»Das Leben ist verrückt« lacht Altbäuerin Renate Schmieder mit einem Kopfschütteln: Vor über 35 Jahren bereits hatte der damals in Schutterwald wohnende Roman Teufel auf ihrem Bächlehof einen Film über die Kelly Family gedreht, die – zu jener Zeit hierzulande noch unbekannt und mittellos – im abgelegenen Schottenhöfen gestrandet war. Für einen spanischen Dokumentarfilm nun interviewte eine Journalistin aus Madrid sie letzte Woche zu ihren Erinnerungen an die Kelly-Family, die Renate Schmieder 1981 drei Monate lang »bemuttert« hatte.
Garbiñe Jaurrieta schaut mit großen Augen: Nie zuvor ist die aus dem spanischen Pamplona Stammende an einem Ort wie dem 500 Jahre alten Bächlehof gewesen – hier im idyllisch-abgelegenen Schottenhöfen, hoch oben im Nordracher Hinterland. »Ich bin schon oft in der Natur gewesen«, so die 26-Jährige, die in Spanien und den USA Journalismus sowie in den Niederlanden Kulturproduktion studiert hat, »aber der Schwarzwald ist einzigartig«, schwärmt sie.
Staunen auch, als Renate Schmieder ihr mit einem herzlichen Lächeln die Tür öffnet, sie in einen urig-fantasievoll ausgeschmückten Vorraum und dann in die uralte Stube bittet. Auf dessen Zimmerdecke, die aus reich verzierten Bohlen besteht, wurden früher Nüsse zum Trocknen gelagert. Heutzutage dient der große Raum als Vesperstube, die von der Seniorin trotz ihrer 81 Jahre noch immer alleine bewirtschaftet wird.
Internationale Gäste sind hier oben keine Seltenheit. Mit einer spanischen Journalistin hatte die kontaktfreudige, ihr Leben lang aufs Lernen Bedachte, bislang zwar noch nicht zu tun – wohl aber drei Monate lang mit der Kelly-Family. 1981 hatte es die damals hierzulande noch unbekannte und mittellose Musikerfamilie nach Schottenhöfen ins Haus St. Lioba verschlagen – einem Freizeitheim für Gruppen bis 25 Personen, das noch heute von der Offenburger katholischen Pfarrei »Heilige Dreifaltigkeit« betrieben wird.
Bei der Kirche hatten die Kellys um Hilfe bei einer Unterkunftssuche gebeten, »weil ihnen ihr Doppeldeckerbus kaputtgegangen war, in dem sind sie ja durch Europa gefahren und haben darin gewohnt und geschlafen, mit zwölf Kindern«, sprudelt es aus Renate Schmieder heraus, noch während Garbiñe Jaurrieta die Videokamera aufbaut und der Bäuerin das Mikrofon ansteckt.
Mehrfach ausgezeichnet
Vier Wochen lang war die Journalistin mit ihrer Schwester Andrea (31) bereits unterwegs. Letztere eine studierte Filmmacherin, deren Werke auf nationalen und internationalen Filmfestivals mehrfach preisgekrönt wurden. »Sie macht die Filme, und ich unterstütze sie bei der Recherche«, erklärt Garbiñe Jaurrieta in perfektem Englisch. Auf die Idee zu ihrem Kelly-Projekt sind die Geschwister gekommen, »weil wir selbst schon immer Kelly-Family-Fans waren.«
Sie begannen zu recherchieren und entschieden, die Dokumentation auf die Anfänge der Kelly-Family zu fokussieren: »Alles, was später war, wissen die Leute, darüber gibt’s nichts Neues zu erzählen. Aber wie sie berühmt wurden und wie sie in der Zeit bis dahin gelebt haben, das ist das Interessante für uns. Diese menschliche Seite der Geschichte wollen wir erzählen.« Deswegen suchten die Schwestern Plätze auf, an denen die Kellys sich aufgehalten haben. Um mit Menschen zu reden, die mit den Musikern Kontakt gehabt hatten. In Paris und in Amsterdam waren die Schwestern, in Köln, Berlin und Freiburg, haben über Umwege und glückliche Zufälle das vergleichsweise winzige Nordrach und Renate Schmieder ausfindig gemacht – vor Ort mit Hilfe der Touristen-Info, die sich zudem ehrenamtlich dolmetschend zur Verfügung stellte.
Eigens nach Nordrach zurückgekehrt
Ein Treffen mit Renate Schmieder ließ sich allerdings nicht sofort arrangieren. Weil für die Spanierinnen tags darauf ein unverschiebbarer Termin in Wien anstand, ist Gabriñe Jaurrieta nochmals alleine nach Nordrach zurückgekehrt, bevor es nach einem Abstecher in die Schweiz endgültig zurück in die Heimat ging.
»In allen Interviews reden die Leute immer nur gut über die Kellys, sie waren so normal und menschlich«, fasst die junge Frau bisher Erfahrenes zusammen. Was die Bächlehof-Bäuerin nur bestätigen kann. Die hatte die anno 1981 frisch angekommene »Gesangsfamilie« im einen Kilometer entfernten St. Lioba-Haus besucht und zum Vespern eingeladen.
»Am Anfang waren sie ein bisschen skeptisch«, erinnert sich die einstige Magd, deren blitzgescheite Augen nur so funkeln. »Aber bei mir hat’s ihnen gefallen, ich hab’ sie bald jeden Tag da gehabt«, erzählt die heutige Altbäuerin, für die besonders die Mädchen wie ihre eigenen Kinder waren und die von allen Kellys binnen Kurzem »Mama Schmieder« genannt wurde. Auch erzählt sie, wie die Kelly-Mama stets auf der Ofenbank saß und mit langen Holzstricknadeln sämtliche Kleidung für ihren Nachwuchs strickte, aus Schafswolle. »Und der Kelly-Papa mit seinem Bart, der war für mich wie ein Grizzly-Bär.« Er, der kochbegabte Lehrer, der seine Kinder selbst unterrichtete, sei sehr streng mit ihnen gewesen, aber sehr lieb. Nie sei er laut geworden, »aber die Kinder haben ihm immer gefolgt.
»Wie die Orgelpfeifen standen die immer da«, schmunzelt die Altbäuerin, die oftmals miterlebt hatte, wie die Sprösslinge auf ihren Instrumenten übten – mit Ausnahme von Caroline, der Ältesten, denn: »die war nicht mit in St. Lioba«, bestätigt Renate Schmieder auf Nachfrage der spanischen Journalistin. Desgleichen kann sie dieser versichern, dass Angelo zu Nordracher Zeiten schon auf der Welt gewesen war. Denn als die Familie, die in Offenburg Straßenmusik machte, zwecks Lebensunterhalt in Unterharmersbach ein Konzert gab, »hielt Mama Kelly das Baby auf der Bühne im Arm.«
Hoffnungen
Nun, da die inzwischen längst erwachsenen Kelly-Kinder nach langer Zeit wieder gemeinsam auf Tournee sind, hofft Renate Schmieder auf ein Konzert in Unterharmersbach. Dies einzufädeln will Garbiñe Jaurrieta ihr helfen. Es zumindest zu versuchen, verspricht sie. Denn zwar ist es ihr nicht gelungen, mit allen Kelly-Sprößlingen in Kontakt zu kommen, doch immerhin mit Paul und Paddy.
»Alle Kelly-Kinder nochmal in der Schwarzwaldhalle zu haben, das wäre der Hammer«, meint Renate Schmieder mit geradezu jugendlichem Verve, ringt dann tapfer um ihre Fassung. Bleibt die Frage, ob der fertige spanische Kinofilm auch in Deutschland zu sehen sein wird. Garbiñe Jaurrieta lacht aus vollstem Herzen: »Wenn er berühmt wird, dann ja.« Einen möglichen Vorgeschmack erhält man auf der Homepage ihrer Schwester unter www.andreajaurrieta.com.
Der Bericht ist sehr interessant. …die Kellys waren in Freiburg am Münsterplatz und am alten Messeplatz.