Ungewohnt volle Zuschauerreihen konnte die öffentliche Sitzung des Ausschuss für Bau- und Umweltfragen am vergangenen Montag verbuchen, was den beiden Tagesordnungspunkten geschuldet gewesen sein dürfte. Es sollte über die Verkehrssituation auf dem neuen Abschnitt der St.-Gallus-Straße gesprochen werden und über die zukünftige Nutzung des ehemaligen Baustellenlagers im Bereich Hinterhambach. Beschlüsse wurden keine gefasst. Der Tagesordnungspunkt „Baustellenlager“ wurde zur Beratung an den Gemeinderat verwiesen, der sich zeitnah damit befassen soll.
Die einen nennen sie Parkplatz, die anderen ehemaliges Baustellenlager – egal wie die Fläche im Hinterhambach bezeichnet wird: Für viele der Anwesenden gab es Gesprächsbedarf über offene Fragen im Zusammenhang mit Umnutzung und Ausbau des ehemaligen Lagers für die Baustelle im Rahmen der L94-Sanierung.
Mehr als 100 Stellplätze
Ende Oktober wurde die letzte Fläche der für die L94-Sanierung eingerichteten Baustellenlager geräumt. Im Bereich Hinterhambach ist ein veritabler (Wander)parkplatz entstanden. Auf 3.000 Quadratmetern stehen jetzt mehr als 100 Parkplätze in fünf Parkreihen zur Verfügung. Die Stelle gleich neben dem Adlerspielplatz ist der offizielle Start des Hahn-und-Henne-Premiumwanderwegs. Im Oktober 2019 wurde die gesamte Fläche eingeschottert. Rundholz dient zur Absturzsicherung, Steinblöcke markieren den Einstieg in die Premiumrunde. Bis zu zwei Metern hoch an manchen Stellen und in weiten Teilen scheint das eigentlich sanft abfallende Gelände, eine lauschige Talaue, aufgefüllt worden zu sein. Ordentlich verdichtet, akkurat angeböscht. An manchen Stellen trennt nur ein Fußweg und der Bach diese Fläche von den anliegenden Grundstücken mit Wohnbebauung. Die Anlieger verstehen die Welt nicht mehr, denn sie wurden ihren Beteuerungen zufolge nie über das Vorhaben, die Lagerfläche zu einem großen Parkplatz auszubauen, informiert.
Lange Reaktionszeiten
Die Anlieger wunderten sich, suchten zeitnah das Gespräch mit der Stadtverwaltung. Durch Auslandsaufenthalte, Urlaub und Feiertage kam es erst am vergangenen Donnerstag zustande – Wochen nach dem ersten Versuch der Kontaktaufnahme und Wochen, nachdem der Parkplatz Thema in der Frageviertelstunde im Ortschaftsrat Unterharmersbach war (wir berichteten am 6. November 2019).
Anders als der Empfehlungsbeschluss
Der Unterharmersbacher Ortschaftsrat kümmerte sich schon vor gut elf Monaten um die Fläche und darum, dass an dieser Stelle Gestaltungsbedarf entstehen könnte. Er fasste am 25. Februar 2019 den Empfehlungsbeschluss, den Platz entsprechend einer bereits vorliegenden Skizze des Bauamts vom 14. September 2018 zu gestalten. Der neu formierte Ortschaftsrat bestätigte diesen Beschluss in seiner Sitzung am 9. Dezember 2019. Die Skizze sah vor, drei Parkreihen auf der Lagerfläche zu schaffen und weitere Stellplätze entlang der Straße Hinterhambach, wie sie im Prinzip schon existieren. Eine Situation, mit der sich die Anlieger durchaus anfreunden können. Ein wichtiger Nebenaspekt des ersten Empfehlungsbeschlusses für nicht wenige der damaligen Ortschaftsräte war: Es solle ortsnah – in der dreireihigen Skizze des Bauamts auf der verbleibenden Fläche der Mähwiese Richtung Bach eingezeichnet– ein hochwertiges Biotop entstehen, als Ausgleich für die entfallende FFH-Fläche der Kategorie „Mähwiese“. Die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) gilt als eines der bedeutendsten länderübergreifenden Naturschutzinstrumente in Europa. Insbesondere der Grundgedanke des Schutzes und der Vernetzung von Lebensräumen wird aus ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht als wertvoll eingestuft.
In der Regel wird auf Basis des Empfehlungsbeschluss des Ortschaftsrats relativ zeitnah eine Entscheidung im Gemeinderat herbeigeführt. Das war hier anders. Durch Kommunalwahlen und andere Umstände gibt es bis heute keinen gültigen Beschluss in dieser Sache. Folglich kann kein Bauantrag, keine Baugenehmigung und keine verbindliche Stellungnahme des Landratsamt in Sachen FFH-Wiese eingeholt und dem Gemeinderat vorgelegt worden sein. Der Informationsfluss zu den Gremien war nicht gegeben.
Die verschiedenen Blickwinkel
Die Mitglieder des Bauausschusses trugen zur Diskussion verschiedene Aspekte bei.
Hannes Grafmüller regte an, mit einer abschließenden Entscheidung noch etwas abzuwarten, bis sich die Böschung im begrünten Zustand zeigt. Er warb für die Schaffung von bedarfsgerechten Parkflächen an diesem Standort und gab zu Bedenken, dass mit der großen Parkplatzlösung zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: mehr Parkraum und Einbau des Aushubs statt teurer Entsorgung.
Sybille Nock sprach sich klar dafür aus, dem Beschluss des Ortschaftsrats zu folgen und das Niveau des „Brettbergs“ abzusenken. Der sei ein eklatanter Eingriff ins Landschaftsbild. Auf ihre Frage, wer das beauftragt habe, hatte sie keine befriedigende Antwort erhalten. Sie fand, dass man mit dem vorliegenden Ergebnis nicht von ei-nem Rückbau der Lagerfläche sprechen kann und gab zu Bedenken, dass man auch mit weitaus weniger Aufschüttung Parkplätze hätte entstehen lassen können.
Ludwig Schütze war als Ortsvorsteher Gast im Bauausschuss. Er kritisierte, dass der Plan, der im Februar im Ortschaftsrat zur Debatte stand, erst vom Planungsbüro um eine große Variante erweitert, ohne Kenntnisse des Gremiums im Bauamt gelandet und schließlich sogar mit der großen Variante umgesetzt wurde. „Für diesen Plan gibt es keinen Beschluss eines Gremiums, das demokratisch legitimiert ist“, legte er dar und wies noch einmal auf die von Ortschaftsrat ausdrücklich gewünschte FFH-Aufwertung hin, die mit den geschaffenen Tatsachen nicht mehr umzusetzen ist.
Das Fehlen weiterer Unterlagen, wie zum Beispiel Geländeschnitte, bemängelte Gottfried Lehmann und er warf ein, dass jeder Landwirt, der Gelände auffüllen will, „jede Menge Probleme“ mit seinem Vorhaben hat.
Stefan Kornmeier brachte vor, dass die Bürger enttäuscht seien, weil keine Informationen vorhanden gewesen seien.
Thomas Hoog zeigte sich als Befürworter eines Teilrückbaus. Die Parkplatzsituation, wie sie sich heute darstelle, sei damals nicht besprochen worden.
Brigitte Stunder sah die Ausführungshöhe kritisch.
Bürgermeister Pfundstein verwies unter anderem auf finanzielle Aspekte: Für den Rückbau um die Hälfte und teilweise Begrünung würden der Stadt gut 43.500 Euro in Rechnung gestellt.
Wenig Klarheit
Ungeklärt blieb für Räte wie Zuschauer auch nach langer Diskussion die Frage, wie es zu der großen Variante, ihrer Umsetzung und dem Verlust der FFH-Fläche kommen konnte. Dass die Baufirma wie bei jedem anderen Lager einfach die Fläche abgezogen und befestigt hat, stimmt zwar im Prinzip. Durch das Aushub-Lager jedoch mit wesentlich mehr Material als vorher, so dass es vielen im Raum schwer fiel, in diesem Punkt Parallelen zu anderen Stellen entlang der Baustelle zu sehen. Bürgermeister Pfundstein versicherte mehrfach, dass die Fläche 2018 für die Stadt überraschend als FFH-Fläche ausgewiesen worden sei und dies der Stadt nicht klar gewesen sei. Die Stadt habe bereits Einwände gegen die Einstufung beim Landratsamt vorgebracht und auf Mängel im Verfahren hingewiesen, denn es habe bereits zum Zeitpunkt der Kartierung zum Beispiel eine Druckerhöhungsanlage auf der Fläche gestanden.
Sein Punkt war: „Was wollen wir für die Zukunft?“ Ein Ausgleich der FFH-Flächen sei auch an anderer Stelle möglich, es gebe einen finanziellen Vorteil und der Parkplatz werde gebraucht. Er ist überzeugt, die Stadtverwaltung habe alles richtig gemacht und es gebe die Möglichkeit das Fehlen der Beschlüsse und des Bauantragsverfahrens nachträglich zu korrigieren.
Kein Provisorium
Bürgermeister Pfundstein zeigte sich in der Sitzung irritiert ob der „größtmöglichen Empörung“, mit der die Anlieger seiner Ansicht nach agieren. Den „Schwarzen Peter“ sehen die, die die Öffentlichkeit gesucht haben, indes nicht bei sich: „Bei diesem Entscheid über diese Maßnahme wurden sämtliche Gremien der Gemeinde übergangen, die Verwaltung hat ohne Grundlage entschieden. Warum müssen wir als Anwohner und als Bürger der Stadt Zell dies akzeptieren? Bereits im Oktober 2019 auf Anfrage bei der Firma Reif, was aktuell passiert, wurde uns gesagt, dass hier ein Parkplatz entsteht, das habe sich für die Stadt so angeboten“, erklärt der Sprecher der Anlieger Markus Lehmann auf Nachfrage der Schwarzwälder Post.
Auch wenn „hätte“ und „wäre“ keine Worte sind, die man zu oft in Anspruch nehmen sollte: Die Informationspolitik der Stadt stößt am Adlerteich sauer auf. Die direkten Angrenzer hätten sich gewünscht aufgrund des Umfangs und der Größe des gesamten Baulagers vor Einrichtung informiert zu werden. Dies sei weder zum damaligen Zeitpunkt noch zum Zeitpunkt der späteren Umplanung von Rückbau zum Wanderparkplatz geschehen.
Die Anlieger möchten sich nicht damit abfinden, dass der Parkplatz so bleibt, wie er gerade ist. Sie vertreten die Meinung, dass man keinesfalls von einem Geradeziehen und Verdichten der Fläche im Zuge des Baustellenabzugs sprechen kann. Die 3.000 Quadratmeter große Fläche sei fast auf Straßen-Niveau aufgefüllt worden, die Auffüllhöhe im vorderen Bereich am Spielplatz betrage ca. 2 Meter und stelle eine beträchtliche Veränderung des Landschaftsbildes dar. Gegen ein Provisorium spreche auch, dass die Schüttung tragfähig, PKW-befahrbar aufgebaut wurde, dadurch der gesamte Platz nun völlig verdichtet ist. Sogar die Böschung sei bereits fertig modelliert und eingesät, ein neuer Zugangsweg zum Premiumwanderweg angelegt und ein Sandstein mit Logo gesetzt. Die vorgesehene Böschungs- und Absturzsicherungen liegen in Form von Rundholz zur endgültigen Montage bereit. Zudem seien sämtliche Absperrungen entfernt worden, so dass der Parkplatz voll nutzbar ist.
Was die Anzahl und den Bedarf an Parkplätzen angeht, sehen sie die bereits im Februar 2019 vom Ortschaftsrat vorgeschlagene Variante als völlig ausreichend an. Und sie bringen einen weiteren Aspekt in die Diskussion: Der vor der Sanierung der L94 ausgeschilderte Parkplatz am Sportplatz könnte wieder als Parkmöglichkeit für den Wanderweg ausgewiesen werden. Ein paar hundert Meter zusätzlichen Wegs sollten für die Wanderer kein Problem darstellen.
Kostenbetrachtung
In Bezug auf die Rückbaukosten, die Bürgermeister Pfundstein in den Raum gestellt hatte, vertreten sie den Standpunkt, dass der Rückbau des Baulagers in den Ursprungszustand „Wiese“ im Sanierungsauftrag der L94 enthalten war. Somit könne man hier aktuell nicht von Rückbaukosten sprechen. Man spreche von teilweise eingesparten Entsorgungskosten von Aushubmaterial der L94 und einem Großteil des Entsorgungsmaterials der Sanierung der Wiesenfeldstraße. Hätte die Verwaltung den Empfehlungsbeschluss des Ortschaftsrates vom Februar 2019 verfolgt, hätte man trotzdem Entsorgungskosten gespart und keine „Rückbaukosten“. Mehr noch: Der Parkplatz wäre fertig und könnte ohne Probleme und Einwände genutzt werden.
Mit der Umsetzung entsprechend des Empfehlungsbeschlusses des Ortschaftsrates aus dem Februar 2019 würden sich die Anlieger zufrieden geben. Sie haben miteinander diskutiert und sich auf diesen Kompromiss verständigt. „Die zugesagte komplette Rückbauvariante auf den Ursprungszustand »Wiese« wäre zwar wünschenswert, jedoch besteht auch von unserer Seite die Einsicht, den tatsächlich erforderlichen Bedarf an Parkplätzen anzuerkennen. Dieser Bedarf kann mit der Variante des Ortschaftsrates und dem bereits bestehenden Parkplatz am Sportplatz mehr als gedeckt werden“, erklärt Markus Lehmann. Einzige Nebenbedingung: Der Parkplatz soll so gestaltet werden, dass er ausschließlich von PKWs genutzt werden kann.
Gemeinderat entscheidet
Auf Nachfrage der Schwarzwälder Post am gestrigen Tag stellte Bürgermeister Pfundstein nochmals die Vorteile der entstandenen Situation unter die Prämisse des Bedarfs an Parkraum. Die Bau-Firma habe ohne großen Aufwand die Baustelle verlassen können. Gleichzeitig hätte das vor Ort vorhandene Material für die Einebnung des Platzes verwendet werden können. Das habe für die Stadt die Herstellung beziehungsweise Erweiterung der Parkplätze quasi kostenlos möglich gemacht und Rückbaukosten gespart. Umgekehrt hätte das nicht funktioniert, wenn man erst den Ursprungszustand wieder hergestellt hätte, um anschließend wieder eine Parkplatzfläche aufzuschütten. Der Platz sei auf Grundlage einer Skizze des Planungsbüros entstanden und gleich nach Beendigung der Restarbeiten umgesetzt worden. Einen expliziten Auftrag der Stadt gebe es dafür nicht. Der Gemeinderatsbeschluss als Letztentscheidung sei noch zu fassen, wobei mindestens drei Varianten (kein Rückbau, teilweiser Rückbau, kompletter Rückbau) denkbar seien.
Das Verfahren läuft. Der Gemeinderat muss entscheiden. Danach wird die Stadtverwaltung den Beschluss in die Tat umsetzen.