Die pauschal verordneten Lockdown-Maßnahmen drängen immer mehr Betriebe an der Rand ihrer Existenz. Vor allem Tourismus und Gastronomie, die beiden wichtigsten Standbeine der Gemeinde Oberharmersbach, leiden unter den seit Monaten anhaltenden Einschränkungen. Jetzt hat sich Bürgermeister Richard Weith an den zuständigen baden-württembergischen Ressort-Minister Guido Wolf gewandt.
In zahlreichen Gesprächen hat Richard Weith von den Sorgen und Nöten der gastronomischen Betriebe erfahren. »Der corona-bedingte Lockdown bringt die Beherberger und Gastronomen inzwischen wirklich in existenzielle Nöte«, erinnert Bürgermeister Weith in seinem »Brandbrief« Guido Wolf an die Verschärfung er aktuellen Lage. Oberharmersbach sei als strukturschwache Gemeinde insgesamt davon betroffen, da sie in vielfältiger Weise »von den touristischen Leistungsträgern, den damit verbundenen Arbeitsplätzen und der erzeugten Wertschöpfung abhängig« sei.
Nicht nur bei der Familie Hug auf dem Harkhof sitzt der Frust tief. »Wir haben 2018 in neue Zimmer investiert und den Gastraum vergrößert«, verweist Firmenchef Erwin Hug auf die Erweiterung des Familienbetriebes. Der Leerstand addiere sich auf insgesamt sechs Monate. »Wir haben drinnen und draußen ausreichend Platz für Abstandsregeln, wir haben alle Hygieneauflagen umgesetzt und trotzdem mussten wir schließen«, kann der 59-jährige nur mühsam seinen Unmut im Zaun zu halten. Traurig sei vor allem, dass es überhaupt keine Perspektive gebe, daran würde auch der Abhol- und Lieferservice nichts ändern.
Bürgermeister Richard Weith schlägt mit seinem Brief in diese Kerbe. Zum Einen gebe es bis heute keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Gastwirtschaften »Treiber des infektiologischen Geschehens« seien. Zum anderen sei auch nicht zu verstehen, dass das Beherbergungsverbot für Ferienwohnungen ohne differenzierte Betrachtung gelte, zumal gerade hier aufgrund der räumlichen Begebenheiten »corona-konforme Angebote« umgesetzt werden könnten.
Erwin Hug fühlt sich im Stich gelassen. Er hat fristgerecht den Antrag auf Hilfe für die Monate Dezember und Januar über seinen Steuerberater gestellt. Keinen Cent habe er bisher erhalten, statt dessen seien zusätzliche Kosten aufgelaufen.
Auch hier hakt der Oberharmersbacher Bürgermeister ein. Die angekündigten Hilfen, wenn sie überhaupt beim Antragsteller ankämen, seien »nichts anderes als Pflaster auf Wunden, die nicht mehr heilen«. Und wenn Betriebe für immer aufgäben, seien auch Wirtschaftshilfen nicht mehr wirksam.
»Erstaunlich ruhig sind bisher die Interessenverbände der Gastronomie geblieben und auch vom Tourismusverband »Ferienlandschaft Mittlerer Schwarzwald« war nichts in diese Richtung zu hören«, wundert sich Erwin Hug und übt auch im Namen seiner Berufskolleginnen und -kollegen deutliche Kritik.
Wie viele andere Betriebe in dieser Branche haben Marianne und Erwin Hug noch ein weiteres Problem. »Wie sollen wir einen Betrieb übergeben, dem durch diese Schließungen die Wertschätzung verweigert wird und der durch die aktuelle Krise eine äußerst unsichere Zukunft vor sich hat?«, blicken die beiden auf die bisher erfolgreichen Harkhof-Jahre zurück. Da werde sich doch jeder fragen, ob er den Schritt in eine derart unsichere Zukunft wagen solle.
Erwin Hug wendet sich mit deutlichen Worten an die Verantwortlichen. »Da darf sich jeder angesprochen fühlen, der diese Entscheidungen über Betriebsschließungen ohne Differenzierung getroffen hat«, fordert er ein Umdenken in der Politik, weg von generellen Schließungen hin zu individuellen Öffnungsangeboten, bei denen Abstand und Hygiene gewährleistet seien. Nur so sei eine verlässliche Perspektive gegeben, von der aber bisher weit und breit nichts zu sehen sei. Und wenn Betriebe nicht öffnen könnten, werde auch kein Fachpersonal ausgebildet.
Trotz allem blickt Erwin Hug nach vorne, auch auf die Wahlen in diesem Jahr. »Wie soll man Politikern Vertrauen schenken und diese wählen, wenn sie derart Existenzen gefährden und zugrunde richten?«, lässt er die Antwort offen.
»Es geht ans Eingemachte« warnt auch Bürgermeister Weith eindringlich vor diesen katastrophalen menschlichen und wirtschaftlichen Folgen. Immer wieder propagiere das Land mit seinen Förderprogrammen die Bedeutung des ländlichen Raumes auch gerade für den Tourismus. Zu einem kurzfristigen Ausstiegsszenario gehöre ein Konzept, wie der Tourismus mit Corona funktionieren könne. »Corona wird bleiben und wir müssen lernen, damit umzugehen«, gibt Weith dem Minister auf den Weg.
Der Bürgermeister hofft auf rasche Hilfe. Gerade kleinere Betriebe dürften nicht vergessen werden. »Das Verständnis für plakative Worte, denen keine Taten folgen, schwindet ›in der Fläche‹ spürbar«, bringt Weith die aktuelle Stimmung auf den Punkt.