In seiner öffentlichen Sitzung am Montag stimmte der Zeller Gemeinderat mit großer Mehrheit der Einrichtung eines Naturkindergartens zu. Der Start soll bereits in diesem Jahr mit einer Waldspielgruppe für Kinder unter drei Jahren erfolgen. Im Jahr 2019 soll zusätzlich ein Waldkindergarten für Kinder ab drei Jahren entwickelt werden. Der Naturkindergarten soll das Betreuungsangebot für die Kinder sinnvoll erweitern. Eine Konkurrenzsituation zu den vier bestehenden Zeller Hauskindergärten entstehe nicht.
»Waldkindergärten sind keine neue Idee. Im Großraum Freiburg und Stuttgart gibt es schon eine Vielzahl solcher Angebote. Auch in Strohbach und Haslach bestehen solche Einrichtungen«, berichteten die beiden Erzieherinnen Renate Buchholz aus Bollenbach und Claudia Sapparth aus Zell a. H., die nun auch in Zell einen Waldkindergarten realisieren wollen. Beide bringen entsprechende Erfahrungen aus ihrer bisherigen Tätigkeit im Waldkindergarten in Haslach bzw. einer Waldkrippengruppe in Elzach in das Zeller Projekt mit ein.
Neuland für die AWO
Am Ratstisch hatte auch Geschäftsführer Edmund Taller vom Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt Platz genommen. Die AWO hat sich
bereiterklärt, die Träger-schaft zunächst für eine Waldspielgruppe und später für die Weiterentwicklung zu einem Waldkindergarten in Zell a. H. zu übernehmen. Der Kreisverband sei sowohl in der Senioren- als auch in der Jugendarbeit aktiv, hat rund 140 Mitarbeiter in Teil- und Vollzeit und rund 350 ehrenamtliche Helfer. Als Projekte nannte Taller unter anderem die AWO-Stadtranderholung auf der Gehrmatt in Unterentersbach, die jährlich erfolgreich umgesetzt wird. Ein Waldkindergarten sei auch für die AWO Neuland. Grundsätzlich sei es ein interessanter Gedanke, signalisierte er Offenheit. Die AWO habe Erfahrung von Defizitfinanzierungen.
Im Vorfeld der Beratungen im Gemeinderat wurde gemeinsam mit Förster Klaus Pfundstein nach einem geeigneten Waldareal für einen Naturkindergarten gesucht und im Bereich des Eckwaldes in der Nähe des alten Wasserhochbehälters auch gefunden. Das weitläufige Waldareal befindet sich im Besitz der Stadt Zell. Die Betreuung der Kinder erfolgt ausschließlich in freier Natur. Gefordert wird lediglich eine Schutzhütte oder ein Bauwagen.
Kindergartenleiterinnen begrüßen die Einrichtung
Die Aufgabe der AWO wird es künftig sein, den laufenden Kindergartenbetrieb zu organisieren und das Genehmigungsverfahren abzuwickeln. Die Stadt Zell übernimmt den nichtgedeckten Aufwand. Bei der Waldspielgruppe wird das jährliche Defizit auf 15.000 Euro veranschlagt. Den Aufwendungen von 75.000 Euro stehen Zuschüsse und Elternbeiträge von 60.000 Euro gegenüber. Für einen Waldkindergarten wurde ein Defizit von jährlich 26.500 Euro ermittelt. Hier summieren sich die Aufwendungen auf 140.000 Euro; Zuschüsse und Elternbeiträge auf 113.500 Euro. Die einmaligen Investitionskosten werden vom Land mit 70 Prozent bezuschusst.
Die Stadt Zell sieht in dem neuen Naturkindergarten eine sinnvolle Ergänzung des Bildungsangebots. Bürgermeister Pfundstein informierte, dass die Kindergartenleiterinnen der vier Zeller Kindergärten die Überlegungen ausdrücklich begrüßen. Eine Konkurrenzsituation entstehe dadurch nicht.
Hygiene und Sicherheit
Bei der Diskussion im Gemeinderat gab es nicht nur Zustimmung sondern auch deutliche Vorbehalte. »Das Konzept überzeugt mich nicht«, bezog Gemeinderat Ludwig Schütze Position. Er persönlich sei zwar Naturfreund, sehe aber auch die hohen Auflagen, mit denen die Stadt in ihren bestehenden Kindergärten konfrontiert ist. Diese reiche von Hygienevorschriften über die Abgrenzung der Spielplätze bis hin zur TÜV-Abnahme der Spielgeräte. Wasser, Abwasser, Strom, Toilette – im Wald gehe scheinbar alles. Auch stelle sich für ihn die Frage, was der Wald besser könne als herkömmliche Kindergärten. Auch Gemeinderat Thomas Dreher fragte nach den Hygienerichtlinien, den Öffnungs- und Schließzeiten und der Versicherung der Kinder.
Man solle dem Ganzen eine Chance geben, signalisierte Gemeinderat Grafmüller Zustimmung. Für ihn sei der Wald Kraftquelle, betonte Gemeinderat Lorenz Breig und Gemeinderat Paul Gutmann zeigte sich überzeugt, dass Bauernkinder, die den ganzen Tag in der Natur spielen, zäher und widerstandsfähiger seien. »Aber wie ist es mit Zecken und giftigen Pilzen?«, wollte Gutmann wissen.
Lebenspraktische Erziehungsarbeit
»Wir bringen unsere Erfahrungen vom Leben im Wald mit ein und betreuen die Kinder«, antwortete Erzieherin Sabine Buchholz auf die Frage von Paul Gutmann. In Sachen Zecken müsse man die Verantwortung an die Eltern zurückgeben. Auch im Schwimmbad und überall sonst in der Natur gebe es Zecken, gab sie zu bedenken.
Auch viele andere der im Ratsgremium geäußerten Fragen konnten die beiden künftigen Erzieherinnen des Zeller Naturkindergartens beantworten. Für die Hygiene gebe es genaue Vorschriften, die eingehalten werden müssten. Mit einigen Bildern von Haslach und Elzach schilderten sie den Erziehungsalltag im Waldkindergarten. Im Wald gebe es für die Kinder viel zu entdecken und zu erforschen. Die Natur fördere die Kreativität, selbst Regentage würden von den Kindern als Bereicherung empfunden. Der Schwerpunkt der Erziehungsarbeit bilde ein lebenspraktischer Ansatz.
Die Planungen sehen vor, dass die beiden Erzieherinnen im Herbst 2018 eine Waldspielgruppe für zehn zwei- bis dreijährige Kinder eröffnen. Die Gruppe ist von Montag bis Donnerstag drei Stunden lang geöffnet. Als feste Einrichtung soll eine beheizbare Hütte gebaut werden. Im Jahr 2019 soll dann ein Waldkindergarten eröffnet werden, der Platz für 20 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren bietet. Dieser soll dann sechs Stunden täglich geöffnet sein.
Weitere Kleinkindergruppe
Auch in den bestehenden Kindergärten investiert die Stadt Zell in die Kinderbetreuung. Im Kindergarten Unterentersbach wird eine weitere Kleinkindergruppe eingerichtet. Dafür werden zwei Büroräume der Ortsverwaltung und ein Turnraum im Dorfgemeinschaftshaus umgenutzt. Ortsvorsteherin Andrea Kuhn wird ihr Büro in den zweiten Stock verlegen. Hauptamtsleiter Ludwig Börsig informierte, dass die Stadt Zell rund 20.000 Euro in die Sanierung und 30.000 Euro in die Einrichtung investiert. Für den Ausbau gebe es eine komfortable Förderung in Höhe von 70 Prozent.
Mit dieser Einrichtung reagiere die Stadt Zell auf die steigende Nachfrage nach Kleinkinderplätzen. Insgesamt verfügt die Stadt nach Fertigstellung in Unterentersbach über sechs Kleinkindgruppen mit insgesamt 60 Plätzen.