Geschichtlicher Beitrag von Dr. Dieter Petri anlässlich des Ortsjubiläums, das in diesem Jahr gefeiert werden kann.
Teil 2: Das Klostergut Stöcken


Das 950-jährige Ortsjubiläum von Unterentersbach, das in diesem Jahr gefeiert werden kann, gibt Anlass, die Geschichte des Ortes in den Blick zu nehmen und auf die eine oder andere Besonderheit aufmerksam zu machen.
Teil 2: Das Klostergut Stöcken
Im Stadtarchiv findet sich ein Lehensbrief des Gengenbacher Abtes Paulus Seeger für Joseph Spinner aus dem Jahre 1728.
Ein Lehen ist eine spezielle Pacht. Der Pächter wird Lehmann genannt, da ihm das Gut nur geliehen wird. Eine andere Bezeichnung für die Verwaltung eines hoheitlichen Gutes lautet „Mayer“, lateinisch „Mayor“ – der Vorgesetzte. Wenn die Verwaltung nach dem Tod des Pächters auf einen Sohn übergeht, spricht man von einem Erb-Lehen.
Wenn der verstorbene Lehensmann einen noch unmündigen Sohn hinterlässt, kann die Mutter das Lehen weiterführen, bis der Sohn die Volljährigkeit erreicht hat. Für die Übergangszeit muss sie jedoch für die Bewirtschaftung einen Landwirt finden, der vom Kloster als geeignet eingeschätzt wird.
Der Lehensbrief von 1728 nimmt Bezug auf den vorausgegangenen Lehensbrief von 1673, der gleichfalls auf einen Mann der Familie Spinner ausgestellt worden war.
Auf Seiten des Klosters ist in erster Linie der Abt berechtigt eine Lehensvergabe zu vereinbaren. Der vorliegende Brief weist darauf hin, dass der Vertrag bei einem Wechsel des Abtes endet bzw. mit dem Amtsnachfolger neu abzuschließen ist. Eine Neuauflage des Lehensbriefes für das Gut Stöcken erfolgte bereits 1750 durch den Abt Bernhard Maria Rischer.
Das Hofgut Stöcken umfasst Äcker, Wiesen, Wald und Buschflächen; letztere konnten als Weideland genutzt werden. Das Kloster erwartet vom Lehensmann, dass er sich nicht auf die Weidewirtschaft beschränkt, sondern sich hauptsächlich als Acker- bzw. „Pflug-Bauer“ versteht. Auf keinen Fall darf er Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden können, veröden lassen, so der Vertrag. Kleinlich mutet die Vorschrift an, dass der Mist aus der Stallung des Lehens nur auf den Nutzflächen des Hofes ausgebracht und nicht veräußert werden darf.
Zur ordentlichen Pflege des Lehens gehört eine deutlich sichtbare Grenzziehung durch Grenzsteine.
Wenn der Mayer etwa in einem Nachbarschaftsstreit Probleme hat, darf er sich gerne von der Kanzlei, der Verwaltung des Klosters, rechtlich beraten lassen.
Der jährliche Zins für das Lehen besteht darin, dass der „Lehenmann“ im Winter zwei Stück Vieh des Klosters im Stall durchfüttert. Im Sommer muss er vier Stück Vieh des Klosters füttern bzw. auf die Weide bringen. Zu welchem Zeitpunkt das Kloster diese Tiere zur Schlachtung abholt, ist diesem überlassen.
Ferner muss der Lehensherr des Stöcken-Hofes jährlich zehn Viertel „Korn“, sprich Roggen, und zehn Viertel Hafer („Haber“) liefern. (Ein Viertel umfasst acht Sester, ein Sester beinhaltet etwa 15 Liter.) Da die Maße nicht überall die gleichen sind, verlangt der Lehensbrief eine Orientierung am Maß der Stadt Gengenbach. Ein Teil des Hafers dürfte in die Klosterküche gelangt sein, der größere Teil jedoch in die Futterkrippe der Pferde. Das Getreide musste zum Speicher des Klosters in Gengenbach gebracht werden.
Schließlich umfasst der Jahres-Zins auch einen moderaten Geldbetrag von 5 ß (Schilling); 1 Schilling entspricht 6 Kreuzern; bei 5 Kreuzern beträgt die Summe 30 Kreuzer oder einen halben Gulden.
Mit der Stadt Zell ist vereinbart, dass der Mayer von Stöcken an die Stadt jährlich 2 Gulden Steuern zu bezahlen hat. Hinzu kommt eine Abgabe in Naturalien von 9 Sestern Steuer-Hafer.
Die Bauern wurden von der Kreisverwaltung zum Bau und zur Unterhaltung von Brücken, Wegen und Flussdämmen, zu sog. Frohndiensten herangezogen. Wer über ein Pferdefuhrwerk verfügte, hatte dieses bei Arbeiten einzusetzen. Bei den übrigen Bürgern begnügte man sich mit ihrer Arbeitskraft. Sie hatten Hacke und Schaufel mitzubringen.
Das Reichs-Kloster Gengenbach weist im Lehensbrief auf die Kaiserlichen Freiheiten von der Verpflichtung zum Frohndienst hin. Diese seien bereits im Lehensbrief von 1673 ausdrücklich erwähnt. Das Kloster hat aber nichts dagegen, wenn ihre Lehensmänner, wie zuletzt geschehen, freiwillig bei den öffentlichen Vorhaben mitarbeiten. Allerdings sollten solche Arbeitseinsätze nicht zur Erntezeit erfolgen.
Die Liegenschaft Stöcken umfasst Flächen beiderseits der Kinzig. Die Äcker und Fluren an der Kinzig werden immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht. Wenn es bei solchen Ereignissen zu größeren Schäden kommt, darf der Pächter nicht eigenmächtig die Abgabe mindern. Vielmehr soll er das Kloster um eine Schadensaufnahme und einen entsprechenden Nachlass der Abgabe bitten.
Wenn der Lehensnehmer stirbt, wird von der Familie verlangt, dass sie das beste Stück Vieh an das Kloster abgibt. Stirbt der Abt, der das Lehen vergeben hat, so muss der „Lehmann“ 5 Schilling Straßburger Währung an das Kloster bezahlen. Er kann daraufhin das Kloster bitten, dass der kommende Abt, den Lehensvertrag erneuert.
Im Abspann bestätigt die Kanzlei des Klosters die Ausfertigung des Briefes:
So [ge]geben, und in Gottshaus Gengenbachischer Cantzley verfertiget, den Vier und Zwanzigsten Monatstage Marty: Als Mann Zählt, nach Christ Unsers Lieben Herren, Und Seeligmachers Gnadenreicher Geburhet, Ein Tausendt, Sieben Hundert, Zwantzig, Undt Acht Jahre
Im letzten Teil des Briefes werden die Äcker und Felder aufgeführt, die zum Hofgut gehören. Das Areal vor dem Hof wird „Hofraithe“ genannt. Von den Bezeichnungen für Äcker und Wiesen mögen einige noch bekannt sein: das Grändelfeld, der Schlauch-Acker, die Schlauch-Matt, das Pfuehlfeld, die Brennmatt, der Hackwasen usw. Beim Wald und den verbuschten Flächen („Bösch“) tauchen die Bezeichnungen auf: Öpfenberg, Rayger Wald, Schlackhers Gründt usw.
Am Schluss wird das Dokument von Abt Paulus Seeger mit seinem Sigel versehen. Beim Gengenbacher Historiker Winfried Lederer ist nachzulesen, dass Vorfahren dieses Abtes 1640 von Nordrach nach Gengenbach zogen. 1709 sei Joseph Seeger, so der bürgerliche Name, in das dortige Benediktinerkloster eingezogen. Im Kloster St. Blasien habe er nicht nur studiert, sondern auch als Kunstmaler gewirkt. Nach vierjähriger Tätigkeit als Hofkaplan des Fürsten von Fürstenberg sei er nach Gengenbach zurückgekehrt und vom Konvent zum Abt gewählt worden.
Quelle
Archiv Zell a. H. , Abteilung Unterentersbach, IV.1 Hofgut Stöcken
Literatur: Winfried Lederer, Benediktinerabtei Gengenbach, Bd. 1 Äbte und Mönche, S. 69-72