»Ich bin eine, die nicht viel daheim hockt«, lacht Dorothea Koch. Ihr Drang nach Draußen lässt auch am 95. Geburtstag die Tür nicht stillstehen. Wie im Taubenschlag geht es am Montag bei ihr zu. Zahlreiche Gratulanten wollen es sich nicht nehmen lassen, die Jubilarin zu besuchen.
Beschwingt und heiter nimmt das Geburtstagskind die Grüße entgegen. Die kommen unter anderem von Bürgermeister Günther Pfundstein. »Ab jetzt komm ich jedes Jahr«, lacht auch das Stadtoberhaupt ob des fröhlichen Anlasses und meint das »nicht als Drohung sondern als Versprechen.« Diese Art von Humor kommt bei Dorothea Koch gut an.
Kurz nach dem Bürgermeister steht Pfarrer Monninger vor der Tür und reiht sich in die Gratulantenschar ein. Er singt ein Lied – er hat lange gesucht, um eines zu finden, dass das Geburtstagskind noch nicht kennt – und hat ein symbolträchtiges Foto von der Tierwelt des Lago Maggiores dabei. »Das kommt ins Schlafzimmer«, beschließt die Jubilarin. Dann klingelt auch schon die Betreuerin von der Sozialstation, die Dorothea Koch einmal wöchentlich unterstützt. »Ich wäre eigentlich heute dran gewesen mit kommen, aber ich wurde abgesagt«, lacht auch sie. »Ich bin trotzdem da.« Bei diesem Geburtstag will jeder einfach persönlich gratulieren.
Schnell sind die Sektgläser gefüllt und die Runde stößt an auf viele, schöne, neue Jahre. Unterstützung erhält Dorothea Koch an ihrem Jubeltag von ihren drei Nichten. Sie haben alles vorbereitet, den Zugang zur Wohnung festlich geschmückt, Kuchen gebacken, Kaffee gekocht und den Tisch gedeckt.
Am Sonntag ist die »große« Feier in ihrer alten Heimat Oberharmersbach geplant. Dann werden all ihre Chorkollegen kommen, um mit ihr den 95. Geburtstag würdig zu begehen. Trotz ihres hohen Alters singt Dorothea Koch noch aktiv im Kirchenchor. »So lange sie mich noch brauchen können, singe ich weiter«, gibt sie zu Protokoll. Koch stammt aus einem musikalischen Haus. Der Vater war begeisterter Musiker und die klassische Musik begleitet die Jubilarin schon ihr Leben lang. Im Alter von 16 Jahren hat sie mit dem Chorgesang angefangen, was bedeutet, dass sie nächstes Jahr 80 Jahre aktive Chorsängerin ist. Ein Jubiläum, für das der Verband keine Ehrungen mehr vorsieht, stellt die Geburtstagsrunde erstaunt fest und beschließt, selbst einen würdigen Rahmen für das außergewöhnliche Jubiläum zu schaffen. Die Musik brachte sie in jungen Jahren unter anderem im Rahmen einer Konzertreise nach Paris. So bescherte ihr ihre Leidenschaft unvergessliche Erlebnisse.
Seit 1998 lebt die aus dem Hanauerland stammende Jubilarin in Zell. Als Kind zog sie nach Stuttgart, wo sie lange lebte und ihren späteren Mann, den Notar Hermann Koch, kennenlernte. »Mit der Rente beging mein Mann Stadtflucht«, erzählt sie davon, wie es sie ins Harmersbachtal verschlug. Er wollte unbedingt in den Schwarzwald ziehen. Dorothea war von der Idee zunächst nicht sonderlich begeistert, arrangierte sich dann aber schnell mit dem Gedanken, weil sie ihr liebstes Hobby, das Singen, auch in Oberharmersbach ausüben konnte. 1998 wechselte das Ehepaar in die Seniorenwohnanlage in die Kirchstraße. Dort wohnt Dorothea Koch heute immer noch und genießt die Ausflüge ins nahe gelegene Städtle und zur Chorprobe des Zeller Kirchenchores. Ihr Mann verstarb im Jahr 2001. »Man sagt, einen alten Baum kann man nicht verpflanzen wegen der Wurzeln«, so Koch. »Ich habe offensichtlich einen ganzen Berg von Wurzeln. Deshalb hat das mit dem Verpflanzen so gut geklappt.« Man kann überall nette Leute treffen, ist sie überzeugt. Man müsse nur selbst etwas dafür tun und aktiv bleiben. Das ist nicht nur einfach so dahin gesagt. Im Alter von 80 Jahren ist sie das letzte Mal vom Sprungbrett im Schwimmbad gesprungen, erzählt sie. Das ist zwar mittlerweile auch schon wieder 15 Jahre her, dürfte aber so manchem Jüngeren die Röte ins Gesicht treiben. Allein zuhause auf dem Sofa? Auf Dauer nichts für Dorothea Koch! Die Heimatzeitung »Schwarzwälder Post« wünscht noch viele schöne Jahre und ein sang- und klangreiches Fest mit den Chorkollegen am kommenden Sonntag!