Ob Landschaften den Menschen prägen, sei dahingestellt. Dass weite Landschaften unterschiedliche Emotionen wecken und Künstler sich von Begegnungen in und mit der Natur besonders inspirieren lassen, bestätigte Nadia Birkenstock beim 6. Konzert der »Sommermusik« in der Evang. Kirche wiederholt und die grandiosen Eigenkompositionen »Weg durchs Moor« und »A la source« bezauberten mit zärtlichen und wie entrückt wirkenden Klängen. So, als sei die Zeit stehen geblieben.
Dabei wolle sie doch nach vorn blicken, erklärte die Solistin, als sie das »The days to come« betitelte Konzertprogramm mit Folksongs und Instrumentalstücken vorwiegend aus dem irisch-schottischen Raum vorstellte.
In den besten Momenten bilden die Interpretin und ihre keltische Harfe eine beseelte Einheit, verschmelzen auf wunderbare Weise miteinander, wenn Birkenstocks klare und anmutige Stimme erklingt. Es entsteht ein spiritueller Sog, der so feingewoben ist, dass sich in »Come sit beside me«, das von Liebesfreud und Liebesleid erzählt, mit den pailettenartig schimmernden Tönen geradewegs eine Bilderwelt entfaltet.
Filigrane Zupfmuster im Wechsel mit prägnanten bassbetonten Läufen und Akkordanschlägen kennzeichnen das virtuose Spiel der Solistin im »Travel Song« und der Adaption einer schottischen Komposition für Geigen (Fiddles), das die Musikerin für die keltische Harfe bearbeitet und mit melodisch reizvollem und bodenständigem Kolorit versehen hat. Tosender Beifall im vollbesetzten Kirchensaal.
Traumhaft-meditative Klänge
Dass manche Auftragskompositionen zu Evergreens werden können, belegen etliche Songs und Melodien aus Kino- oder Fernsehfilmen. »Trip to the islands« hat Birkenstock für das Projekt »The Enchanted Lake« des irischen Schauspielers und Sängers Mick Fitzgerald geschrieben. Die hinreißende Ohrwurmmelodie und der swingende Rhythmus haben Hitpotential. Auch »Sagittaire«, nach einer Legende über das Sternzeichen »Schütze«, bezaubert mit traumhaft-meditativen Klängen und graziöser Anmut, wie es nur das Zupfinstrument erreicht, zumal wenn es von einer Ausnahme interpretin wie Nadia Birkenstock gespielt wird. Eine Musik, deren Schönheit berührt.
Was werden uns diese turbulenten und krisengeschüttelten Zeiten noch zumuten? Gedanken, die auch die Künstlerin beschäftigen, bringt sie musikalisch kon trastreich und transparent zum Ausdruck: »The days to come« – dem Virtuosen und Spielerischen nicht abhold – erklingt interpretatorisch auf höchstem Niveau. Allein die ungewöhnliche und entfernt an ein Banjo erinnernde Intonation lässt aufhorchen.
Breitgefächertes Format
Das breitgefächerte Format des Konzertabends überzeugte durchweg: Sakral angehauchte Musik (»Schottisches Psalmliederbuch« anno 1582) erklang, wie auch der Humor der Musikerin nicht zu kurz kam. »I wish I was in England« erzählt vom Seelenschmerz eines verlassenen Liebhabers, der die Angebetete sowohl in England als auch auf dem Kontinent sucht. Der Wunsch – »in England zu sein« – käme einem »echten« Iren selbstredend nie über die Lippen. Die Harfe setzte Akzente mit dynamischen Akkorden und einem herrlichen Glissando.
Der reiche Beifall des Publikums mündete schnell in ein rhythmisches Klatschen. Ohne Zugabe wollte man die sympathische Musikerin nicht gehen lassen. Sie fühle sich beim Konzertieren in der Zeller Kirche, gerade im Ambiente des Altarraums, besonders wohl, sagte Nadia Birkenstock, bevor sie noch einmal zur Harfe griff und sich mit »Whispering Woods« musikalisch verabschiedete. Mit auf den Weg nahm sie die weiße »Sommermusik«-Rose, mit Dankesworten überreicht vom Kirchenältesten Joachim Groß.