Nahezu 500 Jahre alte Wappenscheiben zieren den neuen Rathaussaal
Die alten Kunstwerke haben durch die Reinigung und Ausbesserung schadhafter Stellen an Farbenfreude und Leuchtkraft gewonnen
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Freuten sich über die gelungene Präsentation der historischen Kleinode im modernen Ambiente: Bürgermeister Günter Pfundstein (von links), die Vertreterinnen der Landesdenkmalbehörde Dunja Kielmann und Monika Loddenkemper, die Restauratorin Gerlinde Möhrle und Stadtbaumeister Tobias Hoffmann. Foto: Dieter Petri
Zur Neugestaltung des Rathauses gehört die Verlegung des Rats saales vom Erdgeschoss des Altbaus in das Ober geschoss des Anbaus. Eine besondere Behandlung wurde den nahezu 500 Jahre alten Wappenscheiben zuteil.
Als 1543 das alte Rathaus einem Brand zum Opfer fiel, beteiligten sich verschiedene Gemeinden, Städte und Herrschaften mit einer Spende am Aufbau eines Rathauses, das 1546 eingeweiht wurde. Im Untergeschoss beherbergte das Gebäude eine offene Markthalle, die für den Wochenmarkt benötigt wurde. Im Obergeschoss befand sich ein Ratssaal.
Spender brachten sich in bleibende Erinnerung
Mit der Wiederaufbau-Spende übergaben die Stifter auch ihre Wappen, die in die Fenster des Ratssaales eingefügt wurden. So brachten die Spender sich für die gute Tat in bleibende Erinnerung. Weil die Räumlichkeit im Rathaus für die wachsenden Amtsgeschäfte, namentlich auch für das Notariat und das Archiv mit den Privilegien der Reichsstadt zu klein wurden, baute die Stadt 1776 hinter dem Rathaus ein stattliches Kanzleigebäude.
1895 entschloss sich der Rat, die zu kleine gewordenen Schulräume im Mesnerhaus bei der kath. Stadtkirche aufzugeben und in einem neuen Rathaus unterzubringen. Beim Abbruch des alten Gebäudes wurden die Wappenscheiben aufbewahrt und im neuen Ratssaal in die Fenster eingebaut. Ihre Erwähnung in der 1936 erschienenen Chronik von Franz Disch legt dies nahe.
Ein Rathaus-Foto von 1949 zeigt jedoch, dass die Fenster ohne eine Bleiverglasung waren. Als 1961 der Ratssaal renoviert wurde hat man die gelagerten Wappenscheiben wieder in die Fenster eingefügt.
Dipl. Restauratorin Gerlinde Möhrle führte die Arbeiten aus
Mit dem Ausbau und der Restaurierung wurde die Dipl. Restauratorin Gerlinde Möhrle betraut. Ihre Werkstatt ist auf mittelalterliche Glasmalerei spezialisiert und erhält daher ihre Aufträge überwiegend von der Kölner Dombauhütte. Dass es zu dieser Beauftragung kam, ist dem Interesse und der Erfahrung gleich mehrerer Denkmalbehörden zu verdanken. Von der Landesdenkmalbehörde Stuttgart haben die beiden Kunsthistorikerinnen Monika Loddenkemper und Dunja Kielmann sich für die Vergabe stark gemacht. Das in Freiburg angesiedelte Institut für mittelalterliche Glaskunst, vertreten durch Daniel Parello und Lisa Eberhardt haben der Vergabe zugestimmt. Letztere hat auch eine Empfehlung für die Aufreihung der Wappen im neuen Ratssaal gleich mitgeliefert.
Wappen in eine moderne Wand verkleidung eingefügt
Architekt Strolz hatte die Idee, die Wappen in eine moderne Wandverkleidung einzufügen und zu hinterleuchten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die alten Kunstwerke haben durch die Reinigung und behutsame Ausbesserung schadhafter Stellen an Farbenfreude und Leuchtkraft gewonnen.
Die Wappengalerie säumt die West- und Ostwand des Saales. Die erste Reihe links beginnt, von links, mit dem Wappen des Zel- ler Schultheißen Melchior Johner und endet mit dem Wappen der Stadt Straßburg.
Die rechte Reihe greift, von links, mit dem Wappen des Bischofs von Straßburg, dieselbe Raumschaft wieder auf. Den Schluss bilden die Städte Wolfach und Hornberg. Durch diese beiden letzten Wappen, die sich stilistisch deutlich von den anderen Arbeiten unterscheiden, hat Lisa Eberhardt den Villinger Glaskünstler Gregor Riecker ausfindig gemacht.
Foto: StadtarchivDas alte Zeller Rathaus vor dem Abbruch im Jahr 1895. Die Wappenscheiben wurden aufbewahrt und im neuen Ratssaal in die Fenster eingebaut.Die Restauratorin Gerlinde Möhrle bei der Vorbereitung zum Einbau einer Wappenscheibe.Foto: Hanspeter SchwendemannBlick in den neuen Zeller Rathaussaal. In der modernen Wandverkleidung sind rechts und links jeweils sechs der historischen Wappenscheiben eingelassen und hinterleuchtet.Foto: Dieter Petri1. Die Stadt Zell am Harmerspach 1595
Zell präsentiert sich mit einem Reichsadler auf gelbem Feld. Oben links wird ein Heerlager gezeigt, rechts eine Kriegsszene. Damit sollte die Wehrfähigkeit demonstriert werden. Melchior Johner, der Schultheiß, hat sich gleich zweimal verewigt, oben im kleinen Portrait, in der Mitte mannshoch als streitbarer Ritter in Rüstung mit Schwert und Kurzschwert. Johner bekleidete das Amt des Schultheißen von 1588 bis 1605.2. Jakob von Greberen Schultheis zu Zell am Harmerspach 1551
Die Herren von Gröbern hatten als Stammsitz den Gröbernhof außerhalb der Stadt. Sie stellten zahlreiche Schultheißen. Zu ihrem Wappen gehörte ein Pfauenkopf mit 3 Wedel, links. Oben die Darstellung einer Jagdszene. Die Jagd war ein Vorrecht der Obrigkeit.Foto: Dieter Petri3. Die stat Gengenbach
Mit dem Würdenträger ist der Schultheiß gemeint. Das Wappen zeigt den Reichsadler. Auf seiner Brust krümmt sich ein Lachs. Zell fühlte sich mit den benachbarten Reichsstädten Gengenbach und Offenburg verbunden. Gemeinsam wehrten sie sich gegen die Einflussnahme des Ortenauer Landvogts und legten Wert auf ihre direkte Verbindung zu Kaiser und Reichstag.Foto: Dieter Petri4. Das gericht Orttenberg 1547
Ortenberg war damals Sitz des Ortenauer Landvogts. Er residierte auf der Burg hoch über dem Dorf. Mit dem Wappen betont die Gemeinde ihre eigenständige Gerichtsbarkeit. Sie galt jedoch nur für die einfacheren Gesetzesverstöße. Die hohe Gerichtsbarkeit oblag dem Landvogt.Foto: Dieter Petri5. Das gericht Stainach 1547
Typisch für das an der Kinzig gelegene Steinach sind Fisch und Steine. Stolz nennt sich die Vertretung der Gemeinde »Gericht«. Gemeint ist damit die niedere Gerichts barkeit bei geringfügigen Zivil- und Strafsachen. Die höhere Gerichtsbarkeit lag beim fürstenbergischen Oberamt in Haslach.Foto: Dieter Petri6. Die stat Straßburg 1547
Das Stadtwappen, ein schräger roter Balken auf weißem Feld, wird von drei Löwen, zwei stehenden und einem liegenden, umgeben. Sie stehen für einen selbstbewussten Stadt rat, der die Ansprüche des Bischofs zu-rückweist und sich direkt dem Kaiser unterstellt sieht. In den beiden Nischen am oberen Rand verkündet links ein Engel Maria (rechts) ihre Schwangerschaft. Die Szene erinnert an das mächtige Münster »Unserer Lieben Frau«.Foto: Dieter Petri7. 1547 Erasßmus von gots gnad. Bischove zu Straßburg, landtgrave zu elsas
Zell gehörte damals zur Diözese Straßburg. Der Bischof war zugleich Landgraf für das Elsass. Im oberen Teil eine himmlische Szene, bei der Engel in Gestalt von barocken Putten musizieren. Die Dame oben rechts hält einen Spiegel.8. Wilhelm grave zu Fürstenberg, Landgraff zu bare 1547
Die Fürstenberger beherrschten die Baar. Ihren Sitz hatten sie in Donaueschingen. Ihre Herrschaft reichte damals bis ins Kinzigtal. Zu den heraldischen Merkmalen gehört der weißblaue Wolkenkranz um den Reichsadler, der sie als Reichsfürsten ausweist. Landgraf Wilhelm wurde als Söldnerführer in kaiserlichen Diensten und wegen seiner Einführung der Reformation im Kinzigtal auch der »wilde Graf« genannt. Später hat sein jüngerer Bruder Friedrich die Rückkehr zur katholischen Kirche gefördert.Foto: Dieter Petri9. Rudolfus Garb Abba in Schuttern
Der selbstbewusste Abt des Reichs-Klosters Schuttern schmückte sich mit drei Löwen und einem Adler. Rudolphus III. Garb war Abt von 1535 – 1550. Die Mitra verrät den Rang eines Bischofs. Dass der Abt von Schuttern der Stadt Zell sein Wappen widmet ist ungewöhnlich. Zu erwarten wäre eher der Abt von Gengenbach gewesen, der in Zell den Schultheißen einsetzte.Foto: Dieter Petri10. Walther Her zu Hohengeroltzseck und Sultz 1547
Zum Wappenschild der Herren von Hohengeroldseck gehört ein rotes Querband in gelbem Feld. Die Stadt Sulz liegt am Neckar. Hier waren die Geroldsecker die Stadtherren. Oben links versucht ein Landwirt einen Bären zu vertreiben, der sich an Bienenhonig vergreift. Rechts oben ist eine Jagdszene festgehalten. Graf Walther war ein leidenschaftlicher Jäger, der in seinem Tagebuch u. a. seine Jagderfolge vermerkte.Foto: Dieter Petri11. Anno Domini 1547
Der Wolfshaken ist das Wappen der Stadt Wolfach.Foto: Dieter Petri12. Hornberg 1548
Zwei Hörner und drei Bergspitzen kennzeichnen den Ort. Im Fuß der beiden Säulen ist jeweils eine Hälfte des Württembergischen Wappens zu sehen.