Der Zeller Gemeinderat hat in seiner öffentlichen Sitzung am Montag einstimmig den Haushaltsplan für das Jahr 2020 verabschiedet. Damit ist vor allem die Handlungsfähigkeit der Stadt Zell gewährleistet. Die Daten des Zahlenwerks stammen aus der Zeit vor der Corona-Krise und es ist aktuell nicht abzusehen, wie sie sich tatsächlich entwickeln. Bei den Einnahmen rechnet die Stadt Zell im schlechtesten Fall mit Verlusten von sechs bis acht Millionen Euro. Um dennoch die Verpflichtungen erfüllen zu können, wurde die ursprünglich geplante Kreditaufnahme von einer Million Euro auf nun vier Millionen Euro erhöht.
»Es ist ein historischer Haushaltsbeschluss in schwierigen Zeiten«, überschrieb Bürgermeister Günter Pfundstein die Haushaltsplanberatungen. Historisch deshalb, weil die Stadt Zell das alte kamerale Haushaltsrecht durch die sogenannte »Doppik«, die kaufmännische Buchführung der öffentlichen Haushalte abgelöst habe. Die Vorarbeiten dazu nannte Pfundstein »eine Mammutaufgabe« und sprach dafür »ein dickes Lob« an Rechnungsamtsleiter Klaus Kammerer aus, der jedoch krankheitsbedingt an der Sitzung am Montag nicht teilnehmen konnte. Wesentlich an der Umstellung beteiligt waren außerdem Thomas Seeger und Birgit Maier, die Doppik in mehreren Monaten vorbereitet haben.
Stadt muss Abschreibungen erwirtschaften
Bisher wurden im Gemeindehaushalt die Ausgaben in sogenannten Einzelplänen verbucht. »Künftig stehen Produkte im Vordergrund«, skizzierte Bürgermeister Pfundstein wesentliche Unterschiede vom alten zum neuen Haushaltsrecht. Es erfolge ein buchmäßiger Ausweis des Inventars sowie eine Bilanzierung und Bewertung von Vermögen und Schulden. Künftig müssen Abschreibungen erwirtschaftet werden. Damit soll mehr Generationengerechtigkeit hergestellt werden. »Dies wird in Zukunft tendenziell die finanziellen Handlungsspielräume einschränken«, stellte Bürgermeister Pfundstein fest. Er befürchtete, dass sich dadurch Leistungen verteuern. Auch die geplante Steuerpflicht für öffentliche Dienstleistungen werde dazu beitragen. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise soll die Einführung der Steuerpflicht aber um zwei Jahre auf 2023 verschoben werden.
Finanzausschuss tagte acht Mal
Ein »ebenso dickes Lob« sprach Bürgermeister Pfundstein den Vertretern im Finanzausschuss und damit allen Fraktionen aus. Nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr sei es wichtig…
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Fraktionssprecher nahmen Stellung
Ludwig Schütze: »Unter normalen Bedingungen wäre es ein sehr solider Haushalt«
Im Rahmen der Beratungen nahmen die vier Fraktionssprecher Stellung zum Haushaltsplan 2020. Alle gemeinsam lobten die gute Arbeit der Verwaltung und wünschten Rechnungsamtsleiter Klaus Kammerer gute Besserung.
Max Bergsträsser, Freie Wähler
Er wertete die Gemeinderatssitzung nach der Corona-Unterbrechung als einen Schritt hin zur Normalität. Bereits im Zuge der Beratungen habe die Fraktion der Freien Wähler gefordert, dass sich die Stadt eine Atempause verordnen und sich auf das Wesentliche beschränken solle. Bis vor wenigen Wochen sei der Haushalt richtig und ambitioniert gewesen. Jetzt werde zumindest die Handlungsfähigkeit der Stadt Zell sichergestellt. Die nächsten Monate und Jahre müssten zeigen, welche Maßnahmen sich die Stadt leisten könne. Insgesamt sah Max Bergsträsser Zell auf einem guten Weg. Wichtig sei den Freien Wählern nach wie vor die Positionen „Verkehrskonzept“ und „Seniorenrat“.
Hannes Grafmüller, CDU
Es sei gut, dass die Stadt in dieser schwierigen Situation handlungsfähig bleibe. Viele Themen seien ausgearbeitet, bei deren Abwicklung man Prioritäten setzen müsse. Zunächst gelte es vorsichtig und umsichtig zu wirtschaften. Die Folgen der Krise könne man noch nicht abschätzen. Vor allem der Einbruch bei den Gewerbesteuern dürfte immens sein. Grafmüller forderte dazu auf, dass die Kommune die Gewerbebetriebe unterstützen solle. Denkbar seien Gewerbesteuerstundungen. Die Kindergartengebühren sollten an die Bewohner zurückgegeben werden. Insgesamt sieht Hannes Grafmüller Deutschland gut aufgestellt, um die Corona-Krise zu bewältigen.
Martin Teufel, Grüne Liste
„Die Grüne Liste wird den Haushalt 2020 mittragen“, betonte Martin Teufel. Da sich die Bedingungen für das Zahlenwerk seit dem 19. Februar gravierend geändert haben, stellte er für die Beschlussvorlage den Antrag, dass der Gemeinderat den Haushaltsplan in der 1. oder 2. Sitzung nach der Sommerpause noch einmal berät und wenn es sinnvoll wird, auch einen Nachtragshaushalt beschließt. In der jetzigen Situation über Details zu diskutieren wäre sinnlos. Der Antrag von Martin Teufel wurde in die Beschlussvorlage mit aufgenommen und befürwortet.
Ludwig Schütze, SPD
Ludwig Schütze merkte an, dass die Verabschiedung des Haushaltsplans erst im Mai neu sei. Auch die acht Sitzungen des Finanzausschusses hätten gefordert, teilweise überfordert. Unter normalen Bedingungen wäre es ein sehr solider Haushalt, wertete Ludwig Schütze. Corona mache nun vieles zur Makulatur. Jetzt gelte es, den Haushalt regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Auch er forderte laufende Infos vom Rechnungsamt. Schütze sprach die Hoffnung aus, dass man am Ende doch nicht den gesamten Kreditrahmen in Höhe von vier Millionen Euro ausschöpfen müsse. Für die Fraktion der SPD forderte er die Umsetzung von sozialem Wohnungsbau. Möglicherweise könnten hier Lösungen mit privaten Investoren gefunden werden.