Die Geschichte der Zeller Keramik muss neu geschrieben werden. Bei den Erschließungsarbeiten für den Drogeriemarkt wurden gestern eine ganze Reihe von historischen Steingutgegenständen ausgegraben, die teilweise noch sehr gut erhalten sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammen die Gefäße und Relieftafeln aus der Römerzeit.
»Wir waren uns schon vor Beginn der Arbeiten bewusst, dass auf dem Wiesengelände neben der Fabrik Keramikscherben abgelagert wurden«, bestätigt Bauunternehmern Hannes Grafmüller und ist nun selbst überrascht, dass hier deutlich andere Fundstücke ans Tageslicht befördert wurden. Mit Favorit- und Hahn-und-Henne-Scherben habe man gerechnet. Das erdfarbene Steingut sehe nun aber ganz anders aus.
Als erster Fachmann war Bertram Sandfuchs, der 1. Vorsitzende des Zeller Historischen Vereins, vor Ort, um die Keramikscherben zu begutachten. Sein erstes Urteil ist eindeutig. Die Fundstücke lassen von Form, Material und Gestaltung auf die Römerzeit schließen. Auf jeden Fall sind sie weit vor das Jahr 1794 zu datieren, in dem Josef Anton Burger die bis heute bekannte Zeller Manufaktur gegründet hat.
Bertram Sandfuchs erinnerte sich sofort daran, dass schon der verstorbene Heimatforscher Thomas Kopp die Theorie verfolgt hat, dass die historische Römerstraße nicht nur durch das Kinzigtal führte sondern bis vor die Tore Zells. Diese Vermutung hat nun neue Nahrung erhalten. Auch die Vorkommen hochwertiger Lehmerde sprechen dafür, dass an dieser Stelle schon von den Römern eine Keramikfabrik betrieben wurde, in der Geschirre, irdene Gefäße und Kunstgegenstände hergestellt wurden.
Die Fundstücke jedenfalls sprechen für sich. Sehr schön erhalten ist eine Relieftafel, die gestern ausgegraben wurde. Sie zeigt ein Paar und einen Baum mit Apfel und Schlange – es könnte sich um das biblische Bildnis von Adam und Eva handeln. Besonders interessant ist auch ein etwa fünf Zentimeter großer Löwenkopf. »Wirklich aufregend und spektakulär«, bewertet Bertram Sandfuchs dieses Stück. Der in der Stadel-Höhle auf der schwäbischen Alb gefundene Löwenmensch könnte nun bald sein Gegenstück im Schwarzwald haben. Die gefundene Amphore diente sicherlich zum Transport von Wasser oder Wein.
Ausstellung am Ostersonntag
Wie geht es nun weiter? Zunächst werden die Funde gesammelt und vor Ort aufbewahrt. Nach Ostern werden sie dann zur weiteren Klassifizierung in das Archäologische Landesmuseum nach Konstanz transportiert. Dies eröffnet der Bevölkerung von Zell und Umgebung die Möglichkeit, die Fundstücke selbst in Augenschein zu nehmen.
Die Scherben werden am Ostersonntag im Werksverkauf der Zeller Keramik ausgestellt. Die Öffnungszeiten sind sonntags von 9 bis 17.30 Uhr. Außerdem sind immer zur vollen Stunde Vorsitzender Bertram Sandfuchs und weitere Mitglieder des historischen Vereins vor Ort und werden Führungen zu den Fundstellen der römischen Keramikscherben anbieten. Die Erschließungsarbeiten für das Keramikareal werden bis auf Weiteres ruhen. Klar ist schon jetzt, dass der Ursprung der keramischen Tradition nun neu datiert werden muss.