Ja, das waren noch Zeiten, als die Kapuziner eine Klosterschule mit Internat eröffneten. In einem Anbau an das Kloster wurden die Klassenzimmer, Schlafsäle und ein Speisesaal eingerichtet. Der Andrang war groß, denn die Patres waren ausgezeichnete Pädagogen. Und nach Lernen und Hausaufgaben gab es immer viel Freizeit.
Die Kapuziner, die in der Umgebung Zells nach geeigneten Schülern für die Klosterschule suchten, wurden schnell fündig und der gute Ruf der Schule verbreitete sich in ganz Baden. Auch ich hatte ein gutes Zeugnis von meiner Volksschullehrerin Klara Hugle erhalten. Daraufhin empfahl sie mich für die Aufnahme in die Klosterschule.
Gelübte des Vaters
Hinzu kam, dass mein Vater in der russischen Gefangenschaft in Sibirien der Gottesmutter ein Gelübde abgelegt hatte, dass eines seiner Kinder Pfarrer wird, wenn er wieder nach Hause kommt. Als Kandidat hierfür kam nur ich infrage. Mein Bruder Kurt war schon in der Lehre als Friseur, und meine Schwester Gabi war gerade in die Schule gekommen. An meinem Weißen Sonntag 1954 kamen dann als Ehrengäste zwei Patres zu uns heim. Sie wollten mit mir sprechen und meine Schulhefte sehen. Sie waren sehr zufrieden und erklärten meinen Eltern, dass ich aufgenommen bin.
Leben als Klosterschüler
Mein Vater, Friseurmeister Wilhelm Wagner, war glücklich und versprach, dass er allen Klosterschülern kostenlos die Haare schneidet. So geschah es auch. Ich war Klosterschüler und fand in der Schule bald Freunde. Jeden Morgen gingen wir in die Wallfahrtskirche zum Beten. Alle 14 Tage gab es Ausgang, wir durften von Freitag bis Sonntagabend das Wochen ende daheim verbringen.
Spatenstich für Spatenstich
Auch damals war Fußfall groß in Mode. Wir bestürmten die Patres, dass wir unbedingt einen Fußballplatz bräuchten. Die erhörten unsere Bitten. Am nächsten Tag begannen wir mit der Umsetzung des Projekts. Die Patres in kurzen Hosen stachen auf einer benachbarten Wiese große Rasenstücke aus, die wir Schüler auf einem daneben liegenden kahlen Platz zusammensetzten. Auch die einheimischen Kinder und Erwachsenen halfen mit, und nach zwei Wochen war der Klostersportplatz fertig.
Es gab ein Eröffnungsspiel mit vielen Zuschauern, die Klosterbuben gegen die Buben aus Unterharmersbach. Das Spiel endete unentschieden. Mein Bruder Kurt lobte meine guten Leistungen als Torwart.
Verlockung süßer Trauben
An der Außenwand des Anbaus der Klosterschule war über die ganze Länge ein Spalier gespannt, an der von der Sonne verwöhnte Trauben wuchsen. Fünf Freunde, darunter auch ich, beschlossen, bei Dunkelheit den Trauben einen Besuch abzustatten. Als wir genüsslich Trauben verspeisten, ging auf ein Mal das Licht an und der Hof war hell erleuchtet. Eine Stimme rief: »Klauaugen am Werk.« Weglaufen war zwecklos, die Patres Robert und Rupert standen im Weg. Zur Strafe wurden wir zu einer Woche Geschirr abtrocknen verdonnert.
Einsatz am Nillhof
Wenn Kirschen, Äpfel, Heidelbeeren oder Kartoffeln geerntet werden mussten, waren wir alle im Ernteeinsatz. Morgens hing eine Liste mit den Namen der Klosterschüler aus, die zum Helfen bei den Bauern ausgesucht waren. Ich war fast immer dabei. Pater Berchmanns ging mit uns zu den Bauernhöfen, die Helfer benötigten. Einen besonderen Einsatz gab es, als auf dem Nillhof das Dach zusammenbrach. Wir liefen vom Kloster eine Stunde, bis wir dort waren, und halfen beim Aufräumen. Ohne Pause transportierten wir den ganzen Tag Ziegel um Ziegel ab. Abends gab es von der Bäuerin Dummis, eine Mehlspeise, die wunderbar schmeckte. Mit Herzklopfen gingen wir durch den pechschwarzen Wald wieder zurück ins Kloster.
Meine Zeit in der Klosterschule werde ich nie vergessen. Sie hat mich geprägt und die Patres zeigten uns den Weg und lebten ihn uns vor.