


Auch in den letzten Tagen vor Schulbeginn gab es noch einige Veranstaltungen im Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche. In Nordrach lud jüngst der Alpenverein zum Klettern am circa 25 Meter hohen Rabenfelsen ein.
»Achtung Seil!«, ruft Nikolaus Bruder warnend von hoch oben. Viel mehr als den Schutzhelm des Jugendleiters im Nordracher Alpenverein sieht man nicht, hier unten am Fuß der senkrecht aufragenden Granitwand.
Gemeinsam mit dem 14-jährigen Timo Lehmann ist Nikolaus Bruder neben dem Rabenfelsen den steilen Waldhang hinauf zum Felskopf gestiegen, um fürs spätere Klettervorhaben das Sicherungsseil anzulegen. Dessen 30 Meter lange Hälfte wirft er nun hinab, kurz darauf folgt die zweite Hälfte, neongrün hängen die beiden Stränge am schwarzgrauen Fels.
Anleitungen sind zu hören. Dann kann der Untenstehende beobachten, wie der per Klettergurt und Karabinerhaken an einem zweiten Seil hängende Timo vorsichtig rückwärts über die Felskante steigt. »Du bist fest im Seil, es kann nichts passieren«, ermutigt Nikolaus Bruder den 14-Jährigen dazu, sich dem Abgrund anzuvertrauen, sich abzuseilen, »stoß dich mit den Füßen von der Wand ab.« Das macht der Jugendliche dann auch immer wieder – zaghaft erst, dann zunehmend versierter.
Schon längst ist er kein Anfänger mehr: In der Grundschule dereinst hatte er sich im Rahmen einer Projektwoche in einer Kletterhalle erproben können, »das hatte mir Spaß gemacht, deshalb bin ich in den Alpenverein gegangen.« Der nämlich unterhält Kletterhallen samt regelmäßigem Training – abgesehen von den Alpentouren, die Timo schon auf einen Dreitausender gebracht haben. Natürlich ist er den Giganten nicht hinauf geklettert, sondern »hoch gelaufen«. Unbedingt sportlich aber geht es auch bei solchen Gelegenheiten zu: dem Bergsteigen.
Timo ist inzwischen am Fuß der Felswand angelangt und klinkt sich aus dem für das Abseilen verwendeten Strang aus. Nikolaus Bruder folgt ihm mit Karacho, die Erfahrung macht’s. »Das Abseilen macht am meisten Spaß«, verkünden die beiden unisono, mit glücklich entspannten Gesichtern. Als befänden sie sich auf ebenem Boden, stehen sie auf einem dem gänzlich ungeübten Beobachter doch arg schmal wirkenden Grat, kehren dem brüsk abfallenden Waldhang in aller Selbstverständlichkeit den Rücken zu.
Gemsen-Gen
Der Beobachter, alles andere als schwindelfrei, setzt sich auf einen Felsbrocken, um das mulmige Gefühl in den Knien auszutricksen. Ganz abgesehen davon, dass ihm das Gemsen-Gen fehlt: Der Aufstieg zum Rabenfelsen hat ihm gehörig die Puste genommen, während die beiden jungen Sportler ohne jegliche Atemnot und überdies im Handumdrehen hinaufgekraxelt waren.
Timo befestigt inzwischen das Ende einer der beiden die Felswand herabhängenden Kletterseil-Hälften mit einer speziellen Schlinge an seinem Gurt. Denn: Jetzt geht es an den eigentlichen Sinn der Sache, ans Hinaufklettern. Nikolaus Bruder wiederum verbindet seinen eigenen Gurt mit der anderen Seilhälfte, so kann der 23-jährige Schreiner seinen Schützling im Falle eines Sturzes sichern, unter Einsatz des eigenen Körpergewichts.
Toprope-Klettern nennt man diese für Einsteiger geeignete, sehr sichere Technik. Im Unterschied zum sogenannten Vorstieg-Klettern, bei dem die Seilsicherung von unten erfolgt. Dafür sind im Fels Haken eingelassen, in die sich der Kletterer zum Zwischensichern mit Karabiner und Seil einhängt.
»Du hast heute Einzeltraining«, feixt Bruder. Denn Timo ist heuer der einzige, der am Ferienangebot der Alpenvereins-Ortsgruppe teilnimmt. »Ich glaub’, weil im Moment alle irgendwo in Urlaub sind«, lacht der Jugendtrainer unverdrossen und schlägt den Kletterführer für den Nordschwarzwald auf.
In diesem ist auch der Rabenfelsen beschrieben. Denn obwohl dieser ein vergleichsweise kleines Klettergebiet darstellt, weist er doch neun Routen in Schwierigkeitsgraden von eins bis sieben auf. Die Route Nummer fünf allerdings ist gesperrt, weil dort ein Wanderfalke brütet.
Naturschutz
Ebenfalls aus Naturschutzgründen darf am Rabenfelsen kein Magnesiumcarbonat verwendet werden – jenes Pulver, das Kletterern wie auch Turnern die Hände trocken hält. Damit die Finger auf der Suche nach einem geeigneten Halt nicht abrutschen. Generell muss der Fels, der Sicherheit zuliebe, zur Ausübung dieses Sports trocken sein.
Beste Bedingungen herrschten daher am Dienstag der letzten Woche für Timo. Bevor er sich in die Höhe wagt, studiert er die Grafik in dem Kletterführer, um sich für eine Route mit für ihn passendem Schwierigkeitsgrad zu entscheiden. Als er in der Wand dann den Überblick verliert, ist das jedoch kein Problem: Die Routen lassen sich kombinieren – per Zuruf hilft ihm Nikolaus Bruder bei der Orientierung.
»Genau das macht den Unterschied zur Kletterhalle aus«, erklärt dieser. In der Halle klettert man nach Farben. Am Felsen aber muss man sich die einzelnen Punkte für Hände und Füße selbst suchen. Wobei die Hände »nur zum Festhalten da sind.« Nach oben kommt man
ausschließlich mit der Kraft der Beine – und mit einem gehörigen Maß an Gelenkigkeit.
Alpenverein
Der Deutsche Alpenverein (DAV) ist die größte nationale Bergsteigervereinigung der Welt. Mit mehr als 1,2 Millionen Mitgliedern stellt er in Deutschland den fünftgrößten nationalen Sportfachverband. »In der Ortenau ist der DAV der größte Verein«, weiß Bruder, »Klettern ist der Sport, der im Moment am stärksten bergauf geht.«