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Oberharmersbach | 18.09.2023

Vor 70 Jahren: Glockengeläut vervollständigt

Foto:
Aufwärts: Die „Gallusglocke“ strebt himmelwärts... Foto: Lehmann-Archiv
von Karl-August Lehmann

Zweimal war der Oberharmersbacher Glockenturm weitgehend verstummt, weil die Kriegsindustrie 1917 und 1942 das Metall raubte. Seit 1953 hat der Glockenturm Pfarrkirche St. Gallus ein stimmiges Geläut.

Foto: Lehmann-Archiv
Zur Weihe hat man die beiden großen Glocken zwischen den Linden auf dem Kirchplatz aufgehängt.

1917 blieben zwei Glocken vor dem Einschmelzen verschont, weil der damalige Großherzogliche Konservator deren Entstehung ins 15. Jahrhundert datiert hatte. Beide sollen vom berühmten Straßburger Glockengießer Thomas Jost stammen.

Als 1920 die Neubeschaffung anstand, verscherbelte die politische Gemeinde bedenkenlos diese historischen Werte, um ein stimmiges Geläut zu erhalten. Die größere Glocke kam nach Fischerbach, die andere fand eine neue Bleibe in der Nachbargemeinde Nordrach-Kolonie. Beide läuten bis auf den heutigen Tag.

Ein Gedicht für das Geläut

Wegen der beginnenden Inflation waren die Glocken nur mit einer zusätzlichen Haussammlung zu beschaffen. 1921 wurden die ersten drei Glocken geliefert. Die Augsburger Firma Hamm erhielt dafür im Oktober 1921 320.000 Mark, musste aber drei Glocken neu gießen. Im Januar 1922 war das Geläut komplett. Ganz im Zeichen der damaligen Zeit feierte die Gemeinde dieses Fest, unter anderem mit einem in die damalige Zeit passendem Gedicht:

1.Einst rückten unsere Glocken aus, gleich mutigen Soldaten/,die in der Schlachten Sturmgebraus, hinziehen zu kühnen Taten…

3. Die alten kehrten nimmermehr, sie hat der Krieg verschlungen, /sie die so oft zur Gottes Ehr, vom Turm ihr Lied gesungen…

8. Sie mögen nun vom Turmes Zelt, froh schallen in die Weiten, den Frieden einer besseren Welt, in unsere Seelen läuten.

Gerademal 20 Jahre später schlug diesen Glocken im wahrsten Sinne des Wortes ihr letztes Stündlein. Fünf Glocken wurden abgeseilt, lediglich die kleinste, „Jesusknabe“, durfte im Turm bleiben und verkündet noch immer eine Taufe.

Gönner stiften neue Glocken

Noch schwieriger als nach dem Ersten Weltkrieg gestaltete sich nach 1945 die Wiederbeschaffung.

Pfarramt und Gemeinde rannten erfolglos von Pontius zu Pilatus. Erst als eines größere Menge bombenzerstörter Glocken, die in Hamburg lagerten, von den Alliierten für den Neuguss freigegeben wurden, konnten die angeschriebenen Gießereien den Wünschen der Oberharmersbacher Gemeinde nachkommen.

Von einer patriotischen Stimmung wie 1922 war jetzt nichts mehr zu spüren. Anfangs sträubte sich sogar die Gemeinde gegen die Neuanschaffung von sechs Glocken. Begründet wurde dies mit der „augenblicklich so schwierigen weltpolitischen Lage“, obwohl bereits ein außerordentlicher Holzhieb beschlossen war.

Schließlich erhielt die Firma Grüninger aus Villingen/Neu-Ulm den Auftrag. Wiederum lief eine große Spendenaktion an, so kurz nach der Währungsreform keine Selbstverständlichkeit. Pfarrer Ludwig Tröndle und Mesner Gustav Winterhalter hatten in Haussammlungen das Geld für zwei Glocken („Nikolaus“ und „Josef“), aufgebracht, Stubenwirt Wilhelm Schäck stiftete die „Marienglocke“ und Eugen Ensslin die „Schutzengelglocke“. An Pfingsten 1949 fand die Glockenweihe statt, 18.000 DM kostete damals das Geläut.

Ob das schlechte Gewissen die Gemeinde plagte – sie hatte keine Entschädigung erhalten – oder die allmähliche wirtschaftliche Gesundung einen Sinneswandel herbeiführte, sei dahingestellt. Die Heidelberger Firma Schilling wurde mit dem Guss der beiden Glocken beauftragt. Im September 1953 später trafen die beiden von der Gemeinde bezahlten Glocken ein („St. Gallus“ und „Dreifaltigkeit“). Stolze 34.655 DM waren zu bezahlen. Am 4. Oktober 1953 läuteten die Glocken zum ersten Mal und Gutachter sprachen übereinstimmend von einem „ausgezeichneten Klangbild“.

7,5 Tonnen Gesamtgewicht

Bei jeder Neuanschaffung hatte das Volumen der Kirchenglocken zugenommen. Wogen die vier Glocken, die 1843 mit dem Neubau der Pfarrkirche St. Gallus von der Straßburger Gießerei Edel geliefert worden waren, gerade mal 1.294 Kilogramm, so wurden 1877 – eine Glocke war zersprungen und das Geläut musste neu zusammengesetzt werden – schon 2.254 Kilogramm im Turm installiert. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Bronzemasse mit 5.305 Kilogramm auf das Doppelte angewachsen. Seit 1953 liegt das Gesamtgewicht bei insgesamt 7.518 Kilogramm.

Folgende Töne weist das 4. Geläut auf: h: 2.927 kg; d: 1.720 kg; e: 1.240 kg; g: 647 kg; a: 435 kg; h: 359 kg; cis: 190 kg (vom 3. Geläut).

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Schlagworte:
Historisches, Pfarrkirche St. Gallus Oberharmersbach

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