Stefan Lehmann will als erster in Oberharmersbach Sonnenstrom von einer großen Freiflächen-Photovoltaik-Anlage gewinnen. Auf dem Grundstück, das dem Kornbauern vorschwebt, wächst in trockenen Sommern so gut wie kein Gras mehr. Aber er könnte darauf Solarmodule pflanzen, die Strom erzeugen. Dafür muss der Gemeinderat Baurecht schaffen. Doch der hat die Entscheidung in der jüngsten Gemeinderatsitzung vertagt.
Das Gremium will vor einer Entscheidung erst allgemeingültige Kriterien zum Umgang mit Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen (FF-PVA) festlegen. Es will sich über die Grenzen der Netzkapazitäten informieren und entsprechende Eckpunkte setzen, die es auf jeden vielleicht noch folgenden Antrag anwenden kann. Für Bürgermeister Weith geht es um eine Grundsatzentscheidung mit Auswirkungen auf alle ähnlich gelagerten Anträge, die da noch kommen mögen.
Angehen will der Gemeinderat das Thema zeitnah, denn die Netzverträglichkeitsprüfung des Netzbetreibers – ausgelegt auf einen Solarpark mit 750 kWp – hat Stefan Lehmann wie üblich nur befristet bekommen. Aktuell könnte das Stromnetz den maximal erzeugten Strom aufnehmen. Entscheidet der Gemeinderat erst nach der Sommerpause, muss das erneut geprüft werden. Der Landwirt müsste wieder einen Antrag stellen.
Interkommunales Gesamtkonzept geplatzt
Das Projekt ist das erste seiner Art und bereits seit letztem Jahr auf dem Tisch. Der Gemeinderat hatte die Entscheidung damals zurückgestellt mit der Begründung, man wolle erst versuchen, Genehmigungskriterien in der Verwaltungsgemeinschaft ausarbeiten. Auf einer interkommunalen Klausurtagung fassten die Vertreter vor Kurzem aber den Beschluss, die Planungshoheit bei den einzelnen Gemeinden zu belassen.
Flurstück liegt im Jauschbach
Konkret geht es um eine etwa drei Hektar große Wiese im Jauschbach, die Stefan Lehmann bisher als Grünland, immer öfter wird „Braunland“ daraus, nutzt. Starten will der Landwirt mit einer Belegung von einem Drittel und einer PV-Anlage von 750 kWp, was seiner Berechnung nach eine CO2-Reduktion von knapp 2,5 Tonnen entspräche. 750 kW sind die Grenze, bis zu der Akteure auf dem Solarstrommarkt nicht am Ausschreibungsverfahren teilnehmen müssen. Theoretisch möglich wären auf der großen Wiese im Jauschbach bis zu 2,6 MWp.
Kataster bewertet die Fläche positiv
Der Solarenergieatlas Baden-Württemberg sieht das Grundstück mit der Flurnummer 656 als wirtschaftlich geeignet an; es ist die größte hinterlegte Fläche in Oberharmersbach in diesem Kataster. „Die Fläche ist ideal in Bezug auf geringe Einsehbarkeit und wenig Tourismus“, beschreibt Stefan Lehmann weitere Vorteile des Standorts. „Sie ist ganz hinten, sie ist oben, nur wenige Häuser sehen sie überhaupt. Und beim Fahren durch Oberharmersbach merkt es keiner“.
In Sachen Naturschutz steht seiner Aussage nach dem Projekt ebenfalls nichts entgegen. Sie sei kein Biotop und kein FFH-Gebiet.
„Die Anlage wäre erweiterbar, wenn Interesse an einem Bürgersolarpark bestehen würde“, zeigte sich Lehmann gesprächsbereit. Der große Vorteil in seinen Augen: Die Erzeugung erneuerbarer Solarenergie wäre auf einen Standort komprimiert. Und auch die Gemeinde profitiere durch die anfallende Gewerbesteuer.
Darum ist Strom für Lehmann eine Alternative zu Gras
Die persönliche Motivation beschreibt der Antragsteller so: „Für uns soll es ein Standbein vom Hof sein, damit die nächste Generation noch eine Zukunft hat, wenn es mit den Lebensmitteln und dem Holz nicht weitergehen sollte.“
Auf dem Kornbauernhof spüre man den starken und schnellen Wandel des Klimas. „Im Wald rennen wir nur noch dem Schaden hinterher. Und in der Landwirtschaft zeigen die letzten fünf Jahre dramatisch, dass sich alles ändert,“ berichtete Lehmann.
Man habe von der Fläche, auf die die FF-PV-Anlage gebaut werden soll, in den letzten Jahren „fast kein Gras mehr runtergeholt.“ Stattdessen habe man sie drei Mal komplett neu einsäen müssen und auch noch den Schaden durch den Engerling gehabt. „Bei genug Niederschlag ist das ein tolles Gelände“, ordnete er ein. „Aber durch den wenigen Humus auf der Sommerseite ist es in Trockenperioden schnell vorbei mit dem Wachsen. Acht Tage bei 30 Grad brennen das Gras weg. Dann müssen wir Futter zukaufen. Wo bleibt da die Rentabilität vom Hof?“
Ohne Bebauungsplan keine Bebauung
Für eine FF-PV-Anlage braucht man entsprechendes Baurecht. Außerdem muss das Grundstück im Flächennutzungsplan als Fläche zum Erzeugen von Solarstrom angemeldet sein.
Letzteres geschah mit der letzten Aktualisierung des Flächennutzungsplans. Baurecht besteht noch keins. Dafür muss die Gemeinde das Flurstück als „Sonderbaufläche“ ausweisen. Ob die Gemeinde in die projektbezogene Bauleitplanung einsteigt, entscheidet allein der Gemeinderat. Ein Rechtsanspruch Einzelner auf Aufstellung eines Bebauungsplans bestehe nicht, erklärte Bürgermeister Weith. Üblich sei dann, dass der Vorhabenträger die Kosten für die Bauleitplanung übernehme, wenn sie allein in seinem Interesse sei.
Gleiche Wünsche gleich behandeln
Gleichzeitig ist der Wunsch nach Gleichbehandlung im Gemeinderat riesig. Wie entscheiden beim nächsten Antrag? Dafür sollen die Kriterien festgelegt werden, von denen anfangs die Rede war. Bürgermeister Weith schlug vor, dafür eine Art allgemeine Solar-Potenzialanalyse für Oberharmersbach mit Berücksichtigung der selbst gegebenen Kriterien in Angriff zu nehmen. Ein bürokratisches Ungetüm, das der Gemeinderat in der Form nicht für notwendig erachtet.
Andreas Kasper: „Jeder so, wie er es für sinnvoll hält“
Gemeinderat Andreas Kasper plädierte dafür, dass jeder sein Gelände so nutzen können sollte, wie er es für sinnvoll hält, um die Zukunftsfähigkeit eines Hofs oder einer Firma zu gestalten. „Ich bin offen“, sagte er. „Ich finde es gut.“ Weil es die erste Anlage sei, solle der Gemeinderat jedoch Richtlinien festlegen, die für alle gelten. „Landschaftsbild hin oder her: Wir brauchen Strom.“
Clarissa Lehmann: „Erneuerbaren Energien sind ein Querschnittsthema“
Clarissa Lehmann war gut vorbereitet in die Sitzung gekommen. Sie hatte vorab Kriterienkataloge gewälzt und meinte, sie würde sich unwohl fühlen mit einer Einzelfallentscheidung. Es gelte, Leitplanken zu definieren. Erneuerbare Energien seien ein Querschnittsthema, bei dem sich Oberharmersbach überlegen müsse, in welche Richtung es gehen solle.
Den kompletten Bericht finden Sie in der Print-Ausgabe der Schwarzwälder-Post.