In ihrer traditionellen Neujahrsumfrage gibt die »Schwarzwälder Post« den Bürgermeistern der Talgemeinden die Gelegenheit, auf wichtige Themen des vergangenen Jahres zurückzublicken und einen Ausblick auf das Kommende zu geben. Die Antworten füllen diese Doppelseite.
Mit dem Jahr 2020 beginnt eine neue Dekade, die im Großen und im Kleinen viele Herausforderungen mit sich bringt. Der Kampf gegen den globalen Klimawandel scheint dabei das bestimmende Thema zu sein. Doch auch im Kleinen gibt es Herausforderungen, die es zu lösen gilt: eine gute Kinderbetreuung ist für Familien, bezahlbarer Wohnraum für alle wichtig. Zahlreiche andere Themen berühren das Leben der Menschen und müssen angegangen werden. Strategien sind gefragt, gesellschaftlicher Zusammenhalt ist dabei der Kitt, der gebraucht wird.
Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde. Doch wie? Nicht umsonst ist »Green Pressure« zum Zukunftswort des Jahres gekürt worden. Die Gemeinden haben auf vielen verschiedenen Ebenen bereits Maßnahmen eingeleitet, um ihm zu begegnen. Welche Ideen die Bürgermeister noch haben, um mit eben diesem »grünen Druck« umzugehen, verraten sie in ihren Antworten.
Für 2020 stehen in allen Gemeinden Projekte für eine lebens- und liebenswerte Zukunft auf der Agenda. Sie betreffen die Sanierung oder den Neubau öffentlicher Einrichtungen, Sicherheit in der Wasserversorgung, Weiterentwicklung des Bildungsbereichs und vieles mehr.
Einigkeit herrscht bei allen Rathauschefs darüber, dass der Überschuss im Bundeshaushalt am besten den Kommunen zugute kommen soll, um sie in ihren Pflichtaufgaben zu unterstützen.
Bürgermeister Carsten Erhardt:
Wunsch nach einer lebendigen Bürgergesellschaft
Wir schreiben das Jahr 2020. Ein neues Jahrzehnt beginnt. Wie stellen Sie sich Ihre Kommune am Ende der Dekade vor? Was wird das 20er-Jahre Gefühl in Ihrer Gemeinde prägen?
Da der Staat und jede politische Ebene aus uns, also den Bürgerinnen und Bürgern besteht, wünsche ich mir zuallererst eine lebendige Bürgergesellschaft, die auf gegenseitigem Respekt basiert. Eine Bürgergesellschaft, die einander zuhört und versucht andere Meinung zu akzeptieren und gemeinsam die beste Lösung zu finden. Wenn jeder versucht aufeinander zuzugehen, dann können wir Großes erreichen. Dies haben wir in der Vergangenheit mehrfach bravourös bewiesen. In den kommenden 10 Jahren warten vielfältige Herausforderungen auf uns. Einige kann man nur erahnen (u. a. zunehmende Trockenperioden, eine älter werdende Gesellschaft, Verschiebung der Werte innerhalb unserer Gesellschaft) und man muss versuchen, frühzeitig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Andere Herausforderungen sind heute noch nicht abzusehen. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk auf einer funktionierenden Infrastruktur in Nordrach. Neben den baulichen Infrastrukturen werden aber auch die Dienstleistungsinfrastruktur (u. a. medizinische Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, ÖPNV, Kindergarten- und Schulmöglichkeiten, Schwimmbad, Vereinsangebote) eine wichtige Rolle spielen. Ebenso wichtig wird die interkommunale Zusammenarbeit sein. Der Leitgedanke für die 20er Jahre muss sein, dass »das Bessere immer der Feind des Guten ist.« Wir dürfen in der Entwicklung nicht auf der Stelle stehen bleiben, sondern müssen mutig und ohne Denkverbote an das Projekt »Zukunft« gehen. Wir dürfen uns nicht von unangenehmen Entscheidungen wegducken, sondern diese so transparent wie möglich darstellen und mutig entscheiden.
Das Zukunftsinstitut hat das Zukunftswort des Jahres gekürt. Es lautet »Green Pressure«. Wie stehen Sie zum »grünen Druck« und welche Auswirkungen hat er auf Ihr persönliches Leben und Ihre Gemeinde?
Bei »Green Pressure« muss man zuallererst fragen, wer steht unter Druck. Ist das die große Politik? Ist es die Wirtschaft? Ist es die Generation von gestern, heute oder morgen? Eines ist sicher: Die Fakten zum Klimawandel liegen seit den 1980er Jahren auf dem Tisch und haben in ihrer Kernaussage nach wie vor Gültigkeit. In der Vergangenheit wurden auf verschiedene Ausblühungen (FCKW-Verbot, Einführung des Katalysators gegen den sauren Regen und das Waldsterben) immer wieder einzelne Aspekte erkannt und durch wissenschaftliche und technische Lösungen angegangen. Auch heute gibt es wissenschaftliche und technische Möglichkeiten, die Erderwärmung zu bremsen. Jedoch kann das nur ein Baustein sein. Jeder einzelne muss sich mit dem Thema ernsthaft auseinandersetzen. Wenn die Menschen in den Industrie- und Schwellenländern nur 10 Prozent der eigenen Handlungen nachhaltig treffen würden, dann wäre schon viel gewonnen. Für die Gemeinde Nordrach ist das wirkliche nachhaltige Leben (kein »green washing«) schon längst Standard. Als Luftkurort und Energie-Musterkommune sowie Bioenergiedorf leben wir diese Einstellung schon lange. Bei allen Entscheidungen stellen wir uns die Frage, wie diese Entscheidung auf unsere Enkel auswirken könnte.
Welche Prioritäten sehen Sie in Ihrer Arbeit für das Jahr 2020?
Im Jahr 2020 stehen zwei Baumaßnahmen im Zentrum. In die Versorgungssicherheit unserer Wasserversorgung wird immens investiert. Es entsteht ein neuer Wasserhochbehälter, ein Pumpwerk wird erneuert sowie ein Quellsammelschacht wird neu gefasst. Durch diese Maßnahmen werden wir unser Lagervolumen an frischem Quellwasser aus unserem Wald nahezu verdoppeln.
Darüber hinaus wird der erste Bauabschnitt der neuen Ortsmitte getätigt. Bis 2023 soll die neue Ortsmitte fertiggestellt sein und den neuen Treffpunkt für neu und alt bilden. Im Rahmen dieser Baumaßnahme wird es für die Bevölkerung und die Anlieger einige Beeinträchtigungen geben. Dafür bitten wir jetzt schon um Verständnis und konstruktive Mitarbeit bei der Problemlösung.
Zudem wird im Baugebiet Grafenberg VII der zweite Bauabschnitt erschlossen. Dadurch wird es zwölf weitere Bauplätze geben.
Ein halbes Jahr ist seit der Kommunalwahl vergangen. Wie läuft‘s im neu formierten Gremium?
Wie in den letzten 13 Jahren arbeiten wir konstruktiv miteinander, um den besten Weg für unsere Heimatgemeinde zu finden. Sicherlich gibt es viele Wege, die uns in eine gute Zukunft führen. Entsprechend wird auch das eine oder andere Thema, in aller Fairness, hart diskutiert. Wir sind uns alle bewusst, dass wir gewählt wurden, um Nordrach nach vorne zu bringen und für die Zukunft zu rüsten. Darauf haben wir auch einen Eid geleistet. Auch hier gilt, dass jeder Vorschlag willkommen ist und es keine Denkverbote geben darf. Genau so arbeiten alle Akteure zusammen für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger.
»Rekord-Überschuss beim Bund« lautete eine Schlagzeile der vergangenen Wochen. Wie sollte das Geld sinnvollerweise eingesetzt werden?
Rekorde sind immer relativ und Ansichtssache. Letztendlich stellen die Bürgerinnen und Bürger und die Firmen dem Staat die finanziellen Mittel zur Verfügung, damit der Staat seine Aufgaben erledigen kann. Wenn Geld übrigbleibt, kann man der Meinung sein, dass das Geld dem Steuerzahler zurückgegeben werden muss. Man kann aber auch der Meinung sein, dass das Geld in Investition im freiwilligen Bereich und/oder in benachteiligten Regionen fließen kann oder sogar muss. Gerade im ländlichen Bereich gibt es viele Defizite. Insbesondere im Bereich BZV-Straßen, bei der Schwimmbad- und Schulsanierung und beim Ausbau des ÖPNV gibt es große Aufgaben, die nur mit Fördergeldern gestemmt werden können.
Als Bürgermeister ist man stark gefordert. Wie schalten Sie ab?
Die Familie gibt Kraft und Rückhalt. Leider kommt die Familie viel zu kurz. Umso schöner ist es dann, wenn die Zeit für sie da ist.
Bürgermeisterin Daniela Paletta:
Hauptaugenmerk auf die Pflichtaufgaben richten
Wir schreiben das Jahr 2020. Ein neues Jahrzehnt beginnt. Wie stellen Sie sich Ihre Kommune am Ende der Dekade vor? Was wird das 20er-Jahre Gefühl in Ihrer Gemeinde prägen?
Der Kampf gegen den globalen Klimawandel ist eine zentrale Herausforderung dieses Jahrhunderts. Um das zu erreichen, ist es wichtig, große Themenblöcke, wie Digitalisierung, Erzeugung von Erneuerbarer Energien und Klimaschutz mit Weitsicht und Augenmaß anzugehen. Die Gemeinde wird die Herausforderungen der kommenden Jahre annehmen.
Zu allererst gilt es hier das Augenmerk auf die Pflichtaufgaben zu legen. Zu diesen zählt unweigerlich, genügend Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Und dies nicht nur wegen des gesetzlichen Rechtsanspruchs, sondern auch um die Gemeinde als Zuzugsort und für einheimische Familien weiterhin attraktiv zu halten. Der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze ist somit eines der wichtigsten Ziele in den kommenden Jahren. So soll aber auch in den kommenden Jahren weiter bezahlbarer Wohnraum entstehen, neue Gewerbegebietsflächen gesucht und erschlossen werden, und in die Breitbandversorgung investiert werden.
Das Zukunftsinstitut hat das Zukunftswort des Jahres gekürt. Es lautet »Green Pressure«. Wie stehen Sie zum »grünen Druck« und welche Auswirkungen hat er auf Ihr persönliches Leben und Ihre Gemeinde?
Ein wichtiges und zentrales Thema »Klimaschutz«. Arten- und Klimaschutzmaßnahmen sind in Biberach gelebte Praxis. Die Maßnahmen reichen beispielsweise von Blühstreifen auf dem Kreisverkehr und an den Straßen, über den Bezug von »Öko-Strom« und der Installation und dem Betrieb von Photovoltaikanlagen in und auf öffentlichen Gebäuden (u. a. Grundschule, Turn- und Festhalle, Bauhof oder Kläranlage) bis zur Unterstützung der Errichtung und der Beteiligung beim Betrieb von Windkraftanlagen (z. B. Kambacher Eck) und der Umstellung der Straßen- und Weihnachtsbeleuchtung auf LED. Bei der Ausweisung neuer Baugebiete sind regelmäßig Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, die z. B. durch die Anlegung oder Aufwertung von Biotopen, Maßnahmen für den Wald oder Verbesserungen an Gewässern umgesetzt werden.
Weiter ist zu beobachten, dass durch die anhaltende Hitze und Trockenheit der letzten Jahre die Trinkwasserversorgung (Grundwasser, Quellen) zunehmend unter Druck gerät und immer mehr Anwesen im Außenbereich an die öffentliche Trinkwasserversorgung anschließen müssen. Auch hier ist die Gemeinde gefordert, dies zu ermöglichen und die Versorgung sicherzustellen.
Welche Prioritäten sehen Sie in Ihrer Arbeit für das Jahr 2020?
Nicht nur der Neubau des Kindergartens am Standort Alter Sportplatz läuft auf Hochtouren, sondern auch die Planung der Sanierung der Grundschule oder die Erschließung weiterer Baugebiete wird uns in diesem Jahr beschäftigen.
Ein halbes Jahr ist seit der Kommunalwahl vergangen. Wie läuft‘s im neu formierten Gremium?
Es läuft gut, insgesamt ist die Kommunalpolitik vielfältiger geworden, Mehrheiten für gute Vorschläge gilt es zu finden. Gemeinsam müssen wir an einem Strang ziehen, tragfähige Lösungen erarbeiten, die der gesamten Gemeinde zugute kommen.
Wir achten sehr darauf, dass wir uns in Transparenz, Respekt und Gedankenfreiheit darüber verständigen, wie Biberach Lösungen für die anstehenden Herausforderungen entwickeln kann. Unsere repräsentative Form der Demokratie ist dabei für mich die am besten geeignete Form der politischen Willensbildung. Das schließt die Ortschaftsverfassung mit den gewählten Ortschaftsräten mit ein.
»Rekord-Überschuss beim Bund« lautete eine Schlagzeile der vergangenen Wochen. Wie sollte das Geld sinnvollerweise eingesetzt werden?
Der Überschuss muss jetzt genutzt werden, um die kommunalen Haushalte zu entlasten, die öffentlichen Investitionen zu steigern und um die wichtigen Investitionsstaus aufzuarbeiten. Die Milliarden müssten in gute Kitas, gute Schulen, öffentlichen Nahverkehrs, Klimaschutz und schnelles Internet investiert werden.
Vor allem sollte mit den 13,5 Milliarden die Forderung für eine Neuauflage des Förderprogramms »Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen« fortgesetzt werden, um so die Kommunen weiter in ihrer Pflichtaufgabe zu unterstützen.
Als Bürgermeisterin ist man stark gefordert. Wie schalten Sie ab?
Um Stress abzubauen und was für die Gesundheit zu tun, gehe ich ein- bis zweimal wöchentlich – wenn es die Termine zulassen – in den Sport. Aber so richtig abschalten, kann ich nur zuhause in den eigenen vier Wänden oder im Urlaub.
Bürgermeister Richard Weith:
Ideen mit der Realität in Einklang bringen
Wir schreiben das Jahr 2020. Ein neues Jahrzehnt beginnt. Wie stellen Sie sich Ihre Kommune am Ende der Dekade vor? Was wird das 20er-Jahre Gefühl in Ihrer Gemeinde prägen?
Eine Jahreszahl ist per se für die Entwicklung der Gemeinde nicht von Bedeutung und die Frage, was das »20er-Jahre-Gefühl« in Oberharmersbach prägen wird, kann logischerweise erst in der Retrospektive festgestellt werden. Die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts konnten auch erst im Nachhinein als »Goldene Zwanziger« beurteilt werden. Oberharmersbach ist eine landschaftlich sehr reizvolle, bodenständige, von Eigenentwicklung und einem großen gesellschaftlichen Zusammenhalt geprägte Gemeinde mit einer aktiven Vereinsgemeinschaft. Es wird auch in den kommenden Jahren Aufgabe aller Entscheidungsträger sein, die vorhandenen Stärken des Ortes herauszuarbeiten und Schwächen soweit wie möglich zu vermindern bzw. zu beseitigen. Ich bin dabei Realist genug, um zu wissen, dass sich die Gemeinde in ihrem Tun stets am Machbaren orientieren muss. Visionen und Ideen sind zwar wichtig, um tradiertes Handeln auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Vieles aber, was sich auf die Gemeinde auswirkt, können wir gar nicht selbst beeinflussen. Dies beginnt bei der Gesetzgebung und endet beim Klimawandel. Insoweit sind wir stets gehalten, unsere Visionen und Ideen für Oberharmersbach auf ihre Machbarkeit hin zu durchleuchten und mit der Realität in Einklang zu bringen. Ich bin davon überzeugt, dass es gelingen wird, die Gemeinde in kleinen, wohl überlegten Schritten so zu gestalten, dass sie für die Einwohnerschaft und die Urlaubsgäste jeglichen Alters auch über 2030 hinaus lebens- und liebenswert bleibt.
Das Zukunftsinstitut hat das Zukunftswort des Jahres gekürt. Es lautet »Green Pressure«. Wie stehen Sie zum »grünen Druck« und welche Auswirkungen hat er auf Ihr persönliches Leben und Ihre Gemeinde?
Heute ist es »Green Pressure«, in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war es die »New Economy« und noch früher war es die industrielle Revolution. Der Mensch neigt anscheinend dazu, immer in Extremen zu denken. Während man in den 90er-Jahren alles dem Wirtschaftswachstum und dem Shareholder Value unterordnete, was sich beispielsweise in einem enormen Flächen- und Landschaftsverbrauch und letztlich auch in einer geplatzten »Börsenblase« niederschlug, versucht man aktuell mit einer radikalen Änderung des Konsumverhaltens und einer Abkehr von den Symbolen des Wohlstands die Welt zu retten. Das Grundproblem ist, dass das »Mittelmaß« und der „Durchschnitt“ keine werthaltigen Begriffe mehr sind. »Etwas ist Mittelmaß.«, »Er ist durchschnittlich in der Schule«. Solche Beschreibungen sind für viele inzwischen leider gleichbedeutend mit »minderwertig«. Mittelmaß und Durchschnitt sind in unseren wachstums- und wohlstandsverwöhnten Augen eben oft nicht mehr gut genug. Diese Begriffe sind inzwischen Synonyme für Schwäche. Das zeigt sich auch in der Gesellschaftsstruktur. Die klassische Mittelschicht verschwindet zusehends. Hätten wir Menschen das »Maß halten« in den vergangenen hundert Jahren nicht als sportliche Disziplin auf dem Oktoberfest, sondern als Richtlinie für unseren Lebensstandard und den Umgang mit den Ressourcen unserer Erde verstanden, müssten wir uns jetzt nicht mit »Green Pressure« beschäftigen. Dabei laufen wir in dynamischer Weise Gefahr, unsere Gemüter mit einem »ökologischen Ablasshandel« zu beruhigen, der nicht vernunftorientiert, sondern von Aktionismus getrieben ist.
Welche Prioritäten sehen Sie in Ihrer Arbeit für das Jahr 2020?
Im Jahr 2020 werden wir die beiden großen Bauprojekte, die unsere Arbeit in den letzten zwei Jahren in personeller und finanzieller Hinsicht maßgeblich geprägt haben, erfolgreich abschließen können. Sowohl das neue Feuerwehrgerätehaus, als auch das generalsanierte Rathaus werden ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung übergeben.
Die Freiwillige Feuerwehr und die Gemeindeverwaltung sind damit für die kommenden Generationen zukunftsfähig aufgestellt. Damit haben wir zwei »Meilensteine« gesetzt. Da wir uns glücklicherweise immer noch im Landessanierungsprogramm befinden, wird uns die weitere Gestaltung der Ortsmitte im Bereich »altes Feuerwehrhaus« und Platzgestaltung weiterhin schwerpunktmäßig beschäftigen. Von Bedeutung wird hierbei sein, die Belange unserer aktiven Vereinsgemeinschaft zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden wir mit Beteiligung von touristischen Leistungsträgern, Gemeinderätinnen und Gemeinderäten sowie Bürgerinnen und Bürgern ein »Tourismuskonzept 2025« auf den Weg bringen und uns damit selbst einen »roten Faden« für die Tourismusarbeit der kommenden Jahre geben. Der Auftakt hierzu ist im Februar. Ein weiterer Schwerpunkt wird 2020 die Erhaltung der Infrastruktur sein. Wir erwarten in diesem Zusam-menhang die Ergebnisse der Straßenzustandserfassung, auf deren Grundlage eine mehrjährige Sanierungsplanung erstellt werden soll. Es wird mit der Zertifizierung unserer »Brandenkopf-Schule« zur »Naturparkschule« begonnen und erstmals werden wir eine Ferienbetreuung für alle Grundschüler anbieten. Außerdem arbeiten wir nachdrücklich an unserer Kindergarten-»Naturgruppe«. Erfreulicherweise können wir nach der begonnenen Ausbauplanung der Deutschen Telekom davon ausgehen, dass ein Großteil der Ortslage bis Ende des Jahres über schnelles Internet verfügen kann. Darüber hinaus habe ich die Hoffnung, dass die Breitband Ortenau GmbH & Co. KG, an der insgesamt 46 Kommunen des Ortenaukreises beteiligt sind, in Sachen »Ausbau Backbone-Netz« alsbald zügig voran kommen wird. In finanzieller Hinsicht wird 2020 ein äußerst schwieriges Jahr, insbesondere bedingt durch den nicht zu erwartenden Überschuss aus dem Gemeindewald, einer ungünstigen Konstellation bei den Zuweisungen und Umlagen im Finanzausgleich und wegen erwartungsgemäß reduzier-ter Gewerbesteuereinnahmen. Das »Neue Kommunale Haushaltsrecht« zwingt uns seit 01.01.2020 überdies, Abschreibungen im hohen sechsstelligen Bereich zu erwirtschaften. Wir arbeiten deshalb bereits in allen Bereichen an einer strukturellen Haushaltskonsolidierung. Der finanzielle Handlungsspielraum ist entsprechend stark begrenzt.
Ein halbes Jahr ist seit der Kommunalwahl vergangen. Wie läuft‘s im neu formierten Gremium?
Die Zusammenarbeit im neu formierten Gremium lief bereits vor der Kommunalwahl sehr gut. Daran hat sich durch die »Neuformierung« nichts geändert. Für sachfremde, rein parteipolitisch motivierte Beratungen und Entscheidungen ist in einem Gremium von dieser überschaubaren Größe sowieso kein Platz. Und nach dieser Maßgabe arbeiten wir auch alle. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte!
»Rekord-Überschuss beim Bund«“ lautete eine Schlagzeile der vergangenen Wochen. Wie sollte das Geld sinnvollerweise eingesetzt werden?
Bei vielen Vorzügen, den er in sich birgt, erschwert unser föderalistischer Staatsaufbau doch leider manchmal eine am tatsächlichen Bedarf orientierte Verteilung der Finanzierungsmittel über die Ebenen Bund, Länder und Kommunen hinweg. Es gibt sicherlich einige Bereiche, die unterfinanziert sind. Über diese könnte man im Einzelnen trefflich diskutieren. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre aber, das »Konnexitätsprinzip« (d.h. „Wer bestellt, der bezahlt.“) nicht nur punktuell, sondern über alle betroffenen Bereiche hinweg umzusetzen. Wenn beispielsweise der Bund neue Rechtspflichten für die Kinderbetreuung einfordert, kann es nicht sein, dass die Kommunen diese umsetzen müssen, ohne dafür vom Bund die entsprechenden Finanzierungsmittel zu bekommen. Dies ist leider in weiteren Bereichen auch so. Das Konnexitätsprinzip wäre also ein grundlegender und idealer Maßstab zur Verteilung von »Rekord-Überschüssen«.
Als Bürgermeister ist man stark gefordert. Wie schalten Sie ab?
Ich habe glücklicherweise ein starkes familiäres Umfeld, das in der Lage ist, die „Belastungsspitzen“ aufzufangen. Darüber hinaus wird, soweit dies der Terminkalender zulässt, Sport getrieben. Der Schwimmsport hat dabei absoluten Vorrang. Entspannung finde ich neuerdings auch beim Klavierspielen.
Bürgermeister Günter Pfundstein:
Alle sind gefordert, ihr Handeln zu hinterfragen
Wir schreiben das Jahr 2020. Ein neues Jahrzehnt beginnt. Wie stellen Sie sich Ihre Kommune am Ende der Dekade vor? Was wird das 20er-Jahre Gefühl in Ihrer Gemeinde prägen?
Wir haben mit dem bundesweit beachteten Projekt „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen« unsere Zukunftsvision Zell2030 gemeinsam erarbeitet und in einer Einwohnerversammlung die Ergebnisse präsentiert. Der Abschlussbericht liegt seit Juni 2019 vor. Wichtige Informationen dazu sind auf unserer Homepage unter Wirtschaft/Stadtentwicklung/Bürgerforum »Zell2030« zu finden (https://www.zell.de/3435454.html). Es ist eine bemerkenswerte Zukunftsgeschichte entstanden, wie es bei uns am Ende der Dekade aussehen könnte.
Der Rundofen und das Rathaus werden saniert bzw. teilweise neu errichtet sein. Diese beiden Großprojekte und viele andere wichtige Maßnahmen werden uns in den nächsten Jahren stark fordern. Eine neue (Schul-) Sporthalle dürfen wir bei allen Herausforderungen dabei keinesfalls aus den Augen verlieren.
Das Zukunftsinstitut hat das Zukunftswort des Jahres gekürt. Es lautet »Green Pressure«. Wie stehen Sie zum »grünen Druck« und welche Auswirkungen hat er auf Ihr persönliches Leben und Ihre Gemeinde?
Angesichts weltweiter Extremwetterereignisse wird mehr und mehr Menschen bewusst, dass es unseren Wohlstand auf Dauer nicht zum Nulltarif geben kann. Irgendwann kommt die Rechnung. Es ist jedenfalls den meisten klar, dass die Klimaveränderungen zu einem großen Teil durch uns Menschen selbst verursacht werden. Wenn wir erkennen, dass wir alle Teil des Problems sind und bei uns selbst etwas verändern müssen, sind wir auf dem richtigen Weg. Ein altes deutsches Sprichwort sagt: »Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung«. Dieser erste Schritt bringt aber herzlich wenig, wenn der zweite nicht folgt. Einsicht führt also nicht automatisch zum Handeln.
Weder Gleichgültigkeit noch Hysterie sind in Zeiten notwendiger Veränderungen der richtige Ratgeber. Alle sind gefordert, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Wer sich für seine Kinder und Enkelkinder eine gute Zukunft wünscht, kann im persönlichen Umfeld ganz viel dafür tun.
Nicht demonstrieren und über andere schimpfen, sondern selbst aktiv handeln. Das ist nach meiner festen Überzeugung der richtige Weg. Ich darf schon heute alle zur »5. Ortenauer Kreisputzete« am 21. März einladen. Es wird Müll eingesammelt, der achtlos in unserer Umwelt entsorgt wurde. Also, auf zur „Saturdays for future“-Aktion, die deutlich mehr Helfer verdient hat, als in den Vorjahren.
Weniger Energie und Ressourcen verbrauchen lautet die Devise. Die Menschheit verbraucht deutlich mehr Ressourcen, als die Natur in einem Jahr wiederherstellen kann. Auf Dauer kann das nicht gut gehen! Mit der Sanierung von Gebäuden sowie der Verbesserung unserer Infrastruktur leisten wir als Gemeinde einen großen Beitrag zu weniger Ressourcenverbrauch. Das ist ein wichtiges Ziel, die wir nicht aus dem Blick verlieren dürfen.
Welche Prioritäten sehen Sie in Ihrer Arbeit für das Jahr 2020?
Die Richtschnur unseres Handelns ist stets der Haushaltsplan, den wir in diesem Jahr aufgrund der Umstellung auf ein neues Haushaltsrecht und der zu vielen Wünsche wohl nicht vor April beschließen werden. Die Prioritäten liegen dieses Jahr ganz klar bei der Endabrechnung der L94-Straßensanierung mit dem Land, der Fortführung des Rundofenprojektes und beim Beginn der Rathaus-Sanierung. Gespannt bin ich auf die Grundsatzentscheidungen in Sachen Verkehrskonzept und Hochwasserschutz. Die Entscheidungsgrundlagen wurden gemeinsam erarbeitet. Jetzt bedarf es einer Portion Mut und Gestaltungswillen, die Ergebnisse mittel- und langfristig auch in die Tat umzusetzen.
Ein halbes Jahr ist seit der Kommunalwahl vergangen. Wie läuft‘s im neu formierten Gremium?
Ein neues Gremium muss sich erst einmal finden. Ganz klar. Schließlich sollen möglichst alle bei den anstehenden Beschlüssen den gleichen Sachstand haben. Es ist einerseits die Aufgabe einer Verwaltung und andererseits die Aufgabe der Fraktionen, die neuen Mitglieder über die zurückliegenden Entscheidungsprozesse zu informieren. Der neue Gemeinderat hat neben einer Klausurtagung auch so wichtige Themen wie die der Zusammenarbeit gemeinsam besprochen. Wir sind also auf einem guten Weg. Die Wunschliste bestimmte Dinge gestalten zu wollen, ist allerdings so groß wie nie. Enttäuschungen sind unerfüllte Erwartungen. Umso wichtiger ist es, keine falschen Erwartungen zu wecken, die letztlich nicht erfüllt werden können. Auch das gehört zu einer ehrlichen und verantwortungsvollen Kommunalpolitik vor Ort mit dazu.
»Rekord-Überschuss beim Bund« lautete eine Schlagzeile der vergangenen Wochen. Wie sollte das Geld sinnvollerweise eingesetzt werden?
Sicherlich nicht dafür, um hochverschuldete Gemeinden zu »entschulden«. Das sind jedenfalls konkrete Überlegungen, die der Bund erst kürzlich öffentlich gemacht hat. Vor allem stark verschuldete Großstädte in Nordrhein-Westfalen würden davon profitieren. Das wäre für jede Stadt und jede Gemeinde die ordentlich gewirtschaftet hat ein Schlag in die Magengrube. Schließlich gibt es heute schon Finanzausgleiche, die unverschuldet in Not geratene kommunale Haushalte finanziell unterstützen.
Eines fordern die Kommunen vom Bund und vom Land schon lange: Lasst uns mehr Geld und schafft dafür im Gegenzug so manchen Fördertopf ab. Wir, die Gemeinden, wissen am besten wo das Geld vor Ort fehlt und wie es sinnvoll investiert werden kann. Fördermittel sind wie eine süße Droge. Erst wird etwas vom Bund oder vom Land ins Rollen gebracht und Abhängigkeiten geschaffen, um sich dann finanziell Stück für Stück aus der Verantwortung zu ziehen. Ausfallbürge sind sodann stets die Kommunen. Das führt zu finanziellen Fehlanreizen und Fehlentwicklungen und sollte dringend verändert werden.
Als Bürgermeister ist man stark gefordert. Wie schalten Sie ab?
Das ist in der Tat nicht einfach. Die Erwartungshaltung nimmt zu und die Anforderungen werden größer. Ich habe mir vorgenommen, feste Zeiten in den Kalender einzutragen und so die Zeit für private Termine zu reservieren. An der frischen Luft und mit viel Bewegung kann ich persönlich immer noch am besten abschalten. Außerdem habe ich mir fest zum Ziel gesetzt, über manche Dinge gelassener hinwegzusehen. Ganz wichtig ist mir meine Familie. Egal was kommt, sie steht für mich an erster Stelle. Ohne diesen Rückhalt und das persönliche Rückzugsgebiet wäre vieles im Beruf nicht leistbar.