Die erste Station der mit einer Wander-Foto-Ausstellung verbundenen Vorstellung des literarischen Bildbandes »Der Himmel über der Ortenau« war und ist Zell (wir berichteten). Nun stellen wir jene drei der insgesamt 120 Autoren vor, wie sie sich am Donnerstag im Gespräch mit dem Buchverleger Peter Martens präsentierten. Auch um den Begriff »Heimat« ging es dabei.
Auf die Suche nach paradiesischen Plätzen in allen Regionen der Ortenau hat sich der Obereggener Verleger Peter Martens für sein neuestes Projekt begeben. Und in diesem Zuge auf die Suche nach kreativen Köpfen, die ihm von ihren jeweiligen Lieblingsplätzen erzählen oder selbst darüber schreiben. Ausgesprochen oder unausgesprochen immer mit dabei: der Aspekt der Ortenau als Heimat.
Möglichst prominent sollten sie sein, besagte Köpfe. Oder besonders engagiert. »Man lernt bei einem solchen Projekt auch Menschen kennen, die zwar keinen großen Namen haben«, so Peter Martens, »die aber dennoch etwas Besonderes darstellen. Weil sie etwas unheimlich Kreatives ausstrahlen. Und kreative Leute waren ja gesucht.«
Um auf jeden Fall namhafte Größen handelt es sich bei Gerd Birsner (Diersheim), Tilmann Krieg (Kehl) und Ellen Dietrich (Gengenbach). Diese drei stellten sich im
Gespräch mit Peter Martens im Storchenturmmuseum einem trotz Hitze zahlreich erschienenen Publikum vor:
80 Menschen drängten sich und schwitzten, was die Poren hergaben, erwartungsfroh und bestens gelaunt. Für letzteres sorgt gleich zu Anfang Gerd Birsner mit Gitarre und Gesang, sein selbst komponierter Song »Wenn de Babbe mit de Schlabbe in de Rappe dabbe dut« ist ebenso Kult wie sein Humor. Den hat der Musiker, Autor, Kolumnist und erster Träger des Baden-Württembergischen Kleinkunstpreises auch als Radio- und Fernsehmoderator unter Beweis gestellt. Letzteres jedoch nur, bis die Ära des Flachbildschirms begann. »Dann passte ich nicht mehr ins TV«, feixt der Über-100-Kilo-Mann, der seine rundherum energiegeladene Beleibtheit auch ansonsten gerne tiefgründig aufs Korn nimmt: »Der Vorteil ist, dass man da genügend Platz hat für innere Werte«, lässt er die bächeweise mit ihm Transpirierenden wissen.
Und informiert auch gleich, dass er mal »Ortsrumsteher« war – ein Job, der gemeinhin unter dem Titel Ortsvorsteher bekannt ist. »Das Amt habe ich sehr ernst genommen«, erklärt der kurzzeitstudierte Politologe, »mich selbst dabei aber nicht.«
Eine kabarettistische Kombination, die ihm sehr viel Freude bei der Ausübung dieser kommunalpolitischen Aufgabe einbrachte: 20 Jahre lang, im von Einheimischen »Diersch« genannten Diersheim.
Großmutter als Magnet
1989 war Gerd Birsner gewählt worden – ein Jahr, nachdem er in das Diersheimer Fachwerkhaus seiner Oma gezogen war. Bei der habe er als kleiner Bub immer sein dürfen. »Das war meine absolute Lieblingsgroßmutter«, erzählt der in Kürze 66 Jahre jung Werdende, »wenn ich 35 Großmütter gehabt hätte: sie wäre meine Lieblingsgroßmutter geblieben.«
Einer seiner Lieblingsplätze sind daher die Fachwerkhäuser im Hanauer Land. Wegen des äußeren Charmes und wegen der Stiegen in ihrem Inneren. Die seien zwar nichts für Rentner mit Hüftschaden, weil »sau-steil«, aber da ist dieses Knarren beim Treppensteigen. »Und dieses Knarren hat Geschichte«, meint Gerd Birsner, für den Diersheim Heimat ist, weil er dort sein Heim hat. »Wenn jemand ein Heim hat, dann hat er Heimat, finde ich«. Auch wenn er den Begriff »Heimat« durchaus ambivalent sieht: »Man kann ihn aufbewahren, aber auch wegschmeißen.«
Diesbezüglich noch skeptischer äußert sich Tilmann Krieg, dessen Fotowerke bei der nächsten Zeller Museumsnacht im September wieder im Museum für Zeitgenössische Kunst Villa Haiss zu sehen sein werden. Als Dichter und vor allem mit einer Vielzahl von Fotos ist er in »Der Himmel über der Ortenau« vertreten. Der Autor und international renommierte Fotokünstler lebt in Kehl und in Australien und ist auch ansonsten viel in der ganzen Welt unterwegs.
»Gefährliches Wort«
»Heimat« – auch wenn sehr in Mode gekommen – sei für ihn ein gefährliches Wort meint Tilmann Krieg mit sichtbarem Unbehagen. Ob des mitschwingenden National- respektive Lokalstolzes, der in anderen Ländern unbesorgt besungen werden könne, wegen dem man in Deutschland jedoch aufpassen müsse. »Mein Lieblingsort ist eigentlich in meinem Kopf, der ist Tag und Nacht am Arbeiten, und diese Heimat kann ich überall mit hinnehmen«, erklärt der Künstler.
Für Ellen Dietrich wiederum, die als dritte Protagonistin zur Buchvorstellung eingeladen war, »ist Heimat zunächst dort, wo mein Mann sich befindet, und an keinem anderen Platz der Welt.« 20 Jahre lang war sie Fotochefin der Wochenzeitung »Die Zeit« in Hamburg, schreibt auch selbst, Text und Bild gehören für sie zusammen wie die beiden Seiten einer Medaille.
2017 gab sie ihrem Leben eine Wende und zog mit ihrem Mann nach Gengenbach, in das vor 200 Jahren erbaute Haus ihrer Vorfahren. »Seit 1790 kommen alle mütterlichen Vorfahren meiner Familie aus Gengenbach«, so die hier nun als freiberufliche Redakteurin Tätige, die als überdies studierte Historikerin dem örtlichen Historischen Verein beigetreten ist.
»Täglich lerne ich Neues über meine neue Heimat und über die Menschen hier«, erzählt sie – immer wieder darüber staunend, wie sehr die Menschen hier für den Ort brennen, an dem sie leben. »Das hat man in einer Großstadt so nicht«, stellt Ellen Dietrich fest und beschreibt, wie sie selbst in Gengenbach allmählich Wurzeln zu treiben beginnt.
Foto-Ausstellung
Insgesamt 23 Fotografen haben für das Buchprojekt »Der Himmel über der Ortenau« ebenso exzellente wie ungewöhnliche Aufnahmen gemacht. Rund 50 davon wurden für eine Wanderausstellung großformatig auf Aludibond aufgezogen. Über 20 dieser Exponate sind in Zell noch bis zum 14. Juli im Foyer des Storchenturmmuseums zu sehen, bei freiem Eintritt zu den üblichen Öffnungszeiten des Museums.