Mitte Mai 2022 war es endlich so weit. Nach über zwei Jahren Restaurationszeit ist in Zell der große Porzellanbrennofen der Öffentlichkeit in neuem Glanz vorgestellt worden. Seine Dornröschenzeit ist endlich vorbei. Stillgelegt worden war er genau 80 Jahre zuvor, weil man in den schweren Zeiten des 2. Weltkrieges die Brenn kohlen für andere Zwecke benötigte.
Der Porzellan-Rundofen wurde 1841 von Gottfried Ferdinand Lenz und seinem Cousin Wilhelm Schnitzler gebaut. Sie waren die Neffen des vorherigen Firmenbesitzers Jakob Ferdinand Lenz, der die Zeller Keramikfabrik durch sein unermüdliches Wirken trotz schwerster Marktprobleme vorangebracht hatte. Ferdinand Lenz stammte aus Lahr. Die Stadt stellte für ihn 1829 ein Denkmal in der Jahnstraße auf. Da auch das Vorleben von Ferdinand Lenz vor seinem Umzug nach Zell nicht ganz unbedeutend war, soll es hier beschrieben werden.
Der Inschrift auf dem Denkmalsockel entnimmt man, dass er in Missenheim geboren worden war. Und zwar am 24. Juli 1766 als Sohn des Pfarrers der Riedgemeinde Meißenheim. Seinem Vater war der Kirchneubau in Meißenheim zu verdanken, der ein Jahr vor der Geburt eingeweiht wurde. Kein Wunder also, dass sich auch der Sohn zu einem sehr innovativen Menschen entwickelte, der die Zeichen der damaligen Zeit zu wissen nutzte. In der damaligen Handwerkerstadt Lahr ging er in eine kaufmännische Lehre und gründete gleich darauf (um 1790) in der Lahrer Marktstraße 37 einen eigenen Kolonialwarenladen.
Ein ausgewiesener Gartenfreund
Das besondere an seinem damaligen Wohnsitz war, dass er auf dem Flachdach mit einigen Bäumen eine Gartenlandschaft pflanzte, wie es sie zuvor noch nie gesehen wurde. Diese Liebe für Pflanzen führte später wohl auch dazu, dass er sich in Zell eine geschmackvolle Gartenanlage anlegen ließ, die die Stadtbewohner noch heute als Stadtpark nutzen dürfen. Aber Lenz setzte noch eine Kuriosität oben obendrauf, denn er ließ über die Marktstraße eine Brücke in rund sechs Metern Höhe bauen, so dass ihn auch der Nachbar aus dem gegenüberliegenden Gebäude in seinem Garten besuchen konnte. Noch heute ist dieses außergewöhnliche Haus als Lenz‘scher Steinhaufen bekannt und mit viel Freude zeigen noch heute die Lahrer Stadtführer ein Bild vom Wohnsitz des extravaganten Kaufmannes. Heute befindet sich in diesem Gebäude, nachdem man eine weitere Etage hinzugefügt hatte, die Buchhandlung Schwab.
Ersatzkaffee macht Investition möglich
Wie könnte es aber sein, dass sich Ferdinand Lenz mit dem Verkäuferdasein nicht zufrieden gab? Im Zuge der beginnenden Lahrer Industriealisierung, wollte Lenz mit einer Firmengründung mitmischen. Der fortschrittlich denkende Christian Trampler hatte 1793 die erste Zichorienfabrik Badens in Lahr gegründet. Er stellte Ersatzkaffee aus den getrockneten Wurzeln der gemeinen Wegwarte (Zichorie) her. Als dieses billigere Produkt wegen der ausbleibenden Kaffeelieferungen, bedingt durch Napoleons Kontinentalsperre, Absatzprobleme bekam, gründete auch Ferdinand Lenz zusammen mit seinem Schwiegervater Johann Georg Schnitzler eine weitere Zichorienfabrik. Nun zu noch mehr Wohlstand gekommen, ließ sich Lenz am Südende der Stadt eine prachtvolle Villa bauen. Aufgrund der sehr guten Finanzlage der Lahrer Fabrik können sich Lenz und Schnitzler mit ihrem Teilhaber Daniel Knoderer in die Keramikfabrik von Josef Anton Burger in Zell einkaufen.
Lenz-Villa ist heute Rathaus
Pech für Lenz und Schnitzler war der Niedergang der Zichorienfabriken. Sie meldeten Konkurs an und Lenz verkaufte seine noch im Bau befindliche Villa an Schnupftabakfabrikant Carl Ludwig von Lotzbeck. Glück für die Zeller: Die Finanzierung in der Keramikfabrik war weiterhin gesichert und der erfolgsgewohnte Lenz blieb der Stadt Zell treu. Er hatte mittlerweile seinen Wohnsitz nach Zell verlegt und sich in Zell eine neue Villa bauen lassen. Das Haus ist heute als »Engelbau« bekannt und wird von der Sozialstation St. Raffael genutzt. Interessant an dieser Geschichte ist, dass das neue Lenz‘sche Herrenhaus in Zell in dem gleichen Baustil errichtet wurde, wie seine Villa in Lahr.
Und in dieser Villa Lenz befindet sich heute das Lahrer Rathaus und im vielleicht prächtigsten Salon der Familie Lenz residiert heute der Oberbürgermeister.