Stadt und Kirche erinnerten am Volkstrauertag gemeinsam an die Opfer von Krieg und Gewalt und riefen zu Wachsamkeit, Verantwortung und Frieden auf.
Wie in jedem Jahr beteiligten sich die Formationen am Gedenken des Volkstrauertages. Abordnungen der Bürgerwehr, der Ulanen und der Bürgerfrauen sowie der Feuerwehr besetzten beim Gottesdienst die ersten Bankreihen. Dahinter nahmen Vertreter und Vertreterinnen des Stadtrats ihre Plätze ein. Die musikalische Gestaltung übernahmen die Stadtkapelle und der Gesangverein Frohsinn von der Empore aus.
Musikalische Vorträge
Eröffnet wurde der Gottesdienst mit dem gemeinsamen Kirchenlied „Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe“, das die Stadtkapelle begleitete. Auch bei anderen Gesängen wie zum Beispiel dem getragenen Heilig-Lied von Franz Schubert gab die Stadtkapelle den Ton an. Daneben gab es vom Blasorchester unter Leitung von Stefan Polap auch konzertante Einlagen. Als besonders variantenreich zeigte sich die Komposition „Sankt Cäcilia“ von Thomas Asanger. Die Heilige gilt allgemein als Schutzpatronin der Kirchenmusik und eben der Zeller Stadtkapelle, die ihr jedes Jahr zum 1. Advent das Jahreskonzert widmet.
Der Gesangverein Frohsinn brachte sich mit mehreren Liedvorträgen in die Gottesdienst-Feier ein. Darunter der Titel „Mut zur Menschlichkeit“, der auf seine Weise beim Volkstrauertag die Friedensliebe ins Spiel bringt. Aber auch das Kirchenlied „Meine Zeit steht in deinen Händen“ wurde mehrstimmig vorgetragen. Geleitet wird der Chor von Alexandra Lauer.
Pfarrer Gerner: „Auf die Werte des Evangeliums besinnen“
In seiner Predigt griff Pfarrer Bonaventura Gerner die Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, die dieser jüngst zum 9. November gehalten hat: „87 Jahre nach den Pogromen des 9. November 1938, dem Abgrund in der deutschen Geschichte, ist der Antisemitismus nicht zurück, denn er war immer da. Aber sprunghaft angestiegen ist er seit dem 7. Oktober 2023 (dem Angriff der Hamas auf Israel) auch bei uns in Deutschland. Er kommt von rechts, von links, aus der Mitte, es gibt ihn unter muslimischen Einwanderern. Juden haben Angst, sich offen zu zeigen; jüdische Eltern bringen ihre Kinder mit mulmigem Gefühl zur Schule, jüdische Studierende werden angefeindet. Ausgerechnet wir, die Nachfahren derer, die am 9. November 1938 Täter waren oder Gaffer, unfähig zur Solidarität mit den jüdischen Nachbarn. Ausgerechnet wir schaffen es nicht, diesem Antisemitismus Einhalt zu gebieten.“
Dagegen gelte es sich auf die Werte des Evangeliums zu besinnen, forderte der Prediger: „Unser ganzes Handeln soll aus dem Geist des Evangeliums heraus geschehen, das heißt wir als Getaufte sind gerufen und gesandt den Frieden zu schaffen – dort wo wir leben. Das ist unser Auftrag. Aus dieser Nummer kommt kein Christ heraus!“ Vor dieser Aufgabe dürften gerade Christen nicht resignieren. Vielmehr komme es darauf an, immer wieder die Hoffnung auf ein Gelingen des Friedens zu erneuern. Papst Franziskus habe über diese Hoffnung Folgendes geschrieben: „Für uns Christen hat die Zukunft einen Namen, und dieser Name ist Hoffnung. Zu hoffen heißt nicht in einen naiven Optimismus zu verfallen, der vor dem dramatischen Leid der Welt die Augen verschließt.“ Vielmehr komme aus der Hoffnung die Kraft das Gute anzupacken.
Gedenken am Kriegerdenkmal
Nach dem Gottesdienst begaben sich die Formationen und Blaskapelle sowie die Gottesdienstbesucher zum Kriegerdenkmal auf der Ostseite der Kirche. Hier hielt Bürgermeister-Stellvertreterin Dr. Brigitte Stunder die Gedenkrede, die hier auszugsweise wiedergegen wird: „Vor genau 100 Jahren wurde zum ersten Mal der Volkstrauertag begangen, um an die gefallenen Soldaten des 1. Weltkriegs zu erinnern. Lassen Sie uns gemeinsam gedenken: An zehn Millionen gefallene Soldaten im 1. Weltkrieg und 24 Millionen im 2. Weltkrieg. An Gruppen und Völker, die wegen ihrer abweichenden Überzeugung oder Religion getötet wurden. An Menschen, die wegen ihrer anderen Hautfarbe oder Nationalität ermordet wurden. An Menschen, die politisch verfolgt oder Opfer von Terror wurden. An Menschen, die durch Hass und Gewalt ums Leben gekommen sind, weil sie zu kraftlos waren, um sich zu wehren oder weil sie Fremde waren. An Vater und Söhne, die wegen Ruhm, Ehre und Macht der Herrschenden ihr Leben verloren. An Mütter und Kinder, die vom Bombenhagel überzogen wurden und sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Seit mehr als 2000 Jahren werden von Menschen Kriege geführt, ohne Sinn und Verstand. Vergessen wir darüber nicht, dass nicht Krieg, sondern Frieden Freiheit bedeutet. Wir wollen uns darum bemühen, Tag für Tag in Familie, Stadt, Land und auf der ganzen Welt.“
Poesie, die Mut macht
Zum Schluss ein Auszug aus einem Gedicht von Eva Rechlin:
“ Die Angst vor Streit und Hass und Krieg lässt viele oft nicht ruhn.
Doch wenn man Frieden haben will, muss man ihn selber tun.
Er fängt bei uns zuhause an, bei jedem, der ihn will.
Vom Frieden reden hilft nicht viel, auch nicht, wenn man marschiert.
Man braucht zum Frieden Liebe, natürlich auch Verstand,
Und wo es was zu heilen gibt, jede Hand.“
Der Rede vorausgegangen war ein getragenes Musikstück mit dem Titel „Gebet“ von Hans Blank. Nach der Rede intonierte die Stadtkapelle das traditionelle Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“. Zuerst wurde die Melodie als Trompetensolo von Robert Maier vorgetragen. Mit der Wiederholung durch das Blasorchester klang die Feier zum Volkstrauertag aus. Zuvor hatte die Bürgerwehr zur Ehre der Gefallenen einen Salutschuss abgegeben.





