Die Einrichtung der Windparks Hohenlochen verläuft nach einem ehrgeizigen Zeitplan. Vier Betontürme sind fertiggestellt, doch der Transport der Rotorblätter scheint nicht voranzukommen.
Die selbstfahrende Transportplattform sollte in der vorletzten Augustwoche in Zell eintreffen. Am Montag war es dann soweit und am Folgetag um vier Uhr morgens sollte das Manöver beginnen. Stand gestern waren im provisorischen Schwerlastdepot Zell unter anderem sechs Rotorblätter und ein unbeladener Selbstfahrer zu sehen. In einer offiziellen Erklärung des Energieversorgers Badenova ist von einer Normabweichung beim Rotorflansch die Rede.
Windstrom willkommen
Beim Thema Stromgewinnung aus Windkraft blickt man in der Brandenkopfregion auf 23 Jahre Erfahrung zurück. Aktuell machen zwei Windräder mit einer Gesamtnennleistung von 1,6 MW auf dem Hausberg zuverlässig ihren Job. Die Inbetriebnahme des zuletzt errichteten »Bürgerwindrads« vom Typ Enercon 58 geht auf das Jahr 2002 zurück. Nabenhöhe von 70 Meter plus Rotordurchmesser von 58 Meter, zusammen macht das eine Nennleistung von 1 Megawatt (MW). Die wirtschaftliche Nutzungsdauer liegt bei 20 Jahren. Das war Stand der Technik. Was vor zwanzig Jahren noch kontrovers diskutiert wurde, findet heute in der Öffentlichkeit breite Zustimmung. Um zur regionalen Energiewende einen angemessenen Beitrag zu leisten, investiert der Energieversorger Badenova aktuell in einen Windpark auf dem Hohenlochen. Auf die Gemarkungen von Oberwolfach und Hausach entstehen vier Anlagen mit einer Nennleistung von je 4,2 MW. Der geplante Stromertrag des Ensembles liegt bei 34 Millionen Kilowattstunden jährlich. Noch vor Jahresende soll vom Hohenlochen grüner Strom fließen.
Die Entwicklung der Windenergietechnik ist nicht aufzuhalten. Der Leistungszuwachs der Anlagen geht mit einer Steigerung der Abmessungen einher. Bei einer Nabenhöhe von 160 Meter und einer Rotorblattlänge von 68 Meter gehört das aktuelle Modell E 138 zu den größten Serienwindrädern auf dem Festland. Die Kraftübertragung zum Generator erfolgt heute getriebelos. Für den Betreiber bedeutet das geringere Wartungskosten durch Verzicht auf Verschleißteile und den Wegfall von Getriebeölwechsel. Die voraussichtliche Nutzungsdauer liegt bei 25 Jahren. Windanlagen werden im Regelfall nicht zurückgebaut. Durch Repowering versetzt man die Technik auf den aktuellen Stand. Der Turm wird übernommen.
Logistik im Wandel
Die 150 Meter hohen Hybridtürme sind aus Betonfertigteilen und Stahlrohrelementen konstruiert. Die Arbeiten an der Betonröhre sind auf einer Höhe von 90 Meter abgeschlossen. Die Montage von Stahlrohrkonstruktion, Generatorgondel und Rotorblätter wird noch Monate
in Anspruch nehmen. War die Logistik anno 2002 schon grenzwertig, steht man heute vor ganz anderen Dimensionen. Derweil sind die ersten der 30 Meter langen Stahlrohrelemente bereits auf dem Baufeld eingetroffen. Von den Abmessungen her war das keine besondere Herausforderung. Für Langholztransporte gehören Längen von 27 Meter zum Alltag. Problematisch ist die Kraftübertragung. Schwächster Punkt dabei ist Reibfläche zwischen Reifen und Asphalt. Die Kollegen von der Langholzfraktion fahren leer bergauf. Der aufgeprotzte Nachläufer belastet die Antriebsachsen. Im Ergebnis heißt das weniger Schlupf (Reibungsverlust). Müssen Schwertransporte im Bereich der Spitzkehren die Geschwindigkeit auf Schritttempo drosseln, haben sie ein Problem damit am Kurvenausgang angesichts Steigungen von bis zu 12 Prozent wieder Geschwindigkeit aufzunehmen. Das ist keine Frage der Leistung, sondern der Reibung. Schließlich bleibt eine Menge Gummi auf der Piste. Der Transport des »Bürgerwindrads« wurde seinerzeit von einem Radlader begleitet, welcher an kritischen Stellen als Schieber eingesetzt wurde.
Dass die konventionelle Technik hier an Grenzen stößt, ist unübersehbar. Deutlich wurde das vor einem Jahr beim Absturz eines Schwertransports auf dem Weg zu einer Windradbaustelle im Wald zwischen Wolfach und Hornberg. Zwei Schwerverletzte und ein Sachschaden im sechsstelligen Eurobereich waren zu beklagen.
Selbstfahrer soll es richten
Der Transport von Rotorblättern mit einer Länge von 68 Meter übersteigt das Vorstellungsvermögen eines Laien. Bei Vierzigtonnenzügen ist bei 18 Meter das Ende der Fahnenstange erreicht. Der Einsatz konventioneller Schwertransporttechnik mit Überlänge wäre mit aufwändigen Eingriffen in die Natur verbunden. Kurvenradien müssten vergrößert werden. Rodungen und die Herstellung eines tragfähigen Unterbaus wären notwendig. Für solche Aufgaben gibt es sogenannte Selbstfahrer, in der Fachwelt SPMT (Self-Propelled Modular Transporter) genannt. Dabei handelt es sich um Tiefladeplattformen mit eigenem Antrieb, jedoch ohne Fahrerhaus. Die Basisversion beginnt mit zwei Achsen und kann mit Modulen beliebig verlängert werden. Dieselantrieb, Luftdruckanlage und Hydraulik sind im »Powerpack« untergebracht. Solche Transporteinheiten werden von Fußgängern drahtlos gesteuert. Der Weg zum Hohenlochen führt über Zell oder Fischerbach. Langstreckentaugliche Konvois liefern die Teile in provisorische Zwischenlager. Dort werden sie auf Selbstfahrer umgeladen, wobei Rotorblätter und die 30 m langen Röhrenkonstruktionen über Zell laufen. Der zum Einsatz kommende SPMT steht auf zehn Achslinien. Das Leergewicht des Fahrzeugs wird mit 96 Tonnen angegeben. In der Länge misst der Transporter 18, in der Breite 3 Meter. Beim Transport werden die 20 Tonnen schweren Rotorblätter 50 Meter über die Vorderkante des Transporters hinausragen. Das macht den Tieflader frontlastig. Diese ungleichmässige Gewichtsverteilung wird durch dynamische Achslastverschiebungen beim Bremsen und im Kurvenbereich noch verschärft. Um dieses Phänomen zu kompensieren werden Ballastgewichte angebracht. Ballastgewichte zusammen mit dem Flügeladapter haben maßgeblichen Einfluss auf das Leergewicht. Der Flügeladapter ist hydraulisch in der Neigung verstellbar und erlaubt ein Aufrichten der Last bis 70 Grad, wodurch die Transporteinheit kürzer und höher wird. Im Vorfeld des Transports musste das Durchfahrtsprofil im Bereich der bewaldeten Streckenabschnitte freigeschnitten werden. Es kam kein Baum zu Fall.
Die 60 Tonnen schweren Stahlrohrelemente können gleichmäßig auf dem Selbstfahrer verstaut werden. Durch den Verzicht auf Ballastgewichte und Flügeladapter liegt das Leergewicht des Fahrzeugs bei 38 Tonnen. In der zehnachsigen Variante liegt das zulässige Gesamtgewicht im Geltungsbereich der StVO bei 120 Tonnen. Bei Einsätzen auf nichtöffentlichem Terrain ist der Transporter mit bis zu 360 Tonnen unterwegs. Jede der zehn Achslinien besteht aus zwei Pendelachsen mit je vier Rädern. Zwei Achslinien sind hydraulisch angetrieben und werden zusätzlich hydraulisch gebremst. Über eine hydraulische Federung wird das Gewicht gleichmässig auf alle Achsen verteilt. Zur Traktionsverbesserung kann die Last der beiden Antriebsachsen hydraulisch erhöht werden. Alle zehn Achslinien sind gelenkt. Ein maximaler Lenkeinschlag von 60 Grad verleiht dem Fahrzeug eine enorme Beweglichkeit. Ein wassergekühlter Deutz Diesel mit 204 PS in Verbindung mit einer zweistufigen Übersetzung bringt das Fahrzeug auf eine Höchstgeschwindigkeit von 16 km/h. Nach der Entladung auf der Baustelle wird der Selbstfahrer an eine Zugmaschine angehängt und mit gelifteten Antriebsachsen zum Depot zurück gebracht. In diesem Fall sind auch höhere Geschwindigkeiten drin. Mit einem Gesamtzuggewicht von mehr als 100 Tonnen wird das Gespann kaum 30 km/h überschreiten.
Genehmigung
Der Selbstfahrer gehört zum Pool der Firma Steil Kranarbeiten GmbH & Co. KG mit Sitz in Trier. Beim Projekt Hohenlochen kümmert sich Steil um Transport, Krandienst und Koordination. Ein externes Büro unternimmt die Streckenerkundung im Vorfeld der Transportgenehmigung. Genehmigungsbehörde ist das Landratsamt Ortenaukreis. Der Transport ist an Auflagen gebunden. Bei Windgeschwindigkeiten über 9 Meter pro Sekunde darf nicht gefahren werden. Gleiches gilt bei Gewitter. Begründet wird das mit der Gefahr von Windböen und Blitzeinschlag. Die Selbstfahrertechnik kann die Rotorblätter bis zu einem Windel von 70 Grad anheben. Wegen der Kippgefahr im Kurvenbereich ist bei 45 Grad Schluß. Zwei Chauffeure werden die Selbstfahrereinheit zu Fuß begleiten. Einer davon ist für die Fahrzeugführung zuständig, ein zweiter hat die Ladung im Visier und steuert die Rotorblattneigung. Bei einer durchschnittlichen Marschgeschwindigkeit von 7 km/h sind die 17,2 km von Zell zur Baustelle von einem Steuerduo locker zu bewältigen.