Die geplante Zertifizierung zur »Naturpark-Schule« kann das Profil der Brandenkopf-Schule schärfen und die Bindung der jungen Generation an die Heimat stärken. Das war die einhellige Meinung des Gemeinderats, der am Montag grünes Licht für dieses Vorhaben gab.
»Wir wollen die Heimat besser kennenlernen, damit uns die Fremde nicht zur Heimat und die Heimat nicht zur Fremde wird.« Mit diesem Aphorismus begann und schloss Rainer Schätzle die Vorstellung des Konzept der Naturparkschule. Wenn alles glattläuft, könnte sich die Brandenkopf-Schule bereits ab dem Schuljahr 2020/2021 »Naturpark-Schule« auf die Fahnen schreiben. Damit das funktionieren kann, hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Montag den Grundsatzbeschluss zur Errichtung einer Naturpark-Schule gefasst und Rainer Schätzle zum externen Projektleiter gemacht. Schließlich müssen zur Beantragung von Förderung und Lizenzierung bereits vier Module vorliegen. Die zum Laufen zu bringen, zu koordinieren, die nötigen Strukturen zu schaffen, auszubauen, zu dokumentieren und bei Bedarf nachzujustieren wird Schätzles Aufgabe sein. Er wird als Schnittstelle zwischen Schule, Naturpark, lokalen Partnern und Gemeinde fungieren und im ersten Jahr 150 Stunden per Dienstvertrag für das Projekt arbeiten.
Was ist eine Naturpark-Schule?
»Die bundesweiten »Naturpark-Schulen« bringen Schülerinnen und Schülern Naturparke als vielfältige Lern- und Erfahrungsorte nahe, sensibilisieren sie für die Besonderheiten der Heimat, ermöglichen einen regionalen Bezug zu Bildungsplänen sowie die originäre Erfahrung von Natur und Kultur im Umfeld der Schule und leisten einen Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)«, ist beim Verband Deutscher Naturparke zu lesen.
»Moderne Heimatkunde« und »Bildung für nachhaltige Entwicklung« bilden demnach den besonderen Schwerpunkt, der in einer Naturpark-Schule auch im Lehrplan verankert wird – stets mit den Zielen, die regionale Identifikation, die regionale Vernetzung und die regionale Aufmerksamkeit zu fördern.
Wurzeln schlagen
»Die Kinder sollen im Ort tief verwurzelt aufwachsen, wie eine Eiche«, brachte es Schätzle am Montag mit einer pflanzlichen Metapher auf den Punkt. Sie sollen für das Einzigartige der Region begeistert werden und Grundlagen vermittelt bekommen, die sie später befähigen, ihre Zukunft im Naturpark eigenverantwortlich mitzugestalten. Wurzeln statt Fernweh also, Talente und erworbene Fähigkeiten in die Entwicklung der Heimat einbringen statt anderswo.
Dafür bleibe in Oberharmersbach allerdings weniger Zeit als in vielen anderen Gemeinden, da aktuell lediglich die Grundschulzeit für entsprechend aufgebaute Bildungseinheiten zur Verfügung steht, räumte er ein.
Nachhaltige Aktivitäten
Naturpark, Gemeinde, Schule und externe Experten sollen die sein, die die regionale Vernetzung fördern. Die Jungen sollen von den Alten lernen, damit tradiertes Wissen erhalten bleibt. Adäquate Betriebe und Experten gebe es dafür in der Gemeinde reichlich. Und schließlich soll Oberharmersbach als Zuhause mit Zukunft im Kopf der jungen Generation bleiben. »Warum die ganze Arbeit, zum Beispiel mit dem Projekt Schwarzwald Dorfurlaub, wenn der Nachwuchs am Ende doch weg bröckelt?«, fragte Schätzle in den Sitzungsraum.
Schulleiterin Svenja Gäthje war ebenfalls zur Gemeinderatssitzung gekommen und ist wie das ganze Kollegium der Brandenkopf-Schule ein Fan des Projekts. Es würden schon viele Aktivitäten in diese Richtung gemacht, durch die Verankerung der Naturparkschule könne eine größere Nachhaltigkeit erreicht werden. »Wir wollen kindgerechte Erfahrungen schaffen«, erläutert sie die Intension aus Lehrersicht. Nachhaltiges Lernen auf einer breiten Basis aus Sinneserfahrungen und Erlebnissen also, die mit Wissen um Zusammenhänge verknüpft werden.
Lernen ist mehr als Information
Geschaffen werden soll all das durch verschiedene Themenblöcke, die einen umfassenden Zugang zu lokalen Themen wie Landschaft, Land- und Forstwirtschaft, Kultur und Brauchtum oder Handwerk ermöglichen. Außerschulische Spezialisten auf den jeweiligen Gebieten sollen ihre Expertise einbringen, die Pädagogen sich um den didaktischen Rahmen kümmern. Ganz nach dem Motto »Dinge begreifen«.
Die Vernetzung der Naturpark-Schulen untereinander bietet den Bildungseinrichtungen die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und nicht zuletzt sollen Schule und Gemeinde durch das Prädikat und die Öffentlichkeitsarbeit des Naturparks profitieren.
Naturpark fördert Kosten
Ganz umsonst ist all das nicht zu haben. Pro Themenschwerpunkt rechnet man in Naturpark-Schulen mit Materialkosten von 500 Euro. Dazu kommen Honorar und Fahrtkostenersatz für die externe Projektleitung, unter Umständen finanzielle Entschädigungen für außerschulische Projektpartner und Kosten für Gruppenfahrten und Eintritte, wenn die Module mit Exkursionen verbunden sind. Alles in Allem kann die Gemeinde Oberharmersbach im ersten Jahr mit Kosten von 10.000 Euro rechnen, wovon die allermeisten Ausgaben mit 60 Prozent bezuschusst werden. Schätzungsweise 4.000 Euro müssen also durch den Gemeindehaushalt finanziert werden. Auszahlungsbehörde für die Fördergelder ist das Regierungspräsidium Freiburg im Rahmen der Naturpark-Förderung im Förderschwerpunkt »Sensibilisierung«. Dem Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord soll sehr an einer weiteren Entwicklung des Netzwerks von Naturpark-Schulen gelegen sein. Deshalb würden Förderanträge aus diesem Bereich hohe Priorität genießen, ist der Sitzungsunterlage zur Gemeinderatssitzung zu entnehmen.
Die Antragstellung muss bis Ende Oktober erfolgen, damit die Gelder im kommenden Förderjahr fließen können. Viel Arbeit also für Rainer Schätzle, denn bereits im ersten Jahr müssen gemäß der Förderstatuten vier Module durchgeführt werden. Im zweiten Jahr sind sechs gefordert, im dritten Jahr dann acht Module pro Schuljahr.
Verwurzelung als Herzenswunsch
Rainer Schätzles Engagement für die Naturparkschule kommt nicht aus dem Nichts. Er war vor etlichen Jahren bei der Initiative sehr aktiv, die eine Waldorfschule im Kinzigtal etablieren wollte. Damals hat es aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Seiner Überzeugung, dass eine Schule mehr sein soll als eine Wissensvermittlungsanstalt, war das nicht abträglich. Und so war es dann wohl Fügung, dass sich die Wege von Bürgermeister Richard Weith und Rainer Schätzle, der hauptberuflich Polizei-Hauptkommissar ist und außerdem als Schwarzwald-Guide Gäste mit den Besonderheiten der hiesigen Landschaft vertraut macht, in jüngerer Zeit gleich mehrmals in Oberharmersbach kreuzten.
Info
Mehr als 100 Naturpark-Schulen gibt es mittlerweile deutschlandweit. Die erste entstand 2008 im Naturpark Spessart, die erste im Schwarzwald 2011 in Schonach. Die Naturpark-Schule in Oberharmersbach wird nicht die erste in der Ortenau sein. Nur gut 20 Kilometer trennen sie von ihrer Naturpark-Schulen-Schwester. Die Wolftalschule in Oberwolfach hat Anfang April dieses Jahres den Kooperationsvertrag unterschrieben.
Stimmen aus dem Gemeinderat
Hubert Müller meint: »Die Naturparkschule hat eine gute Ausstrahlung und trägt dazu bei, dass wir die Schule nicht verlieren.«
Anna Rombach findet die Naturparkschule eine sehr gute Sache: »Vieles war früher Aufgabe der Eltern. Wenn ein Mensch naturnah aufgezogen wird, wird er auch bodenständig.«
Anja Jilg bedauert, dass in Oberharmersbach die Sekundarstufe II fehlt: »Dass die Hauptschule fehlt, ist ein massives Problem für Handwerker und Landwirte. Ich begrüße die Naturparkschule.«
Hubert Müller weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr sich die Kinder für Draußen begeistern können: »Ein paar Schnüre und ein Taschenmesser reichen. Die Kinder rennen und basteln und abends sind sie müde und schlafen. Ich unterstütze das Projekt, wo es geht.«