Nicht „versteckte Kamera“, sondern eine Gäste-Ehrung – das erste Mal wieder seit Corona.
„Sie also sind unsere Hauptprotagonistin“, freut sich Carsten Erhardt, als Donata Rottschalk im Café Wiwa auftaucht, verwirrt schaut die ihn an. „Ich bin der Bürgermeister“, erklärt das Ortsoberhaupt, streckt den Arm aus und ist mit wenigen Schritten bei der adretten Dame mit den leuchten roten Haaren. Die ergreift intuitiv die dargebotene Hand und blickt sich fragend um, wie suchend, vielleicht auch ein wenig misstrauisch – ganz offensichtlich weiß sie nicht, wie ihr geschieht.
Inzwischen ist auch die stellvertretende Geschäftsleiterin der Winkelwaldklinik, Stefanie Münchbach, zur Stelle. Kurz zuvor hatte sie sich auf die Suche nach der Patientin gemacht. „Sie werden doch heute für ihre langjährige Treue zu uns geehrt“, legt sie dieser die Hand auf den Oberarm, ebenso liebevoll wie beruhigend, und fragt ob des nun ungläubigen Blicks: „Wussten Sie das nicht?“
Die Antwort: ein inbrünstiges „Nein“. Dann schließlich bricht sich vergnügtes Lachen Bahn: „Jetzt haben Sie mir aber einen Schock versetzt“, wendet sich Donata Rottschalk an den Bürgermeister, „ich hab´ gedacht, ich bin bei „Versteckte Kamera!“. Entsprechend heiter ging es auch weiterhin zu, als die Runde nach dem anfänglich großen Hallo schließlich Platz genommen hatte.
„So war das nicht geplant, eigentlich hätten wir Sie informieren wollen“, gesteht Nico Lehmann, Assistent der Geschäftsleitung, mit leisem Schmunzeln. Dem Erleben Donata Rottschalks tat das kleine Missgeschick allerdings keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. „Das werd´ ich jetzt nie vergessen“, lacht die 70-jährige Theaterwissenschaftlerin, tief aus dem Bauch heraus.
Eine Oase im Grünen
Und dann beginnt sie von der Klinik zu schwärmen und von der Idylle Nordrachs, dass das klare Blaugrün ihrer Augen nur so leuchtet. „Nur hier werde ich wieder gesund, hier bin ich wie Zuhause“, erzählt die ehemalige Dramaturgin aus Wuppertal, die anlässlich ihrer ersten Krebserkrankung im Jahr 2006 das erste Mal in die Winkelwaldklinik gekommen war. Heuer ist sie zum zehnten Mal hier, direkt nach ihrer jüngsten Krebs-OP. Als ihr die neuerliche Diagnose eröffnet worden war, sei sie zur Verwunderung des Arztes erstaunlich gelassen geblieben. „Ist nicht so schlimm, dann kann ich endlich wieder in den Winkelwald“, habe sie ihm erklärt, erzählt die Patientin lachend.
Doch auch, wenn keine medizinischen Behandlungen anstanden, hat sie sich oft in der Klinik einquartiert, als privater Gast. Nicht zuletzt wegen der enormen Freundlichkeit des Personals, dessen Empathie. „Das ist das größte Kapital, das wir hier haben“, nickt die stellvertretende Geschäftsleiterin Stefanie Münchbach zustimmend. Woraufhin Donata Rottschalk betont: „Ich mache überall für die Winkelwaldklinik Werbung, sie ist für mich eine Oase, und das Essen ist auch toll.“
Überdies erde der Ort sie: „Ich bin überhaupt kein Stadtmensch, lebe aber in einer Großstadt, deshalb ist dieses Nordrach für mich unbezahlbar.“ Zwar fahre sie grundsätzlich einmal im Jahr nach Langeoog, „aber da entspanne ich mich nicht so wie hier.“ Immer, wenn sie durch das Nordrachtal fahre, durch diese traumhafte Gegend, dann denke sie: „Mein Gott, hat Gott die Welt schön gemacht“.
Dem Krebs zum Trotz
Bürgermeister Carsten Erhardt betont die gute Infrastruktur des Dorfes, inklusive der Ausstattung mit Glasfaserkabel und Fernwärme sowie neu ausgewiesener Baugebiete: „Wir sind eine starke Wirtschaftsregion, wir haben unsere Nische gefunden.“ Dennoch gebe es hier Ruhe statt Überreizung: man wohne mitten in der Natur, die wiederum von vor allem den Bauern mit viel Schweiß erhalten werde. „Für jemanden, der sich wiederfinden und gesund werden will, gibt es wenige so schöne Ort wie Nordrach.“
Wenn man Krebs habe, solle man immer Grün vor Augen habe, erzählt Donata Rottschalk. Als ihr das bei ihrer ersten Krebserkrankung empfohlen worden sei, „da habe ich die Augen zumachen können so oft ich wollte, ich habe einfach kein Grün gesehen.“ Das gelinge ihr erst seit ihren Aufenthalten in der mitten im Grünen gelegenen Winkelwaldklinik.
Das Zeug zur „Botschafterin“
Dass man sie als Botschafterin einstellen solle, schlägt der Bürgermeister mit breitem Schmunzeln vor und bedankt sich mit Gutschein und Urkunde bei dem treuen Gast: „Wir wünschen Ihnen Glück, Gesundheit und Zufriedenheit und dass Sie Ihre so außergewöhnlich positive Art behalten.“
Dem schließt sich Stefanie Münchbach in Vertretung der erkrankten Geschäftsleiterin Bettina Lehmann-Isenmann an. „Mit Ihrer positiven Art sind Sie immer eine Bereicherung, wenn Sie bei uns sind“, drückt sie Donata Rottschalk die Hand und überreicht einen Massage-Gutschein sowie einen Blumenstrauß. Die langjährigen Gäste, wie sie früher die Regel waren, gebe es in dieser Form in der Klinik nicht mehr, das sei seit Corona weggebrochen. „Wegen Ihres zehnten Aufenthalts haben wir die Tradition der Ehrung besonders treuer Gäste nun wieder ins Leben rufen wollen“, wendet sich Stefanie Münchbach an die Geehrte, die erneut mit einem herzhaften Lachen reagiert und scherzt: „Was ich so alles anzettele.“