»Früher gab es mal 50 bis 60 Wasserräder bei uns im Tal«, erzählt Paul Hug mit seiner sonoren Stimme, »und viele von ihnen trieben die kleinen Getreidemühlen von Bauern an.« Die von den Landwirten bewirtschaftete und zudem oft genug in schwieriger Hanglage liegende Fläche war jedoch so klein und der Fruchtertrag entsprechend derart gering, dass sich in der Regel zwei Höfe eine Getreidemühle teilten, erklärt der gebürtige Oberharmersbacher.




Mit dem Begriff »Frucht« ist Korn gemeint. »Früher gab es hier an den Hängen im Tal ja überall Fruchtfelder, die man heutzutage gar nicht mehr sieht«, erinnert sich der 71-Jährige an das in einstigen Sommern dominierende Gelb hiesiger Getreidefelder. Heute hingegen »ist hier alles grün, mit Wiesen oder Wald.« Hauptsächlich Roggen und Gerste sei damals im Tal angebaut worden, »und zum Teil auch Hafer.« Den benötigte man als Futter für »ackernde« Zugpferde.
Paul Hug selbst wuchs auf einem landwirtschaftlichen Betrieb auf. Der aber wurde aufgrund seiner geringen Größe schon damals im Nebenerwerb betrieben und diente der Selbstversorgung. Hug, der im Hauptberuf in einem Sägewerk arbeitete, übernahm die kleine Landwirtschaft, führte sie bis um das Jahr 1980 herum. »Wir hatten sechs Geißen und drei Schweine«, schmunzelt er, »und wir hatten gerade einmal 30 Ar eigene Fläche.«
Zwar wurden Felder hinzu gepachtet. Doch der Kornertrag reichte bei weitem nicht dazu aus, gemeinsam mit einem anderen Bauern eine Getreidemühle zu betreiben. Also brachte Paul Hug – wie schon seine Vorfahren – seine Feldfrucht zum Mahlen in die Paulimühle.
Auch diese war eine Bauernmühle. In einer Größe jedoch, dass sie nicht nur für den Eigenbedarf lief, sondern überdies Kleinstlandwirten mit lediglich ein oder zwei korngefüllten Säcken eine Anlaufstelle bot. Eine solche stellte dereinst auch die Lukasmühle dar, 1.700 Meter weiter taleinwärts. Während diese aber in den 1950er Jahren abgerissen wurde, mahlte die 1880 erbaute Paulimühle noch bis ins Jahr 1981 fleißig weiter.
Bauernmühle wurde Museum
»Dann ist der Bauer verstorben und die Jungen hatten kein Interesse mehr an der Mühle gezeigt«, berichtet Paul Hug, »da hat die Gemeinde die Mühle aufgekauft und ein Museum daraus gemacht.« Woran der heutige Senior – gemeinsam mit vielen anderen –ehrenamtlich beteiligt war: Die älteste Bauernmühle im Tal wurde restauriert und gleichzeitig verkleinert, heißt seither »Alte Mühle«. Und Paul Hug, der hier früher sein eigenes Korn zu Schrot und Mehl hat mahlen lassen, agiert seit nun schon einem Jahrzehnt bei Besucherführungen als Mühlenwart.
Was nicht zuletzt seiner tragenden, sonoren Stimme zu verdanken sein mag. Denn unter anderem als Sänger ist er in einigen Ortsvereinen aktiv – und als Vereinsmensch wiederum wurde er auf das Amt des Mühlenwarts angesprochen, als Not am Mann war. »Dabei bin ich ja nicht vom Fach«, betont der Agile, »aber mir macht das Spaß. Ich versuche den Leuten zu vermitteln, was ich so weiß und was ich selber mitgekriegt hab’.«
Mehl gegen Brotlaibe getauscht
Und mitgekriegt hat er einiges. Zu seinem eigenen Erleben gehört beispielsweise das Zusammenwirken von Mühle und örtlicher Bäckerei. »Da ist dann ausgerechnet worden: So und so viel Kilo Mehl haben so und so viel Laibe Brot gegeben.« Das wurde in einem Buch erfasst und mit jedem Laib Brot abgestrichen, den der Bäcker dem jeweiligen Bauern frisch gebacken ausgab.
Diejenigen Bauern hingegen, die in ihrem »Backhüsli« selber backten, »und zwar zehn, 15, 20 Laibe auf einen Schlag«, die konnten ihr Brot in dem noch heute vorhandenen Naturkeller neben der Mühle aufbewahren. In einer zehn Meter in den Hang eingelassenen Tiefe lagerten hier Most, Kartoffeln und Obst, »und obendrauf das Brot, da schimmelte nicht und nix.«
Der Weg zum Brot führte über den Einfülltrichter in der Mühle. Der fasste zwei Zentner, die zu mahlen im Schnitt eine Stunde dauerte – abhängig davon, ob die Körner zu Schrot oder zu Mehl vermahlen werden sollten.
Das Mahlen von Schrot ging schneller, »da konnte man das Wasserrad schneller laufen lassen.« Wie schnell, demonstriert Paul Hug bei seinen öffentlichen Führungen: Mit einem langen Holzhebel reguliert er die Wasserzufuhr zum Rad. Das hat einen Durchmesser von drei Metern und besteht aus Eichenholz, dessen Rund zur Stabilisierung von einem Eisenring umfasst wird.
Und es gehört zum Typus »oberschlächtig«, dieses Wasserrad. Denn im Unterschied zur »unterschlächtigen« Ausführung trifft das Wasser von oben auf die Schaufeln. Je mehr Wasser, desto schneller dreht sich das Rad und desto größer die Kraft, die über Zahnräder und Transmissionsriemen (früher in Gestalt von dick geflochtenen Hanfseilen) an die Maschinerie der Mühle weitergegeben wird.
»Faulenzer« und »Läufer«
Der Lärm im Hochbetrieb ist ohrenbetäubend. Ein wuchtiges Klackern, Klappern und Stampfen, das die vom Holzwurm befallene Leiter hinauf zum Einfüll trichter sowie den hölzernen Zwischenboden dort oben nur so zum Beben unter den Füßen bringt. Wer sich hier verständigen will, der muss brüllen. Doch wer hier dereinst sein Handwerk versah, der war diese Umstände ebenso gewohnt wie Paul Hug es heutzutage ist.
Das von urgewaltiger Wasserkraft angetriebene Mahlwerk der Alten Mühle ist original und somit weit über ein Jahrhundert alt. Es besteht aus zwei Mahlsteinen, von denen der untere sinnigerweise »Faulenzer« genannt wird. Weil er feststeht. Im Gegensatz zum »Läufer« – dem oberen, sich drehenden Mahlstein. Die Abstände zwischen den Steinen können für das Mahlen von grobem Schrot erhöht, für das Mahlen von Mehl hingegen verringert werden.
Glocke schlug Alarm
Keinesfalls durften sich die Mahlsteine im Leerlauf drehen, »dann rieben sie sich gegenseitig kaputt.« Dank geschickter Konstruktion schlug daher eine den Lärm durchdringende Glocke Alarm, sobald der Einfülltrichter sich geleert hatte. Zu beachten war überdies, dass der Läufer alle neun Monate herausgenommen und gereinigt werden musste. Weil sich dessen Rillen dann zugesetzt hatten, wofür die fetthaltige Kleie verantwortlich war.
Kleie, das sind beim Mahlen von Mehl entstehende Rückstände. Sie setzen sich zusammen aus Schalen, der Aleuronschicht (eine Randschicht, die den Mehlkörper von der äußeren Schale des Korns trennt) sowie dem – eben fetthaltigen – Keimling. In der Alten Mühle sorgt ein sich drehendes, eckiges Trommelsieb mit einem Durchmesser von 50 und einer Länge von 180 Zentimetern dafür, dass die Kleie vom Mehl getrennt wird. Ebenso wie die Spelzen, die festen und trockenen Hüllblätter des Getreidekerns also.
Die heutzutage in menschlicher Vollwerternährung zu Ehren kommende Kleie diente dereinst als Schweine- oder Hühnerfutter. »Und die Spelzen, die sind in den Wald hochgefahren und an das Wild verfüttert worden«, weiß Paul Hug, »damals ist alles verwertet worden.«
Handwerk
Die klassischen Hofmühlen waren dereinst Bestandteil bäuerlicher Handwerkstechnik – nicht nur im Schwarzwald, sondern auch in anderen Gebieten wie dem Allgäu, den Alpenregionen Österreichs und der Schweiz. In Österreich wurden diese Hofmühlen G’machmühlen genannt.