»Ich habe hier meine Berufung gefunden«, sagt Anna Rombach zu ihrem Tun als Einsatzleiterin des Sozialen Netzwerks Oberharmersbach, das sie in einem zweijährigen Prozess in intensiver Ehrenamtsarbeit mit aufzubauen half.



Das Ziel des 2011 gegründeten gemeinnützigen Vereins der Nachbarschaftshilfe ist es, vor allem älteren und hilfsbedürftigen Menschen beim Meistern des Alltags zu helfen. Damit sie möglichst lange selbständig in der eigenen Wohnung und in ihrem vertrauten Umfeld leben und pflegende Angehörige gleichzeitig entlastet werden können.
Ein »Leader«-Projekt hatte dereinst den Anstoß gegeben, also eine Fördermaßnahme der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raums. In dessen Rahmen nahm Rombach an einem Arbeitskreis zu Themen wie Nahversorgung, Energiewende und Nachbarschaftshilfe teil, letzteres unter der Überschrift »Lebensqualität durch Nähe«.
»Ich wusste sofort: Das fehlt bei uns im Dorf«, erinnert sich die gebürtige Oberharmersbacherin, »ich hätte aber nie geglaubt, dass sich so eine Nachbarschaftshilfe so gut bei uns verwirklichen lässt.« Mit der großen Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Siegfried Huber und unter dem bis heute währenden Vorsitz Cornelia Lehmanns konnte das Soziale Netzwerk 2011 schließlich gegründet werden. Von Ehrenamtlern – allesamt vielfach geschulte Kräfte – getragen, versteht sich der Verein als Ergänzung zu den bestehenden ambulanten Diensten.
Wie anderswo hatte Corona zwar auch hier vorübergehend einiges in den Dornröschenschlaf versetzt. Doch normalerweise bietet das Netzwerk beispielsweise einmal wöchentlich eine Gruppenbetreuung für ältere und an Demenz erkrankte Menschen an, desgleichen Spiele- und Handarbeitsnachmittage. Und im häuslichen Bereich helfen Einsatzkräfte bei Tätigkeiten wie Kochen, Reinigen, Waschen und Gartenarbeit, und/ oder sie begleiten – einschließlich Fahrdienst – bei Einkäufen, Spaziergängen, Arzt- und Gottesdienstbesuchen, Behördengängen.
»Goldenes Händchen«
30 bis 40 weibliche und männliche Einsatzkräfte mit jährlich bis zu 6000 Einsatzstunden für zu »normalen Zeiten« 30 bis 40 Klienten teilt Anna Rombach zu Hilfsdiensten ein – vorrangig in Oberharmersbach mit seinen weit in den Seitentälern verstreuten Höfen, »aber wo es passt, schweifen wir auch nach Unterharmersbach ab«.
Wobei Anna Rombach wichtig ist, dass Einsatzkräfte wie Klienten »zueinander passen«, dass eine persönliche Bindung entsteht. »Bislang hat es immer geklappt«, freut sie sich über ihr diesbezüglich »goldenes Händchen«. Umso mehr, als ihr Mann vor einem Jahrzehnt schwer verunglückte und sie daher aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig verlässliche Hilfe »von außerhalb« ist.
Relativ schleppend sei der Verein anfangs angenommen worden, berichtet die 61-Jährige. Doch jeder, der in dem heutzutage rund 130 Mitglieder zählenden Verein tätig ist, unterliegt der Schweigepflicht und hält diese konsequent ein.
Nach dem zweiten und dritten Jahr schwanden daher die Bedenken in der Bevölkerung, stieg das Vertrauen. »Es ist so schön, wenn die Leute strahlen und sagen, dass sie sich darüber freuen, dass ihre Helferin oder ihr Helfer jede Woche kommt oder dass sie diese und jene Leistung in Anspruch nehmen können«, freut sich die Einsatzleiterin wiederum über die große Dankbarkeit der Klienten.
Diese berät sie auch bei Fragen zur Pflegeversicherung, »das habe ich mir ein bisschen angeeignet, denn seitens der Krankenkassen erhalten die Leute nicht immer die nötigen Infos.«
»Nicht im Traum daran gedacht«
Ursprünglich auf rein ehrenamtlicher Basis tätig, ist sie aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens inzwischen vom Verein zwar in einem Minijob angestellt. Doch außerhalb ihrer offiziellen Sprech- und Arbeitsstunden sorgen Ruf- und Mailumleitung zu ihr nach Hause auf den Langenberghof nach wie vor für umfangreiches privates Engagement.
Allerdings: Nicht im Traum hatte die hoch Engagierte während der beiden Vorbereitungsjahre zur Gründung des Nachbarschaftshilfevereins daran gedacht, einmal die Einsatzleitung zu übernehmen. »Geplant war, dass ich gemeinsam mit Conny Lehmann den Vorsitz mache, aber wir haben niemand Passenden für die Einsatzleitung gefunden«, lacht die in Vorstandsarbeit mehr als Geübte. Denn angefangen hat ihr ehrenamtlicher Einsatz bei den Oberharmersbacher Landfrauen. Zunächst als Schriftführerin, dann als langjährige Vorsitzende, und auch auf Bezirksebene war sie in vorderster Reihe im Vorstand aktiv.
»Durch die Landfrauen ist eine Tür nach der anderen in meinem Leben aufgegangen«, resümiert die im abgelegenen Zuwälder Tal Aufgewachsene, die sehr jung auf einen ebenfalls abgelegenen landwirtschaftlichen Nebenerwerbshof mit zunächst Milchviehhaltung einheiratete, zwei Kinder bekam: »Die ersten Jahre war ich nur für den Hof und die Familie da, aber dann kam die Geschichte mit den Landfrauen.«
Dem Erlernten gewidmet
Dem 1995 gegründeten Oberharmersbacher Ortsverein schloss sie sich vor allem an, »um mal woanders hinzukommen und andere Menschen kennenzulernen.« Als 2002 die Schriftführerin ausfiel, sprang sie ein. Zudem nutzte sie trotz ihrer knapp bemessenen Zeit das breitgefächerte Weiterbildungsangebot der Landfrauen, wurde zur Gästefachfrau und Agrarbürofachfrau mit fundierten PC-Kenntnissen, erlernte den Beruf der landwirtschaftlichen Hauswirtschafterin.
Inzwischen auch auf Bezirksebene aktiv, übernahm sie 2007 den Ortsvorsitz. Und als im Jahr darauf der Sohn den Hof übernahm und die Viehwirtschaft aufgab, »konnte ich mich den Sachen, die ich dank der Landfrauen erlernt hatte, richtig widmen.« Neun Jahre später zog Anna Rombach sich ihren drei kleinen Enkelkindern zuliebe auf den stellvertretenden Ortsvorsitz zurück.
Nach wie vor jedoch leitet sie ehrenamtlich Gymnastikkurse für die Landfrauen – aber auch für Männer, seit 2005 hat sie entsprechende Trainer-Lizenzen erworben.
Doch nicht nur auf die sportliche Instruktor-Schiene ist die im Übrigen auch Wander- und Reiselustige sowie stark Lese-Interessierte durch den vielseitig aktiven Verein geraten: Dank dessen politischer Schulungen schlug sie den Weg der Gemeinderätin ein, und »auch das Soziale Netzwerk hat eigentlich seinen Ursprung bei den Landfrauen.«