Ein Mensch ist erst tot, wenn er vergessen wird. Mit einem Gottesdienst und der anschließenden Feierstunde am Kriegerdenkmal setzten die Vertreter der kirchlichen und politischen Gemeinde gestern ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen. »Gleichzeitig setzen wir ein Zeichen, dass Gewalt und Krieg niemals die richtige Lösung sein können«, betonte Bürgermeister Günter Pfundstein in seiner Ansprache.



Im Jahr 2017 fanden weltweit 27 Kriege und vier bewaffnete Konflikte statt, informierte Bürgermeister Pfundstein über eine Erhebung, die alljährlich von der Arbeitsgemeinschaft für Kriegsursachenforschung erstellt wird. Mindestens in jedem siebten Land der Erde herrschten Krieg bzw. bewaffnete Konflikte und das teilweise nicht weit von uns entfernt. Nicht vergessen werden dürften die Konflikte mit fremdenfeindlichem Hintergrund, Vergewaltigungen, körperliche Angriffe unter Waffengewalt. Bürgermeister Pfundstein: »Viele fragen sich angesichts solcher Nachrichten: In was für einer Welt leben wir eigentlich?«
Man müsse versuchen, aus den Konflikten die richtigen Schlüsse zu ziehen, forderte Bürgermeister Pfundstein. Die Spirale der Gewalt müsse durchbrochen werden. Denn am Ende stehe das Leid nicht nebeneinander, es schmerze genauso bei den Tätern sowie den Opfern. Keine Träne – ob Freund oder Feind – dürfe vergessen werden.
Der Volkstrauertag sei ein Tag, um nachzudenken, was man heute für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit bei uns und in der Welt tun könne. Bürgermeister Pfundstein erinnerte an das Ende des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren und an die Progom-Nacht vor 80 Jahren.
Radikale Positionen sind gefährlich
»Das dahinter verborgene menschliche Leid kann und will man sich nicht wirklich vorstellen,« stellte Bürgermeister Pfundstein fest und betonte, dass man den Volkstrauertag aus Respekt vor den Millionen Opfern brauche. Leider seien wieder sehr radikale Kräfte von links und besonders auch von rechts erstarkt. »Radikale Positionen sind gefährlich«, warnte Bürgermeister Pfundstein und rief die Teilnehmer dazu auf, der Versuchung zu widerstehen, sich für radikale Parolen zu begeistern.
Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließe, der werde blind für die Gegenwart. Man müsse erkennen, dass es Versöhnung ohne Erinnerung nicht geben könne. Unser Leben stehe im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern. Unsere Verantwortung gelte aber auch dem Frieden unter den Menschen zuhause, in der Nachbarschaft und in der ganzen Welt.
»Erinnerungskultur ist die bewusste Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft«, stellte Bürgermeister Pfundstein fest und zeigte sich sicher: »Wir in Zell am Harmersbach entscheiden mit darüber, wie das 21. Jahrhundert verlaufen wird. Wir sind zwar klein aber letztlich doch so groß.«
Innenhalten und wachsam sein
Bruder Berthold forderte in seiner Predigt die Gläubigen dazu auf, den Volkstrauertag zu nutzen, um innezuhalten, sich der Wurzeln und Ziele bewusst zu werden und um wachsam zu sein. Die Bitten gelten jenen, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen, in der Politik und im Privaten. Bruder Berthold lenkte gleichzeitig den Blick auf die christliche Botschaft, dass
am Ende der Welt nicht Chaos sondern Christi Herrlichkeit stehe. »Darauf vertraue ich, daran glaube ich«, so der Seelsorger.
Die teilnehmenden Vereine gaben dem Volkstrauertag einen würdigen Rahmen. Das »Sailing« der Stadtkapelle Zell unter der Leitung von Dirigent Stefan Polap lud zum Auftakt dazu ein, die Gedanken in die Ferne schweifen zu lassen. Der Gesangverein Frohsinn, geleitet von Dirigentin Tatjana Krause, forderte mit »Laß mir die Klage« zum stillen Gedenken auf. Am Kriegerdenkmal erinnerte Solotrompeter Robert Maier begleitet von Trommler Julius Damm eindringlich an die Opfer von Krieg und Gewalt ehe die Zeller Bürgerwehr unter dem Kommando von Oberleutnant Lothar Schober einen Ehrensalut abfeuerte. Die Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr und des DRK-Ortsvereins sowie zahlreiche Zeller Bürger nahmen ebenfalls an der Feierstunde teil. Flankiert von Kommandant Paul Gutmann und Feuerwehr-Gesamtkommandant Florian Lehmann sowie den Ulanen der Zeller Bürgerwehr legte Bürgermeister Günter Pfundstein am Kriegerdenkmal einen Kranz nieder.