Am Samstag, 8. September, pilgern Gläubige der Seelsorgeeinheit Zell zur Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten«. Im Wechsel organisiert jeweils eine andere Pfarrgemeinde die Wallfahrt und stiftet eine Kerze, wie es die Talgemeinden vor Jahrhunderten gelobt hatten.
Die den Oberharmersbacher Familiengottesdienst organisierenden Eltern und ihre Kinder wählten für die Gestaltung der Kerze ein passendes Motiv aus: »Frieden für alle«. Treffender hätte man das Thema in Zeiten ständig wiederkehrender Nachrichten über Kriege und Anfeindungen nicht wählen können. Zwar gab es in über 70 Jahren in Mitteleuropa keinen Krieg, aber die Medien erinnern ständig an diese Katastrophen, mehr oder minder weit weg von uns.
Es waren damals unruhige und unsichere Zeiten, als das Gelöbnis abgelegt wurde. Ständig drohten kriegerische Auseinandersetzungen. Die schlimmen Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges, als auch im Harmersbachtal marodierende Soldaten, die unter anderem den Kirchen den roten Hahn aufs Dach setzten, waren noch nicht vergessen, da brach neues Ungemach über die Bevölkerung herein.
Der Pfälzische Erbfolgekrieg 1688 bis 1697 verschonte das Harmersbachtal nicht. Französische Truppen setzten über den Rhein und nachdem Offenburg und andere Gemeinden die verheerenden Schläge des Krieges erfahren hatten, wurde Gengenbach am 7. September 1689 in Schutt und Asche gelegt. Auch Zell, das ohne wirksame Verteidigung war, drohte ein ähnliches Schicksal, wie es die Nachbarstadt erfahren hatte.
Doch da die Feinde »ohne Zweiffel von der gnadenreichen güethigkeit der allerseligsten Mutter Gottes abgehalten worden« gelobte man seitens der weltlichen Herrschaft und aller damaliger Pfarrherren, also Zell, Biberach, Nordrach und dem Reichstal Harmersbach, künftig alle Jahre auf Kreuzerhöhung (14. September) mit einer Wallfahrt nach Zell zu gedenken, eine Messe mit Hochamt zu lesen und neben einer Spende für die Armen auch eine Kerze zu stiften. Wenige Tage später wurde das Versprechen erstmals eingelöst. Der Gengenbacher Abt Augustinus zelebrierte das mit Musik umrahmte Amt und hielt die Predigt.
Nur wenige Jahre später drohte während des Spanischen Erbfolgekrieges neues Unheil. Erneut zogen Tausende französische Soldaten durch das Kinzigtal. Zwar hat der Zeller Leutnant Schenoch mit seinen 60 Mann »auff die feindlichen Trouppen dapffer drauf außgefeuwert« und so die ersten herannahenden Soldaten abgewehrt. Doch nachrückende feindliche Soldaten ließen jede Gegenwehr sinnlos erscheinen. So nahm man eine »Salveguard« an, eine Art Schutztruppe, die zwar Abgaben forderte, aber die Bevölkerung vor Schlimmerem verschonte.
Wiederum führte man die Rettung aus höchster Not auf die Hilfe der Gottesmutter zurück. Das Gelöbnis von 1689 wurde feierlich beschworen, dieses Mal am 12. Mai 1703, also auf »Kreuzerfindung«. Auch da sollte eine Dankprozession nach Zell abgehalten werden.
Man schien wohl zu ahnen, dass in besseren Zeiten die Erinnerung getrübt werden könnte. Daher erhielten alle Pfarr- und Gemeindearchive der Talgemeinden jeweils eine Ausfertigung, damit das Versprechen »nimmer mehr in Vergessenheith kommen möge noch solle.«
Am kommenden Samstag treffen sich die Gläubigen um 9 Uhr beim Sonnenparkplatz. Von dort zieht die Prozession zur Wallfahrtskirche. Während des Gottesdienstes wird auch die neue Gemeindereferentin Frau Anke Haas vorgestellt. Im Anschluss an die Messe besteht im Klostergarten die Möglichkeit zur Begegnung.