Wie geht eine kleine Gemeinde mit Bürokratie, Finanzdruck und Zukunftsaufgaben um? Oberharmersbach zeigt bei der Einwohnerversammlung, dass Engagement und kluge Prioritäten viel bewirken können.



Am Mittwochabend hat Bürgermeister Richard Weith in der Reichstalhalle zahlreiche Bürgerinnen und Bürger über die Entwicklung der Gemeinde informiert. Anlass war die jährliche Einwohnerversammlung, bei der Rückblick, Haushaltslage, laufende Projekte und künftige Herausforderungen im Fokus standen. Trotz knapper Mittel und wachsender Belastungen sieht sich die Gemeinde gut aufgestellt – nicht zuletzt dank ehrenamtlichem Engagement und klarer Prioritätensetzung.
Unter dem Motto „Gemeinsam mehr erleben – unsere Vereine stellen sich vor“ bot die Veranstaltung zugleich eine Plattform für die vielfältige Vereinslandschaft vor Ort. Insgesamt 17 Oberharmersbacher Vereine nutzten die Gelegenheit, um sich zu präsentieren. Sehr zur Freude des Bürgermeisters, der trotz des sommerlichen Wetters auf rege Beteiligung blicken konnte.
Herausforderungen meistern
„Alles, was wir in und für Oberharmersbach entscheiden, tun wir derzeit mit einem erhöhten Maß an Unsicherheit“, betonte das Ortsoberhaupt, „weil wir angesichts der geopolitischen Lage und des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds als Gemeinde vieles überhaupt nicht beeinflussen können.“
Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen – wie die wachsende Aufgabenflut, die unerträgliche Bürokratie, die ungelösten Probleme in der Migrationspolitik oder das fehlende Geld in den Kommunen – „ist es unsere erste und wichtigste Aufgabe, die Gemeinde auf Kurs zu halten und im Großen wie auch im Kleinen für die Bürgerinnen und Bürger hier vor Ort konkrete Werte und Mehrwerte zu schaffen“, so Richard Weith, „und dies gelingt uns in Oberharmersbach bislang ganz gut!“
So haben Rathaus und Gemeinderat durch gezielte Prioritätensetzung im Haushalt in den letzten fünf Jahren einen Konsolidierungsbeitrag von rund 220.000 Euro erbracht, die Finanzen damit dauerhaft und strukturell entlastet.
Genaues Abwägen
Auch in der Verwaltung, im Bauhof, im Tourismus und in anderen Bereichen sei durch die Reduzierung von Personal und Arbeitszeiten ein wesentlicher Beitrag geleistet worden. Und doch müsse die Aufgabenerfüllung gewährleistet sein, und für Lohnabschlüsse von über zehn Prozent sei die Gemeinde nicht verantwortlich. „Sie dürfen uns glauben, dass uns manche Entscheidung nicht leichtfällt“, warb der Bürgermeister um Verständnis, „aber ich kann Ihnen versichern, dass auch der Gemeinderat keinen Beschluss fast, ohne Für und Wider im Einzelfall sorgsam abzuwägen.“
Ehrenamt entlastet Gemeindekasse
Doch nicht nur haushaltspolitische Entscheidungen seien für das wirtschaftliche Gleichgewicht von Relevanz. Vielmehr sei bemerkenswert, was auch die Allgemeinheit leiste, unterstrich er mit Blick auf das Ehrenamt und die große Vereinsgemeinschaft in Oberharmersbach: „Es ist eigentlich nicht möglich, was ehrenamtlich geleistet wird in Geld zu bewerten“, bedankte er sich im Namen von Gemeinde und Gemeinderat sehr herzlich, nicht zuletzt bei der Freiwilligen Feuerwehr als Gemeindeeinrichtung.
Überdies gibt es noch alle jene, die außerhalb der Vereine mit ihrem Einsatz der Allgemeinheit dienen – beispielsweise, indem sie öffentliche Grünflächen vor ihrem Haus pflegen, die Randsteine vor ihrem Anwesen von Unkraut befreien, Sitzbänke der Gemeinde ausmähen, Wanderwege instandhalten, Gedenksteine pflegen und renovieren, sowie vieles mehr. „Auch solches „Tun im Stillen“ entlastet die Gemeindekasse“, dankte Richard Weith.
28 Cent von einem Euro
Mit Blick auf die aktuell notwendigen finanziellen Einschnitte bei den Freiwilligkeitsleistungen der Gemeinde – beispielsweise in punkto Vereins- oder Landwirtschaftsförderung oder Budgetkürzungen in anderen Bereichen – erläuterte er: Von einem Euro, den die Gemeinde einnimmt, sind 72 Cent und damit fast drei Viertel für Pflichtaufgaben gebunden. Hierzu zählen Schulträgerschaft, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Straßenbau, Feuerwehr, Kinderbetreuung und mehr.
Lediglich über 28 Cent kann die Gemeinde selbst entscheiden und diese für freiwillige Ausgaben verwenden, wie für Tourismus, Freibad, Vereinsförderung und Ähnliches. „Lassen Sie uns des Öfteren vom Tunnelblick auf die Vogelperspektive wechseln und den Wert dessen erkennen, was unsere Gemeinde in ihrer Gesamtheit leistet“, regte der Bürgermeister daher an, „viele in Oberharmersbach tun dies bereits sehr intensiv und seit vielen Jahren, wofür ich mich ausdrücklich bedanken möchte.“
63 Projekte in einem Jahr umgesetzt
Die von ihm vorgestellte Liste dessen, was sich seit der letzten Einwohnerversammlung im April vergangenen Jahres im Ort getan hat, war lang. Darunter – um nur einige Beispiele von insgesamt 63 Punkten zu nennen – die LEADER-geförderte Partnerschaftsaktion „Oberharmersbach blüht auf“, die Zusammenlegung des Standesamtes mit Zell, eine Bürgerversammlung mit Bericht der „Bürgerenergie BEO“ zum Netzausbau im Obertal, die arbeitsintensive Abwicklung der Grundsteuerreform, umfangreiche Marketingmaßnahmen für das Baugebiet „Talblick“, die mit 150.000 Euro im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms geförderte Erneuerung der Ortsmitte, die Eröffnung des Penny-Marktes, die Teilsanierung der Brandenkopf-Schule, eine Förderzusage des ELR (Entwicklungsprogramm ländlicher Raum) über 110.000 Euro für Wohnbauprojekte, turnusmäßige Straßensanierung (in fünf Jahren wurden 630.000 Euro investiert, „das ist keine schlechte Bilanz“), die Fertigstellung der kommunalen Wärmeplanung, die Eröffnung „Ruhewald am Brandenkopf“, die Inbetriebnahme neuer Bahnsteige, die Erschließung des Gewerbegebiets „Wittum“ und der Abschluss des Landessanierungsprogramms.
Zu den Themen, welche die Gemeinde in Zukunft beschäftigen werden, gehören: Straßenerhaltung/Brücken, Gebäudeunterhaltung, Sicherung der Wasserversorgung, Hochwasserschutz, Abwasserbeseitigung in Außenbereichen, Breitbandausbau, Digitalisierung und Grundschulkindbetreuung.
Investitionen in die Bahnverbindung
Im Folgenden wurde die Grunderneuerung des Oberbaus im Netz der SWEG Schienenwege GmbH Lahr erläutert. Im Jahr 2023 hat die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) mit den Maßnahmen auf der Strecke Biberach-Oberharmersbach begonnen, wie Udo Schnebel (Anlageverantwortlicher) und Markus Sielaff (Bauleiter) darlegten. Das Ziel: Die Verbesserung der Infrastruktur und der Erhalt der Leistungsfähigkeit der Verbindung. Die Arbeiten umfassen die Erneuerung des Oberbaus der Gleisanlagen, sprich Schienen, Schwellen und Schotter, Ingenieurbauwerke wie Brücken und Stützwände, zudem Bahnübergänge.
Das Grunderneuerungsprogramm wird voraussichtlich 2026 abgeschlossen sein. Die geplanten Maßnahmen werden schrittweise durchgeführt. Die Gesamtinvestitionen im SWEG-Stammnetz betragen rund 50 Millionen Euro. Die Finanzierung erfolgt durch das Bundes-Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungsgesetz (BGVFG) und eine Co-Finanzierung des Landes-Baden-Württemberg.
Millionen für die Bahnstrecke Biberach–Oberharmersbach
Das Investitionsvolumen an der Strecke Biberach-Oberharmersbach beläuft sich auf rund 10,4 Millionen Euro. Von diesen wurden im Jahr 2023 bereits 1,1 Millionen Euro in einen Gleisumbau von 630 Metern Länge investiert. Im nun laufenden Jahr wird ein Bauabschnitt von 3,8 Kilometern Länge in Angriff genommen.
Sperrungen erfolgen abschnittweise und in der Regel halbseitig zwischen dem 2. Juni und 26. Juli. Sie betreffen den Bereich vom Haltepunkt Biberach bis etwa 200 Meter nach dem Haltepunkt Unterharmersbach (insgesamt 1.230 Meter), von Kirnbach-Grün bis zum Bahnübergang Kolmenloch auf einer Strecke von 965 Metern, vom Bahnübergang Kolmenloch bis Oberharmersbach Kirche auf einer Strecke von 1.555 Metern. Dort, wo zwingend nötig, wird nur über Nacht voll gesperrt. Ansonsten sollen die Arbeiten tagsüber und nur an Werktagen erfolgen.
Rechtsanspruch auf Grundschulkind-Betreuung
Hauptamtsleiterin Dominika Hättig stellte auf der Einwohnerversammlung vor, was sie gemeinsam mit der für die Schulkindbetreuung zuständigen Kerstin Fritsch erarbeitet hat. Der Hintergrund: Eltern haben ab dem 1. September 2026 einen stufenweise eingeführten Rechtsanspruch auf Grundschulkind-Betreuung. Zunächst betrifft das die Klassenstufe Eins, und zwar für acht Stunden an fünf Werktagen.
Ab dem Schuljahr 2029/2030 bezieht sich der Rechtsanspruch auf alle Kinder im Grundschulalter.
Hättigs Fazit: „Auf freiwilliger Basis machen wir schon ganz lange, was jetzt rechtlich gefordert wird.“ Denn: Eine Schulkind-Betreuung gab es in der Gemeinde Oberharmersbach bereits seit 2002 im Kinderhaus Sonnenblume, seit 2015 gibt es diese in der Brandenkopf-Schule in Form eines kostenpflichtigen flexiblen Betreuungsangebots vor und nach dem Unterricht. Auch eine Mensa existiert seit 2012.
Überdies wird seit 2002 bereits eine fünfwöchige Ferienbetreuung angeboten, ab September 2026 aber besteht für Erstklässler ein Rechtsanspruch über zehn Wochen pro Schuljahr. „Das müssen wir also aufstocken und sehen, wie wir es schaffen“, so Hättig. Sie weiß: „Der Betreuungsbedarf ist vorhanden.“ Für Fragen steht Kerstin Fritsch zur Verfügung (Tel. 07838/96818).