»Ich war schon immer ein Fan von wirklich guter Seife«, erzählt Simone Rieger-Schmider, »und früher, als ganz junge Frau, hatte ich mich schon für Naturkosmetik interessiert und Kosmetik selber gemacht.«
Vor rund 16 Jahren dann lebte beides »irgendwie wieder auf«, erzählt die gelernte Keramikmalerin. Auslöser war ein kurzer Fernsehbeitrag über eine Seifensiederin. »Das will ich auch machen, ich muss das können«, war die heute 56-Jährige sofort Feuer und Flamme, informierte sich und las, was immer sie übers Seifemachen in die Finger bekommen konnte. Sogar in dem uralten Kochbuch ihrer Oma, das Simone Rieger-Schmider hoch in Ehren hält, fand sie ein Rezept für selbstgemachte Seife.
»Und dann habe ich mir das Ganze autodidaktisch beigebracht, ich bin also keine offiziell gelernte Seifensiederin«, betont sie in ihrer leisen, bescheidenen Art. Einen Ausbildungsberuf allerdings stellt dieses Handwerk heutzutage generell nicht mehr dar: Seit es im 19. Jahrhundert mit Beginn der industriellen Seifenherstellung an Bedeutung verlor, führte es ein Nischendasein, das mit der vergangenen Jahrtausendwende jedoch eine kleine Renaissance erlebt hat. Denn seither entstehen vermehrt kleine Seifenmanufakturen. Wie die »Zeller Seifenkiste« der gebürtigen Zellerin.
»Die alten Seifensieder früher verwendeten entweder alte, unbrauchbar gewordene Fette oder aber hauptsächlich Rindertalg, das war weder für die menschliche Ernährung noch für andere Dinge gut geeignet«, erklärt sie. Auch Schweineschmalz wurde verseift, doch das war schon wieder ein kostbareres Fett, da für die Ernährung tauglich.
Meist sei die aus Fett und Lauge hergestellte Seife dann ausgesalzt, das heißt in Salzwasser gekocht worden, so Simone Rieger-Schmider. Dadurch setzten sich die Kernseifenfette vom Glycerin ab. Letzteres wurde abgelassen und anderweitig verwendet, die Kernseife hingegen weiter verarbeitet.
Genau berechnen
»Bei den modernen handgesiedeten Seifen ist das anders«, erläutert sie. Weil das Glycerin »gut zum Feuchthalten der Haut ist«, wird es in der Seife belassen. Die entsteht bei Rieger-Schmider so: Sie schmilzt festes Fett und rührt flüssiges Fett dazu. Der nun durch und durch flüssigen Mischung wird Lauge in einem bestimmten Verhältnis zugesetzt. »Man rechnet genau aus, wie viel Lauge das Fett zum Verseifen benötigt« – so, dass einerseits alle Lauge aufgebraucht wird und andererseits noch ein bestimmter Fettüberschuss für die Hautpflege enthalten ist.
»Natronlauge macht feste Seife, und Kaliumlauge macht Schmierseife«, weiß die Selfmade-Fachfrau. Aus Natronlauge und der flüssigen Fettmischung rührt sie nun eine Art Pudding in der Konsistenz von Mayonnaise. Was von Hand weit über eine halbe Stunde dauern würde, ist dank elektrischem Stabmixer innerhalb weniger Minuten erledigt. Umso wachsamer muss Simone Rieger-Schmider dabei jedoch sein, damit die Konsistenz stimmt. Ist sie zu dick, wird die Seife zu hart, »dann kriegst du sie nicht richtig gut in Form«. Und ist sie zu dünn, »wird die Seife einfach nicht so schön.«
Rezepte: Laborprüfung erforderlich
Die Masse wird nun gefärbt, beduftet und in längliche Holzkisten gegossen, deren Seitenwände fürs spätere Ausformen aufklappbar sind. Über Nacht beziehungsweise über etwa 12 Stunden hinweg findet darin die Reaktion statt, die Versalzung. Das heißt die Seife entsteht, weil die Fettmoleküle mit der Lauge abreagieren, die Fettsäuren zu Seife veresthert werden.
»Ich verwende fast ausschließlich pflanzliche Lebensmittelöle, weil sie von der Reinheit her einfach gut sind.« Denn: Sobald man Seife vertreibe oder sogar nur verschenke, greife die europäische Kosmetikverordnung, hebt Simone Rieger-Schmider hervor. Der zufolge muss sie jedes ihrer Seifenrezepte in einem Labor überprüfen lassen, damit es sich um ein auch wirklich sicheres Hautpflegemittel handelt.
Zudem ist die Seifensiederin verpflichtet, Analysenzertifikate der verwendeten Rohstoffe und Zutaten einzureichen, »die erhalte ich mit den von mir für die Seifenherstellung verwendeten Lebensmitteln, da ist alles rein, frei von unzulässigen Hilfsstoffen oder Schwermetallen oder was auch immer.« Erst, wenn ihr das Labor für ein Rezept einen Sicherheitsbericht ausgestellt hat, darf sie die entsprechende Seife in Verkehr bringen.
Sogar aus Ziegenmilch
So kommen bei ihr vor allem Kokosfett, Olivenöl, Rapsöl, Avocado- oder Sesamöl, Kakao- und Sheabutter zum Einsatz. Letztere wird von wildwachsenden Nüssen in Afrika gewonnen, Rieger-Schmieder bezieht sie von einem Fair-Trade-Händler, der insbesondere Frauenprojekte in Ghana unterstützt. Doch auch Ziegenmilchseife entsteht in ihrer Seifenküche, »da habe ich eine Kooperation mit einer Demeter-Bäuerin im Hochschwarzwald.«
Zum Beduften verwendet sie zwar am liebsten natürliche ätherische Öle, doch bei ihren Fruchtseifen wie beispielsweise »Himbeer-Apfel-Birne« kommen auch synthetische Öle zum Einsatz – von einem schottischen Hersteller, der extra für Seife geeignete Duftöle produziert.
Für Menschen mit Allergien oder Unverträglichkeiten stellt sie zudem unparfümierte Seifen her, »die riechen dann halt angenehm nach nichts«, schmunzelt sie schelmisch. Ergänzt wird die Palette durch Seifen mit Peelingeffekt. Für den sorgen Kaffeesatz oder Kreationen mit Mandelschale, Mohnsamen und speziell gemahlenem Granulat aus Olivenkernen.
Ständig Ideen
Wie Simone Rieger-Schmider auf ihre Ideen kommt? Mit tief entspanntem Gesichtsausdruck lässt sie ein nicht minder entspanntes »Haaah!« ertönen. »Das ist total kreativ«, schwärmt sie vom Seifenmachen, »ständig begegnet einem etwas, wo du denkst, das musst du mal ausprobieren.« Und so kämpft sich die seit vielen Jahren an Multipler Sklerose Erkrankte und von ihrem Mann Reinhard in jeder Hinsicht Unterstützte teils täglich von ihrer barrierefreien Wohnung hinauf in die Seifenküche unterm Dach. Eine ob der vielen Treppen mühsame Angelegenheit, die stets gut geplant sein will.
»Dann gibt’s natürlich noch das Dekorieren«, strahlt die auch als Hobby-Künstlerin Aktive – eine begnadete Porträtmalerin, die der Optik ihrer Seifen ebensolche Sorgfalt und Hingabe angedeihen lässt wie deren Herstellung. Zum Färben ihrer Kreationen verwendet sie überwiegend natürliche Stoffe, darunter Mineralien wie Ultramarin oder Gewürze wie Kurkuma, aber auch Kakao, Spirulina-Algen, Tonerde, Erdfarben oder Kräuter wie gemahlene Brennnesseln.
Ist die Seife ausgeformt, wird sie in Stücke geschnitten, teils mit selbstgefertigten Prägestempeln verziert, getrocknet und schließlich liebevoll verpackt – luftdurchlässig in Cellophan oder Papier, »Seife muss atmen.«“
Handwerk
Schon Jahrtausende vor Christus wussten die Sumerer, wie man Seife aus Fetten, Ölen und alkalischen Lösungen herstellt. Mit den Kreuzzügen gelangte diese Technik später nach Europa, wo bislang mit Holzasche oder Aschenlauge gewaschen worden war. Erste Seifensiederzünfte entstanden hierzulande im 14. Jahrhundert.