Wenn die verschmitzten Nordracher Glashansele am letzten
Januar-Wochenende ihr »Honsel-Honsel-Ho« ertönen lassen, werden insgesamt rund 4.000 Narren mit ihnen das 44-jährige Bestehen feiern.


Wenn die Glashansele in ihrem Häs durch die Gegend ziehen, erklingt ein Klimpern und Klirren. Das stammt nicht nur von kleinen Schellen, sondern auch von Plättchen aus geschmolzenem Granulat und Flaschen im Miniaturformat, die mit Gliederkettchen auf dem Oberteil des Häs sowie am Tellerkragen angenäht sind und die bei jedem Schritt sachte aneinanderschlagen.
Ein rundes Stoffbild auf dem Rücken des weiten Lodenumhangs verweist auf die Geschichte des heutigen 2.300-Seelendorfes: Es zeigt einen Glasbläser bei der Arbeit, denn in den hinteren Gefilden des heutzutage idyllisch anmutenden Tales wurde um 1700 eine Glasfabrik betrieben.
Auf eben diese Historie konzentrierte sich die örtliche Narrenzunft, als sie anlässlich ihrer Gründung anno 1974 nach einer Narrenfigur suchte und schließlich bei dem »Gläsmännlein« landete. Dieser seit 1978 existierende »Glashansel« soll den Mann darstellen, der die Produkte der Glasfabrik als Hausierer verkaufte. Vier Schellen an dem Wurzelstock eines geschälten Stecken verkünden seine Ankunft.
Die handgeschnitzten Holzmasken wiederum entstehen direkt im Ort – in der Werkstatt von Berthold Eble, dessen Künste beileibe nicht nur die hiesige Zunft zu schätzen weiß. Der war ein verschmitzt-lustiger Gesichtsausdruck des Glashansele wichtig, »damit Kinder keine Angst vor unserer Narrenfigur haben«, berichtet eine Hästrägerin der ersten Stunde.
Lange Jahre aktiver Hästräger war auch Rolf Stiewe, bis er – durch und durch Vereinsmensch – im Jahre 2007 als stellvertretender Zunftmeister dem Vorstand beitrat, seit 2010 begleitet er das Amt des Nordracher »Ober-Honsele«. Worauf er sich angesichts der bevorstehenden Festivitäten zum 44-jährigen Narrenjubiläum am meisten freut? Der Zunftmeister überlegt kurz und lacht dann gerade heraus: »Eigentlich auf alles.«
Erst aus nah, dann aus fern
»Alles« – das fängt am heutigen Freitag mit dem Stellen beziehungsweise der Enthüllung des Narrenbaumes und einem anschließenden Festbankett für etwa 170 geladene Gäste an. Am Samstag, eine Woche später geht es mit einem abendlichen Fackelumzug weiter, zu dem rund 20 Zünfte und acht Guggemusiken mit – je nach Wetter – um die 1.000 Mitwirkenden erwartet werden.
»Die kommen eher aus der Raumschaft«, erzählt Rolf Stiewe, »das ist eine total andere Richtung als am Sonntag.« Denn an dem dann stattfindenden großen Jubiläumsumzug, für den sich in Nordrach weit mehr Narren aufhalten werden als der Ort Einwohner hat, nehmen überwiegend Verbandszünfte teil.
Letzteres war den Nordrachern wichtig, da sie Mitglied im Verband »Oberrheinische Narrenzünfte (VON)« sind, dem nach der Schwäbisch-Alemannischen Narrenzunft zweitältesten Narrenverband. Der umfasst 80 Zünfte aus den sechs Vogteien Hoch- und Nördlicher Schwarzwald, Ortenau, Mittlerer Breisgau, Dreiländereck und Hochrhein. »Bei der Vorbereitung des Narrentreffens haben wir uns die Landkarte genommen und von jeder Vogtei sechs Zünfte ausgesucht«, erklärt Rolf Stiewe, »damit man einfach mal wieder sieht, was es in unserem Verband für schöne Zünfte gibt.«
Besonders beispielsweise freut den 54-jährigen Logistikleiter die Teilnahme der Schelmenzunft Staufen (bei Freiburg), einer der Gründungszünfte des VON, »die gehen ganz selten irgendwohin, aber die kommen mit 130 Teilnehmern nach Nordrach!« Doch auch Mitglieder der Schwäbisch-Alemannischen Zunft werden unter den insgesamt 48 Umzugsgruppen mit ihren etwa 3.300 Teilnehmern zu bewundern sein.
Planungsstart schon 2016
Um das prächtige Aufgebot sicherzustellen, traf sich bereits im Oktober 2016 ein 23-köpfiges Planungsteam zu einem dreitägigen Workshop, in den man die Erfahrungen des 33-jährigen Jubiläums von 2007 einfließen ließ. In der darauffolgenden Fasentszeit nahmen Rolf Stiewe und sein Stellvertreter Stefan Haas Kontakt zu den Zünften auf, »die wir gerne in Nordrach hätten«, gaben Visitenkarten und anschließende »Safe-the-Date«-Schreiben heraus. Und sie führten unzählige persönliche Gespräche, »um mit den Zünften über unsere Fasent zu reden und wie wir das so sehen.«
Denn: Nordrach ist stolz auf seine sehr traditionelle Fasent mit unter anderem dem Fasentmontagsumzug. »Hier wirken unheimlich viele Kinder mit«, betont der örtliche Zunftmeister, »die kriegen die Fasent noch anders mit als dort, wo es keinen Ortsumzug und keinen richtigen Zunftabend mehr gibt.« Auch an der Tradition, am Schmutzigen Donnerstag in den Kindergarten zu gehen, am anschließenden Hemdglunkerumzug sowie am Kinderball halten die Nordracher mit ihren sechs Fasentgemeinschaften daher fest.
Hinzu kommt die närrische Bürgerversammlung am Fasentdienstag, »das ist wie eine närrische Gemeinderatssitzung«, so Rolf Stiewe. Lediglich den früheren Preismaskenball am Samstag habe man mangels Resonanz aufgeben müssen, bedauert er.
Die Fasent als ein Stück Freiheit
Mit umso mehr Stolz blickt er auf die Nordracher Fasenttradition, die sich dank damaliger Narrenzeitung bis 1906 nachweisen lässt. Doch auch zuvor war sie schon bekannt, wie ein der Zeller Fasentchronik entnommenes Zitat aus dem Jahre 1736 belegt. Da nämlich hatte ein gewisser Jacob Öhler, »der Saale Jagg in Nordrach«, doch tatsächlich junge Burschen über die Fasent hinweg dazu animiert, fast die ganze Nacht zu tanzen. »Na und?«, fragt man sich heutzutage. Nun – der wackere Bürger verstieß damit gegen ein Verbot der Obrigkeit. Was diese quittierte, indem sie dem lebensfrohen Querulanten eine Geldstrafe auferlegte.
Was jedoch das Festwochenende zum 44-jährigen Jubiläum der Nordracher Narrenzunft mit ihren 250 Mitgliedern betrifft, so soll alles seinen ordnungsgemäßen Gang nehmen: Bereits am letzten Wochenende des alten Jahres war alles Schriftliche fertig, so Rolf Stiewe, »betreffs Umzugsaufstellung samt Ortsplänen, Parkplätzen und allem Drum und Dran, Fahrplan für den Buspendelverkehr, Orga-Anschreiben an die am Umzug teilnehmenden Zünfte, Einladungen für den Zunftmeisterempfang.« Am ersten Wochenende des neuen Jahres gingen alle Anschreiben in die Post.
Letzte Woche Donnerstag bis Samstag dann stand das Schmücken der Dorfstraße und des Vorplatzes der Hansjakob-Halle auf dem Programm, da hieß es »Stangenstellen, Fähnle und Lichterketten aufhängen.« Um
dem »Honsel-Honsel-Ho« der Nordracher Glashansele sowie der riesigen Schar mitfeiernder Gastnarren einen würdigen Rahmen zu bieten.