Barocke Kunst und Volksliedtradition bei der „Sommermusik“.
Das Spektrum des musikalischen Materials am Mittwochabend in der evangelischen Kirche war enorm – von Händels „Feuerwerksmusik“ und Bachs „Kantate“ über spanische und französische Tanzmelodien bis zum Volkslied und Bänkelsang. Die Brüder Tom (Harfe) und Rafael Daun (Dudelsack, Cister) nahmen das Publikum mit auf eine musikalische Reise quer durch Europa, wobei die beiden Instrumentalisten Barockes, Folklore und melodischen Schmelz virtuos zusammenführten. Insofern durfte das Motto des Konzertabends –„Himmel und Hölle“ – nicht allzu ernst genommen werden; war allenfalls ein augenzwinkerndes Apercu für Kenner.
Derer gab es augenscheinlich viele in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche, denn bereits der feierlich-fröhliche Auftakt „La Réjouissance“ aus der „Feuerwerksmusik“ mit wunderbar austariertem Zusammenklang von Harfe und Dudelsack wurde mit einem Riesenbeifall honoriert.
Mythisch-religiöse Zuschreibungen
Die elegant-zarten Klänge überraschten insofern, als der Dudelsack oft mit derben oder brummenden bis schrill pfeifenden Tönen assoziiert wird. Für manche Zeitgenossen sei es ein „Folterinstrument“, scherzte Rafael Daun, der im Konzert einen französischen Dudelsack – Cornemuse du centre – spielte. Ergänzend verwies Daun auf Darstellungen im Kölner Dom, die den Teufel mit einem Dudelsack zeigen.
Sanfte, engelsgleiche Töne schrieb man von je her der Harfe zu, erklärte Tom Daun. Von der mythisch-religiös besetzten Harfe Ägyptens und anderer Kulturen gab es erstaunliche Entwicklungen – bis hin zum bürgerlichen Salon des 19. Jahrhunderts, als die Harfe eindeutig mit dem Weiblichen konnotiert wurde. Noch heute spielen in den großen Orchestern meist Frauen die Konzertharfen. Tom Daun wechselte am Mittwochabend zwischen der keltischen – und der böhmischen Harfe.
Wendige Unisono-Passagen
Bei der Kantate „Wir gehen, wo der Tudelsack in unserer Schänke brummt …“ von Johann Sebastian Bach stimmte das gefühlvolle Harfen-Intro auf Rafael Dauns Gesangsdarbietung ein, die fein timbriert, teilweise auch rezitativ Bachs Lob auf den Schankwirt wiedergab. Der Dudelsack ergänzte mit eindrucksvoller Elastizität und farblicher Tönung das Spiel der Harfe.
Phantasievoll und spannungsgeladen gingen manche dieser anmutigen musikalischen Miniaturen direkt ineinander über, wobei kontemplative Momente mit temperamentvollen Passagen wechselten, lyrische Melodielinien sich von pulsierenden Rhythmen abhoben.
Traditionelle Weisen aus Spanien („Muneira“) und Frankreich („Bourrée“) sowie verschollen geglaubte und wiederentdeckte Lieder aus Sammlungen – z.B. der Küster- und Organistenfamilie Dahlhoff aus dem 18. Jahrhundert – stellten die musikalische Bandbreite der Daun-Brüder unter Beweis. Bezwingend auch, wenn Rafael Daun die 6- oder 12-saitige Cister einsetzte und das einer kleinen Renaissance-Laute ähnelnde Instrument und die Harfe wendige Unisono-Passagen zauberten. Tosender Applaus erfüllte den Kirchensaal.
Humorvoll bis melodramatisch
Feinsinnige Ironie und bizarrer Humor gehören zur Folklore wie Märchen, Sagen, Sprichwörter und Redensarten. „Ihr Grillen weicht“ heißt es da in einem an einen Bänkelsang erinnernden Lied aus dem 18. Jahrhundert. Man solle beileibe den Kopf nicht auf „Sorgensäulen“ stützen, zitierte Rafael Daun aus dem metaphernreichen Liedtext. Tom Daun begleitete den Gesang mit gezupften Akkorden oder einer prägnanten bassbetonten Melodie und streute ab und an kurze „singende“ Soli ein.
Frivole und zupackende Sprache zeichnet die „Bettlerode“ aus, die mit ihrer Melodramatik entfernt an den legendären französischen Vaganten und Lyriker Francois Villon erinnert: Der vom Siechtum gezeichnete Bettelmann humpelt auf Krücken einem rotgeschürzten Mädchen hinterher, dessen Reize ihn offenkundig sein Elend vergessen lassen und dafür zu allerlei Gedankenspielen anregen. Dudelsack und Harfe untermalen den Gesang mit einer kecken Melodie, gerade so, als wolle man den Moralaposteln dieser Welt die Zunge herausstrecken.
Umjubelter Ausklang des Konzertabends
Ob das Werk überhaupt von Bach stammt, ist umstritten, aber das Daun-Duett intonierte die anmutig schöne Melodie des „Menuett(s) in G-Dur“ mit einem innigen Jubelton, der die Hörer entzückte. Die anschließende Interpretation zweier Tänze aus der Dahlhoff-Sammlung pendelte zwischen poetischem und vitalem Duktus.
Nach einer mit anhaltendem Applaus geforderten Zugabe endete das Abschlusskonzert der diesjährigen „Sommermusik“ in der evangelischen Kirche mit weiteren Ovationen.
Pfarrer Benedikt Mangold hielt kurz Rückschau auf eine erfolgreiche „Sommermusik“-Saison 2024 und bedankte sich bei den Besuchern und den vielen Helfern, die zum Gelingen der Konzerte beigetragen hatten.
Den beiden Musikern überreichte Pfarrer Mangold weiße Rosen.