Beim »Klarinettenkonzert« und der so genannten »Haffner-Sinfonie« von Wolfgang Amadeus Mozart kredenzten die Philharmonie am Forum/ Offenburg und ihr Solist Markus Raus eine Apotheose des Wohlklangs: überaus schöne Geigen- und Bläserklänge, die nobel geerdet sind. Das Orchester unter der Leitung von Rolf Schilli holte diese Musik aus dem späten 18. Jahrhundert nuanciert und mit Liebe zum Detail ins Hier und Jetzt. Eine besonders bewegende Darbietung am Sonntagmorgen im sehr gut besuchten Dorfgemeinschaftshaus war die Zugabe: »Das Gebet für die Ukraine«.


Der 1. Satz Allegro im »Konzert für Klarinette in A-Dur KV 622« ist der längste. Im behutsam ausbalancierten Zusammenklang gestaltet das Orchester die Hauptthemen, bevor die Klarinette einsetzt und ihren Part kraftvoll-dynamisch formt, aber nie forciert. Flöten und Fagott korrespondieren vortrefflich, während die Streicher kanonartig musizieren.
Mozarts Konzert sei für Solisten mit dem Können eines Markus Raus das »Zentrum des Klarinettenuniversums« hatte Cellistin Ines Pasz, die informativ und kurzweilig durch das Programm führte, ziemlich pathetisch verkündet. Durchaus zurecht: Allein die Lagenwechsel klingen bei Raus so bruchlos und organisch, dass man ihn zu den Top-Klarinettisten zählen kann. Dabei gibt es keine Extravaganzen, sondern präzises, werkdienliches Musizieren. Souverän auch das Zusammenwirken mit dem Ensemble.
Reife und Überlegenheit
Das dürfte auch Dirigent Rolf Schilli zu verdanken sein, der die Partitur fraglos bis in den letzten Winkel verinnerlicht hat. Nobel fließend und genau ist seine Zeichengebung auch beim 2. Satz Adagio – eine der »schönsten Melodien, die Mozart eingefallen ist« (Ines Pasz). In der Tat kommen das Melos und das Kantable in der Interpretation der Philharmonie wunderbar zum Tragen. Kein Wunder, dass die eingängige Melodie oft für Filmmusiken verwendet wurde (»Jenseits von Afrika«). Die Reife und Überlegenheit in Raus Klarinettenvortrag überzeugen. Feinsinnig und durchdacht gestaltet er zum Beispiel die Modulation von Dur zu Moll.
Mozarts Neigung zum Transzendalen wird im 3. Satz Allegro von seiner »Spielernatur« abgelöst: Fröhlich und tänzerisch-virtuos vernimmt man das bestens aufgestellte Orchester und die perlenden Töne der Soloklarinette bis zum fulminanten Schluss. Das hinterließ beim Publikum im Dorfgemeinschaftshaus nachhaltigen Eindruck: Nicht enden wollender begeisterter Beifall für den Solisten und das Ensemble.
Orchestrale Verführungskunst
Bei Mozarts »Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385« demonstrierte die Philharmonie – verstärkt durch einige Bläser und zwei Pauken – erneut ihre orchestrale Verführungskunst. Die »Haffner«-Sinfonie trägt ihren Namen nach dem Kaufmann und Salzburger Bürgermeister Sigmund Haffner, der für die Hochzeit seines Sohnes ein musikalisches Werk in Auftrag gab. Mozart lehnte zunächst ab, da er unter anderem am Singspiel »Die Entführung aus dem Serail« arbeitete. Leopold Mozart insistierte jedoch und schickte seinem Sohn die Noten einer Jahre zuvor entstandenen (aber nie aufgeführten) »Serenade«. Auf deren Grundlage schuf Mozart junior die viersätzige Sinfonie. Der Uraufführung in Wien anno 1783 war ein großer Erfolg beschieden.
Das Allegro müsse »feuerig« klingen, ist in einem Brief Mozarts zu lesen. Das Ensemble der Philharmonie am Forum ging mit energischem Zugriff ans Werk: Fanfarengleich und mit einem prägnanten Paukenwirbel wird das Thema präsentiert. Große Intervallsprünge, punktierte Rhythmen und Triller zeichnen den Vortrag aus. Auch im Umgang mit Tempo und Dynamik überzeugt das offenkundig bestens geschulte Ensemble unter einem Dirigenten, der genau weiß, was er will. Rolf Schillis Bewegungen sind raumgreifend, schwingend, dann wieder zurückhaltend, fast reserviert, aber stets von verbindlicher Eleganz.
Musikalität und Disziplin
Beim Andante unterstreichen die Musikerinnen und Musiker ihre Fähigkeit für eine gelungene Teamarbeit bei gleichzeitig größtmöglicher Eigenverantwortlichkeit. Die Wechsel zwischen Bläsern und Streichern gelingen farbenreich. Im Mittelteil des Satzes entsteht ein leicht melancholischer Klangteppich. Gesangliche Melodien, gleichsam im Dialog dargeboten, erreichen den Hörer unmittelbar und sind ebenso stringent wie eingängig. Musikalität und Disziplin gehen bei den Philharmonikern aus Offenburg in eins.
Partnerschaftliches und werkdienliches Musizieren prägen auch den 3. und 4. Satz (Presto), wobei die Pauken wiederum Akzente setzen. Trotz des forcierten Tempos werden die Spannungsbögen gemeinsam gestaltet und bruchlos gehalten. Dadurch entstehen ausdrucksstarke Musikmomente. Faszinierend für das Publikum im Saal, bemisst man es an dessen begeistertem Applaus und lautstarker Forderung nach einer Zugabe.
»Kraft, Glaube und Hoffnung«
Der Wunsch wurde erfüllt, wobei die euphorische Stimmung allerdings einer spürbaren Betroffenheit wich. Hatten viele Zuhörer vielleicht eine weitere Mozart-Preziose aus dem Repertoire der Philharmonie erwartet, so überraschte Ines Pasz mit der Ankündigung, man spiele Valentin Silvestrows »Gebet für die Ukraine«. Es stehe für das Streben dieses Volkes nach Freiheit und Unabhängigkeit. » Herr, schütze die Ukraine, gib uns Kraft, Glaube und Hoffnung …«, rezitierte die Cellistin und das Orchester intonierte die Melodie mit fein gerundetem Geigenklang und sensiblem Bläserton. Ergreifend!
Erst nach längerem Innehalten brandete der Beifall im Saal auf. Mozarts Musik hatte an diesem Sonntagmorgen etwas bewirkt, was sich mit den Worten des großen Dirigenten und derzeitigen Kölner Opernchefs Francois-Xavier Roth beschreiben lässt: »Musik ist auch eine Utopie des Friedens«. In diesen Tagen sicherlich vonnöten.