gar“ war.
Familiengeschichte und kunstvoll Getöpfertes
Auch die drei über dem Keller liegenden Brennkammern „erwandern“ die Keramikfreunde. In der ersten Etage erfolgte der Glasurbrand von Hartporzellan bei 1.450 Grad Celsius. Eine Temperatur, bei der die Oberfläche der Schamottsteine zu Glas schmolz. In der darüber liegenden Kammer herrschten 950 Grad für den Vorbrand von Rohporzellan, in der dritten Etage – einem heutigen Trauzimmer – 850 Grad Celsius für den Kapselbrand.
„Für drei Tonnen Porzellan waren 15 Tonnen Brennkapseln erforderlich“, weiß Johann Schreiber. Er weiß ebenso, dass die Schamottsteine für jede der Brennkammern eine unterschiedliche Zusammensetzung und Härte hatten. Auch erklärt er die Führung der heißen Luftströme in den Kammern, bevor es schließlich zurück in die zweite Etage geht, zu seiner Keramikausstellung. Der erste Tisch zeigt die Schreiber‘sche Familiengeschichte mit der eingangs erwähnten Vase des Urgroßvaters.
Dem schließen sich weitere Themengruppen an, vom durch die Fenster scheinenden Sonnenlicht eindrucksvoll beleuchtet. Sie zeigen Johann Schreibers variantenreiche Töpferarbeit in der Keramischen Fachschule Bern (1962/ 63) sowie Kunstkeramik aus seiner Zeit in Frick/Argau (1963/64). Ebenfalls zu sehen sind Arbeiten aus seinen beiden Ateliers in der Schweiz sowie schöne Formen von Alltagsgeschirr, das auf Märkten verkauft wurde. Den Abschluss bilden „Pilze“ und „Blumen“,1973/1974 entstanden und dereinst für namhafte Ausstellungen ausgewählt.
Stippvisite im Storchenturm
Auf die Frage, ob er das Töpfern nicht vermisse, antwortet der heute 82-Jährige: „Ich habe die Ruhe in den Händen nicht mehr, die es für diese millimetergenau Arbeit braucht.“ Nach dem sich direkt anschließenden Mittagessen im Bräukeller führte Hubert Temme durch das Storchenturm-Museum, bevor die Gruppe zurück in die Schweiz reiste.
Dauerausstellung angeboten
Begonnen hatte der Tag damit, dass Michael Dahlke, Vorsitzender des Rundofenvereins, die Keramikfreunde gegen 9.30 Uhr im Rundofen-Foyer begrüßte, im Namen von Bürgermeister Günter Pfundstein. Er stellte die Arbeit des Fördervereins sowie die Sanierungshistorie des Rundofen-Gebäudes vor. Und beschloss sich dafür einzusetzen, die sechs Generationen Schreiber-Keramik im Rundofen dauerhaft zu würdigen. „Ich mache dir hier das Angebot“, wandte er sich an Johann B. Schreiber, „dass wir uns zusammensetzen, um uns gemeinsam Gedanken über die Art und Weise zu machen.“ Ein Vorhaben, für das ihm kräftig applaudiert wurde. Ein Sonderdruck zur Schreiber‘schen Familiengeschichte ist im Rundofen für fünf Euro erhältlich.