Die Bürger-Energiegenossenschaft Biberach muss sich veränderten gesetzlichen Vorschriften anpassen, und sie ist auf der aktiven Suche nach rentablen Projekten. Das Geschäftsjahr 2024 war ein gutes.
„Weil uns die Projekte ausgehen, können wir derzeit keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen“, bedauerte Dieter Schwörer, Vorstandssprecher der Bürger-Energiegenossenschaft Biberach (BEG) gleich zu Anfang der diesjährigen Hauptversammlung. Diese fand am vergangenen Mittwochabend im Bürgersaal des Rathauses statt.
Beteiligt an Keramik-Sonnenstrom
Mit 19 Mitgliedern und einer Anteilshöhe von 42.000 Euro wurde die Genossenschaft anno 2012 gegründet. Aktuell zählt sie 69 Mitglieder – mit 699 gezeichneten Anteilen in einem Wert von 349.500 Euro.
Im Februar 2024 wurde eine Photovoltaik-(PV)-Anlage auf den Lagerhallendächern der ehemaligen Zeller Keramikfabrik in Betrieb genommen. „An dieser Anlage sind wir zu 50 Prozent und mit einer maximalen Leistung von 68,6 Kilowatt-Peak (kW/p) beteiligt“, so Dieter Schwörer. Die andere Hälfte gehört der Bürgerenergiegenossenschaft des E-Werk Mittelbaden (EWM). Der Kostenanteil der BEG Biberach belief sich auf rund 121.087 Euro, der Bruttoerlös für das Jahr 2024 auf 6.609 Euro.
Eine weitere PV-Anlage – mit 65,5 kW/p – ging im Juni 2024 auf der Lagerhalle des Bauhofs am Güterbahnhof in Betrieb. Die Kosten betrugen 66.126 Euro, das Dach überlässt die Gemeinde der BEG kostenfrei.
Keine Vergütung bei negativem Strompreis
Ein drittes für das vergangene Jahr geplantes Projekt musste jedoch schweren Herzens zurückgestellt werden, auch in Absprache mit dem EWM. Dies betrifft die Freiflächen-PV-Anlagen Bruch und Fußbach. Denn, wie Dieter Schwörer darlegte: Dem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien insbesondere nach dem Beginn des Ukrainekrieges hinken der Ausbau von Stromspeichern und der Netzausbau zur Stabilisierung des Stromnetzes eklatant hinterher.
Um den Netzbetrieb stabil zu halten, wurden die gesetzlichen Vorschriften für PV-Anlagen ab einer bestimmten Größe geändert. So gilt nun, dass Anlagen ab einer Größe von 30 kW/p jährlich steigend jene Stunden nicht vergütet werden, an denen der Strompreis an der Leipziger Strombörse negativ ist. „Somit sind eine sichere Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung unmöglich“, erläuterte der BEG-Vorstandssprecher, „es sei denn, man bleibt unter der magischen Grenze.“
Zwar sollen die nicht erstatteten Betriebsstunden an den Zeitraum der gesetzlich zugesicherten Vergütung angehängt werden. „Das bedeutet allerdings, dass dann lediglich die Vergütungen der witterungsbedingt schwächsten Monate des Jahresanfangs erfolgen.“
Hoffnung auf Wasserstoff
Überdies erläuterte Dieter Schwörer: „Bei unserer Entscheidung kam hinzu, dass durch die schwächelnde Wirtschaft unsere potenziellen Abnehmer von Strom bei einer Selbstvermarktung in schwieriges Fahrwasser geraten sind.“ Die BEG hofft nun, dass sich die Rahmenbedingungen zukünftig wieder ändern und eine wirtschaftliche und planbare Grundlage für die Freiflächen-PV-Anlagen entsteht.
Martin Wenz, frisch zum EWM-Finanzvorstand berufen, bekräftigte, dass die Zahl der Stunden mit negativem Strompreis exponentiell zunehme und die Bauentscheidung für ein PV-Projekt wie das oben genannte momentan nicht zu empfehlen sei. „Aber solche Projekte sind nicht langfristig tot“, mahnte er. Man müsse jetzt ein bis drei Jahre abwarten, ob und wie die Umwandlung und Speicherung von Strom in Wasserstoff an Fahrt aufnehme oder ob die Wasserstoffproduktion der Stromproduktion durch PV-Anlagen „immer hinterher hinkt.“
Weitere Vorhaben
Die EWM hat mit dem Bau von drei weiteren Windrädern auf der Prechtaler Schanze begonnen und geht von einer Inbetriebnahme im Jahr 2026 aus. Die BEG Biberach wird prüfen, ob sich für sie eine Beteiligung rentiert. Auch will sie die Möglichkeit prüfen, Parkplätze mit PV-Anlage-bestückter Überdachung auszustatten.
PV-Anlage auf Einsegnungshalle?
Aufgrund einer Anregung seitens Bürgermeister Jonas Breig, zugleich BEG-Aufsichtsratsvorsitzender, wird derzeit überprüft, ob sich das Installieren einer Dachflächen-PV-Anlage auf der Einsegnungshalle am Friedhof Biberach mit kompletter Stromeinspeisung ins Netz rentieren würde.
Der Stromverbrauch dort ist zu gering, als dass die Anlage per Eigenverbrauch betrieben werden könnte. Es muss also abgeklärt werden, wie viele kW/p wirtschaftlich sinnvoll installiert werden können, ohne die Grenze zu erreichen, ab welcher die Vergütung bei negativen Börsenpreisen wegfällt.
Generell betonte Jonas Breig: „Mir ist es persönlich wichtig, dass öffentliche Liegenschaften, bei denen eine Installation von PV-Anlagen wirtschaftlich sinnvoll wäre, dann auch tatsächlich bestückt werden.“ Diesbezüglich sei man auf einem guten Weg, und einige Gebäude gelte es diesbezüglich noch zu prüfen, resümierte er unter Nennung von Beispielen.
Stromspeicher benötigt
Wie erwähnt, hinkt der Zubau von Speichermöglichkeiten für Strom dem Ausbau von Wind- und Sonnenenergie eklatant hinterher. „Die volatilen erneuerbaren Energien benötigen Speicher zur Stabilisierung des Stromnetzes und dem Abfangen von Last- und Einspeisespitzen“, hob BEG-Vorstand Dieter Schwörer hervor. Sinnvolle Speicher benötigen in der Nähe der jeweiligen Anlage eine ausreichend dimensionierte Trafostation zur Ein- und Ausspeicherung, „solch eine Trafostation mit Reserven besteht bei der Kläranlage.“
Bürgermeister Jonas Breig erklärte dazu: „Wir können das Klärgas vor Ort verstromen. Früher wurde dieser Strom über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fest vergütet. Weil das aber nun geändert wurde, müssen wir aufgrund des hohen Gasaufkommens auch zu negativen Strompreisen einspeisen und das bezahlen.“ Daher mache man sich Gedanken zu Stromspeichermöglichkeiten. Zudem laufen in Bezug auf die Anlage zwei Projekte.
Wasserstoff per Elektrolyse
Vor Ort führt die Hochschule Offenburg ein Forschungsprojekt zur biologischen Mechanisierung durch, also zur Aufwertung des Klärgases zu Gas, das dann in das Gasnetz eingespeist werden kann. Zum anderen forsche der Chemiker Andreas Fath, als „schwimmender Professor“ bekannt, intensiv zum Thema der Umwandlung von Strom in Wasserstoff per Elektrolyse, „um mit dieser Elektrolyse gleichzeitig auch noch einen Reinigungseffekt zu erzielen.“
Sonne ernten
Mit dem Thema „Reinigung“ ging es weiter. Im Jahr 2021 erbaut, ist die älteste PV-Anlage, welche die BEG in Betrieb hat, jene auf dem Abwasserzweckverbandsgebäude. Diese Anlage ist aufgrund der fettigen Abwässer einer stärkeren Verschmutzung ausgesetzt als die anderen BEG-Anlagen. „Deshalb wollen wir sie durch eine Fachfirma reinigen lassen, um den bestmöglichen Ertrag an Sonne ernten zu können“, informierte Vorstandssprecher Schwörer.
„Ordentlicher“ Jahresabschluss
Aktuell habe die BEG Biberach sieben PV-Anlagen in Betrieb, fuhr er fort, „mit einer Gesamtleistung von 288,57 kW – das ist recht ordentlich für einen so kleinen Ort wie Biberach.“ Ein finanzielles Risiko gebe es dabei kaum, da sämtliche Projekte aus eigenen Mitteln und damit ohne Kreditaufnahme finanziert werden.
Entsprechend gut sah der von Steuerberater Ralph Hecht präsentierte Jahresabschluss aus. Es konnte ein Gewinn von rund 10.000 Euro erzielt werden, gegenüber 6.000 Euro im Vorjahr. Die Umsatzerlöse stiegen von 30.000 auf 44.000 Euro. Das Gesamtvermögen ist auf 395.000 Euro gestiegen, das Anlagevermögen auf 315.000 Euro, das Eigenkapital beträgt 371.000 Euro.
Das tote Kapital wurde trotz verringerter Investitionsmöglichkeiten nahezu halbiert, auf 72.000 Euro. Durchweg positive Tendenzen auch bei den Kennzahlen, bei einer Eigenkapital- und Umsatzrentabilität von 2,73 respektive 22,89 Prozent.
Dividende wird ausgeschüttet
Den Jahresabschluss genehmigte die Versammlung ebenso einstimmig, wie sie die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand vornahm, das Prüfungsergebnis des Genossenschaftsverbandes nahm sie zur Kenntnis.
Zudem beschloss sie, den Erlös der Geschäftsjahre 2023 und 2024 in Höhe von jeweils 6.342 und 10.118 Euro gemeinsam auszuschütten. Die Auszahlung erfolgt bis Ende 2025 und wird auf insgesamt sechs Prozent für beide Geschäftsjahre aus den Rücklagen aufgestockt.
Kommunale Wärmeplanung
In seiner Funktion als Bürgermeister fasste Jonas Breig Erkenntnisse aus der kommunalen Wärmeplanung zusammen. 76 Prozent der Gebäude in Biberach wurden vor der zweiten Wärmeschutzverordnung erbaut und 45 Prozent der installierten Heizungen sind älter als 20 Jahre. Daher besteht im Gebäudesektor ein Ein-sparungspotenzial von 47 Prozent.
In der Hoffnung auf Fördermittel aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) erhofft die Gemeinde sich einen Schub betreffs Modernisierung und Wohnraumentwicklung, „interessant sicherlich auch für BEG-Mitglieder.“
Car-Sharing läuft nicht
Eine weitere auch für die BEG wichtige Erkenntnis: In puncto Erzeugungsmöglichkeiten für Strom „liegt in Biberach mit 272 Prozent ein unglaubliches Potenzial durch PV-Dachflächen- und PV-Freiflächennutzung sowie Windkraft vor“, betonte Jonas Breig. Theoretisch sei es möglich, den gesamten Stromverbrauch lokal und erneuerbar „hier vor Ort zu erzeugen.“
Im Zusammenhang mit der von BEG und Gemeinde vor dem Rathaus installierten Ladesäule für E-Autos (sie ist defizitär, das Defizit trägt jedoch die Gemeinde) sprach Jonas Breig das ergänzende Carsharing-Angebot an. Auch nach nun zwei Jahren konnte die anvisierte konstante 30-prozentige Auslastung nicht erreicht werden, „über kurz oder lang müssen wir das auf den Prüfstand stellen.“