Wolfgang Nehlert am Kontrabass und Dietmar Schlager am Klavier begeisterten die Besucher in der Evangelischen Kirche. Gedichte von Klaus Huber rundeten den Konzertgenuss ab.
„Es ist wieder soweit“, freute sich Joachim Groß bei der Begrüßung der zahlreich erschienen Besucher des ersten Konzerts in der Reihe „Zeller Sommermusik“. Sein besonderes Willkommen galt den drei Akteuren des Abends: Wolfgang Nehlert am Kontrabass, Dietmar Schlager am Klavier und Klaus Huber. Letzterer hatte die Gedichte geschrieben, mit deren Vortrag Nehlert auf die einzelnen Musikstücke einstimmte.
Tonangebend war der Kontrabass, während das Klavier sich in die begleitende Rolle schickte. Um es vorweg zu nehmen: Beide Musiker harmonierten sehr aufmerksam miteinander und gelegentlich bekam das Klavier auch eine Solopassage. Nehlert spielte bis auf die letzte der drei Zugaben alle Titel auswendig, was ihm den beständigen Blickkontakt zum Pianisten erlaubte. Das Spiel aus einem Guss wurde zum Genuss.
Kirchenbass statt Kontrabass
Den Anfang machte eine Sicilienne von Gabriel Fauré. Erstaunlich, wie Nehlert dem Kontrabass, der sich im allgemeinen als tiefes Begleitinstrument einbringt, einen lieblich singenden Ton entlockte. Erklären lässt sich dies mit der geringeren Größe des Kontrabass. Das gedruckte Programm verriet, dass es sich um einen sogenannten „Kirchenbass“ handle, erbaut von Frères Schwartz 1843 in Straßburg. Die kleinere Bauart sei gewählt worden, um das Instrument leichter über die Wendeltreppe zur Empore zu bringen. Zweifel an dieser Deutung scheinen angebracht. Die feineren Töne zeigten sich auch beim folgenden Largo von Frederic Chopin.
Dass es dem Bass-Instrument an wuchtiger Resonanz nicht gebricht, wurde bei einer Rhapsodie von Johannes Brahms deutlich. Der Komponist war ein Bewunderer von Ludwig van Beethoven, hatte der Bassist im Vorfeld verraten, was den energiegeladenen Verlauf verständlich machte. Zur Einstimmung hatte Nehlert Verse aus einem Gedicht von Klaus Huber mit dem Titel „Der Kontrabass“ vorgetragen:
Mit abgrundtiefen Tönen, Klängen
Legst spielend du ein Fundament.
Doch statt da unten „rumzuhängen“,
bleibst du beweglich, wie man’s kennt.
Der klangliche Spannungsbogen von zart bis kraftvoll kam auch in der Komposition „Claire de lune“ von Claude Debussy zum Ausdruck. Mit der Fantasie Sonnambula von Giovanni Bottesini lief Wolfgang Nehlert indessen zur Hochform auf. Bravourös meisterte er die schnellen Läufe, die den ganzen Tonumfang von dunkel bis hell durchliefen. Das Thema wurde zudem in unterschiedlichen Takten vom getragenen Walzer über den zackigen Marsch bis zum heiteren Ländler variiert. Es war übrigens das einzige Stück im Konzert, das vom Komponisten eigens für den Kontrabass geschrieben wurde. Die übrigen Stücke wurde für dieses Instrument bearbeitet.
Außer der Reihe
Von den neun Stücken des Programms waren sieben der Epoche der Romantik des 19. Jahrhunderts zuzuordnen. Einen epochalen Ausreißer stellte das Ave Maria von Giulio Caccini dar, der 1551-1618 gelebt hat. Die einfache wie eingängige Melodie verbreitet eine andachtsvolle Ruhe. Wolfgang Nehlert hatte die Idee, dem Stück ein Gedicht mit dem Titel „Weltgemeinschaft“ vorauszuschicken. Darin werden die kulturellen Eigenheiten der Völker nicht zum Anlass genommen, anderen die eigene Anschauung überzustülpen oder gar aufzuzwingen, sondern schöpferisch miteinander ins Gespräch zu bringen.
Aus der romantischen Reihe tanzte auch das letzte Stück der Pop-Gruppe „Queen“. 1975 hat sie in der „Bohemian Rhapsodie“ mit einem Titel überrascht, der deutlich über das Zeitmaß der sonstigen Pop-Songs hinausragt. Besondere Reverenz wurde dem Klavier erwiesen, das sich wiederholt mit einem Stakkato zur Geltung bringt. Im Blick auf die Verarbeitung verschiedenster Einflüsse über den Tellerrand des eigenen Sounds hinaus wählte Ehlert in geistiger Verwandtschaft das Gedicht „Toleranz“. Joachim Groß hat in seinem Dankeswort die ‚Botschaft wider die Ausgrenzung‘ aufgegriffen.
Der stehende Applaus des begeisterten Publikums verlangte nach einer Zugabe. Die erste wurde nochmals dem italienischen Star-Kontrabassisten und Komponisten gewidmet. Die zweite intonierte das Lied „Still wie die Nacht“ von Karl Bohm. Mit ihm verbindet Wolfgang Nehlert seine kindliche Geborgenheit bei der Großmutter, die in ihm die Liebe zur Musik geweckt habe.
In der Anonymität der großen Stadt Frankfurt aufgewachsen, habe der kleine Wolfgang immer wieder die Großmutter im Schwarzwald erleben dürfen, die ihn mit „Milch und Honig“ versorgte. Deshalb sei das Konzert auch mit diesen Begriffen angekündigt worden. Den Schlusspunkt bildete das Kirchenlied „Näher mein Gott zu dir“, das sich eine Besucherin gewünscht hatte. Dazu Nehlert: „Ich weiß woher ich komme und wohin ich gehe.“