Ein ganz besonderes und seltenes Fest, die Eiserne Hochzeit, dürfen morgen am Samstag, 12. September 2020, Josefine und Medard Siebert feiern. Beide sind seit 65 Jahren in Freud und Leid verbunden und geistig noch fit und munter.
Medard Siebert stammt aus Bohlsbach und seine Frau Josefine aus Ebersweier, wo sie 61 Jahre in der Wiesenstraße 8 wohnten, bevor sie im betreuten Wohnen im Zeller St. Gallus-Seniorenzentrum ein neues Zuhause fanden. Zell am Harmersbach kannte Medard Siebert aus Kriegstagen. Hier musste seine Schwester in den Prototypwerken (damals am Zeller Sportplatz) für die deutsche Wehrmacht Zünder montieren. Wenn ihr Bruder sie besuchte, lud sie ihn zum Essen im nahen Zeller Gasthof »Kleebad« ein. Für ihn war das ein Festtag.
Bestimmt fühlt sich auch deswegen das »eiserne« Ehepaar wohl und bestens umsorgt und betreut. Beide schauen auf ein fast biblisches Alter zurück. Medard Siebert ist 88 und seine Frau 84. Als vor einem Jahr bei Josefine Siebert aus Altersgründen die Beine versagten, kam sie in die Pflegestation. Seither muss sie den Rollstuhl zu Hilfe nehmen. Aber ihr Mann kümmert sich rührend um sie. Jeden Tag holt er seine Josefine in die gemeinsame Wohnung und sie verbringen zusammen den Tag. Bei schönem Wetter geht es in den Park, um die gute Luft und die Sonne zu genießen.
Kennenlernen beim Schlittenfahren
Ihr Leben ist ein interessantes Stück Zeitgeschichte. 1937 kam Medard Siebert in die Schule, seine Frau 1942. Immer wieder heulten die Sirenen, weil ein Bombenangriff bevorstand und dann war die Schule wieder geschlossen. Die Jubilare lernten sich beim Schlittenfahren auf einem bei Jung und Alt beliebten Hang zwischen Ebersweier und Bohlsbach kennen. Josefine lud den netten, jungen Burschen einfach zum Mitfahren ein und damit begann die 65-jährige Liebesgeschichte und zwar ganz intensiv, weil der Arbeitskollege von Medard Siebert mit der Schwester von Josefine eng verbandelt war und alle vier sich in jeder freien Minute trafen.
Erst Arbeit, dann Heiratsantrag
Aber es gab in jener Zeit noch ein anderes wichtiges Thema: Krieg und Kriegsende, Arbeit suchen und finden. Seine Freundin Josefine half in Ebersweier den Eltern in der Landwirtschaft und Medard Siebert fand seine Arbeit in einer Schuhfabrik, bis die nach zwei Jahren in Konkurs ging und schloss. Medard Siebert hatte wieder Glück. Der Güterverkehr kam wieder in Schwung und die Bahnmeisterei in Offenburg suchte Arbeitskräfte. 200 bis 300 waren auf das Bahngelände gekommen und hofften auf Arbeit. Siebert wurde genommen und arbeitete auf der Umladestelle als Bahnarbeiter. Er war tüchtig. Nach kurzer Zeit wurde er zum Rottenführer befördert und war dafür zuständig, dass Stückgüter von seinen Leuten schnell und richtig versandt wurden.
Die Beförderung hatte auch Auswirkungen auf den Lohn, der nun so deutlich gestiegen war, dass Medard Siebert den Heiratsantrag wagen konnte. Josefine war gerührt und sagte ja. Ganz allein, ohne Freunde oder Verwandte, gaben sie einander in der Klosterkirche Beuron das Jawort. Dann ging es auf die Hochzeitsreise: Als Bahn-Rottenführer per Bahn-Freischein für beide mit dem Zug nach Konstanz und von dort per Schiff nach Lindau.
Dort sahen sie in einem Metzgerladen das Schild »Zimmer zu vermieten«, wahrscheinlich um etwas dazu zu verdienen. Sie fragten höflich und bekamen für eine Woche das schöne Zimmer. Dafür zog das Metzgerehepaar aus seinem Schlafzimmer aus und für eine Woche in eine leere Mansarde auf dem Speicher. Wieder zuhause zogen sie bei den Eltern von der Braut Josefine ein. Sie waren glücklich und liebten sich.
Drei Kinder, sieben Enkel und acht Urenkel werden morgen gratulieren, wegen Corona leider nur per Telefon. Wenn die endlich wieder verschwindet, wird die eiserne Hochzeit gefeiert. Die Wünsche des Jubelpaares zum Festtag: »Dass wir noch lange beisammen bleiben dürfen, gerne mit einem Neuner an Stelle des Achter oder sogar mit einer dreistelligen Zahl einer ›1‹ vorne und mit zwei Nullen.«