Wie jedes Jahr waren die Schüler*innen der Werkrealschule Klasse 9 gebeten worden, einen Aufsatz zum Thema »Heimat« zu verfassen. Ihre Lehrerinnen Ayșe Eryilmaz und Katharina Faißt haben der achtköpfigen Jury mit Geschichtsfreunden eine Auswahl vorgelegt. Diese wiederum benannte die besten drei Arbeiten für einen »Bildsteinpreis«.


Die Auszeichnung erinnert an Josef Bildstein. Der gebürtige Nordracher hatte in den 1970er Jahren dem Museum der Stadt Zell seine wertvolle Uhren-Sammlung vermacht. Am Montag überreichte nun Bürgermeister Günter Pfundstein im »Hotel Sonne« den Preisträger*innen feierlich eine kostbare Armbanduhr, die sie sich im Vorfeld hatten aussuchen dürfen.
Der 1. Preis ging an Carina Schwarz von Nordrach. Sie hat sich das Thema »Landwirtschaft – gestern und heute« vorgenommen. Gewürdigt wurde ihre Arbeit von Jury-Mitglied Herbert Vollmer. Als Anschauung diente der Schülerin der stattliche Rautschhof. Sie stellt heraus, dass damals außer der Familie zahlreiche Knechte und Mägde mitgearbeitet haben. Deren Arbeit wird heute von Maschinen übernommen. Die Beschreibung der früher benutzten Geräte ist sehr vielfältig, sodass sie selbst bei Älteren schon in Vergessenheit geraten sind. Treffliche Fotos dienen der Veranschaulichung.
Mit Hingabe beschreibt Carina den Wechsel der im Jahreslauf anfallenden Arbeiten. Im Mai wurden Kartoffeln gesetzt. Eine große Aktion war die Heuernte. Früh am Morgen machten sich die Schnitter an die Arbeit, wendeten das Gras zum Trocknen und waren froh, wenn sie das Heu bei schönem Wetter in die Scheune bringen konnten. Im November und Dezember ging es in den Wald, um Bäume zu fällen und sicher zur Säge zu transportieren. Am Schluss appelliert Carina an die Politik, die Bauern zu unterstützen, damit die Landschaft nicht zuwächst. Eine informative wie einfühlende Arbeit, stellte Vollmer fest.
Den 2. Preis erhielt Fabian Zimmermann von Unterharmersbach. Er widmet seinen Aufsatz der Geschichte des »Grünen Hofs« und der Wirtsfamilie Wacker. Jury-Mitglied Bertram Sandfuchs hat seine Leistung gewürdigt. Fabian verfolge die Familie Wacker zurück bis zur Generation seiner Urururgroßväter und stelle diese Geschichte packend dar. Er schildere die immer wieder vorgenommenen Modernisierungen, um den gestiegenen Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden.
Durch Erfahrungen im Ausland sei es möglich gewesen, im heimischen Gasthof die Gäste in Französisch und Englisch zu bedienen.
Zu den Besonderheiten des Grünen Hofs gehört die Kegelbahn. In den Anfängen lag diese noch im Freien. Kegelbuben verdienten sich mit dem Wiederaufstellen der Kegel ein Trinkgeld. Später kam die Einrichtung unter Dach. Heute dient sie dank der Automatisierung höchsten sportlichen Ansprüchen. Beiläufig erinnert Bürgermeister Pfundstein, dass Fabian es in seiner Altersklasse zum Kegel-Weltmeister gebracht hat. Das am Schluss der Arbeit mit Franz Josef Wacker (IV.) geführte Gespräch sei grundehrlich, beschreibe den Ist-Zustand und blicke vorsichtig in die Zukunft, so der Laudator.
Der 3. Preis ging an Eva Zimmermann von Unterentersbach. Die Wertschätzung ihrer Arbeit hatte Jury-Mitglied Horst Feuer übernommen. Über ihre Mutter ist Eva verbunden mit einer jungen Tradition in Unterharmersbach: Der »Saumusik«. Diese erweckt die frühere Tradition der »Wirtshausfasend« zu neuem Leben. Bevor die Fasend in die Halle wanderte, ging sie in den Gaststätten über die Bühne. So gab es den »Ledigenball« in der »Blume«, den Ball der »Verheirateten« im »Rebstock«, den »Lumpenball« im »Adler«, die Gullerfasend« im »Kaffeebruckstüble« und den »Feuerwehrball« im »Ochsen«.
1990 hatten Patrick Friedmann und seine Blasmusiker die Idee, eine lustige Truppe zu gründen. Nach dem Vorbild der »Gälfiäßler« und deren Lied »Es rennt a Sau de Garde na« nannte sich die Gruppe ungeniert »Saumusik«. Am Fasendsamstag 2001 fand der erste Saumusik-Abend im »Rebstock« statt und wurde mit Begeisterung aufgenommen. Neben der Blas- und Tanzmusik gehören Schnitzelbank und Auftritte des Narrensamens zum Programm. Seit einigen Jahren findet der Spaß im »Eckwaldblick« statt. Die Wirtshaus-Fasend ist in den »Hombe« zurückgekehrt. Der Aufsatz verrate gründliche Nachforschung und sei flüssig geschrieben, lobte Feuer.
Rektorin Anne-Catrin Medel gratulierte den Preisträger*innen zu ihrer gelungenen Leistung. Sie dankte den beiden Lehrerinnen Eryilmaz und Faißt für die Motivierung und Begleitung aller Schüler*innen, die sich auf die Erarbeitung eines heimatgeschichtlichen Aufsatzes eingelassen hatten. Die Jury unter Leitung von Bernd Antes habe es sich nicht nehmen lassen, auch in den Zeiten der Pandemie zu einer gerechten Bewertung der eingereichten Arbeiten zu kommen. Das Thema »Heimat« habe einen hohen Stellenwert verdient. Es gehe darum, seine Wurzeln zu erkennen und zu schätzen. Heimat sei nicht nur ein Thema für die Daheimgebliebenen, sondern nicht minder für die, welche etwa aus beruflichen Gründen eine neue Bleibe suchen. Der Bildsteinpreis mache den Schüler*innen den Wert der Heimat bewusst.
Eltern beim Bildstein-Aufsatz mitgefordert
Bei der Preisverleihung der Bildstein-Runde hat Jury-Mitglied Horst Feuer die 77-jährige Mutter und Großmutter gebeten, über ihre Erfahrung mit den Bildstein-Aufsätzen ihrer Kinder und Enkel zu sprechen.
In der Tat war die Frau vom Oberen Guretshof in Oberentersbach vier Mal bei ihren Kindern und drei Mal bei ihren Enkeln mit der Aufgabe konfrontiert, ein heimatgeschichtliches Thema zu finden.
Die erste Reaktion der Jugendlichen auf die Anforderung sei meist eine gewisse Unlust gewesen. Oft habe es eines ermunternden Wortes bedurft, damit ein Thema gesucht, gewählt und schließlich in Angriff genommen wurde. Im Gespräch über Hof und Familie habe sich oftmals eine Fragestellung ergeben. Bei den Jugendlichen sei dann der Appetit im Zuge der Beschäftigung mit dem Thema gekommen. Am Ende habe es ihnen Spaß gemacht, sich mit der Familie und ihrem Umfeld zu beschäftigen und etwas darüber aufgeschrieben zu haben.
Horst Feuer brachte in der Runde beispielhaft die gewählten Aufsatz-Themen in Erinnerung: »Oberer Gurethshof«, »Rund um Oberentersbach«, »Oberentersbach im Wandel der Zeit«, »Mein Opa Ludwig, der Ringer«, »Der Halterhof in Oberentersbach«, »Oma Berta«, »Opa Gerold und die Landwirtschaft«. Die Fragestellungen würden sich nicht wiederholen, sondern sich zu einem größeren Bild ergänzen, so Feuer. Es sei dem Bildstein-Preis zu danken, dass der Blick der Schule sich nicht nur auf die große Geschichte richte, sondern auch persönliche Schicksale ernst nehme.