Im Oktober wählt die Gemeinde Oberharmersbach ihren vierten Nachkriegsbürgermeister. Besondere Aufmerksamkeit fand die Wahl bisher nur, wenn bei einem Verzicht des amtierenden Bürgermeisters gleich mehrere Kandidaten sich dem Wähler als mögliche Nachfolger präsentierten.
Ludwig Braun (1945 – 1969) wurde von der französischen Besatzungsmacht eingesetzt und 1949 für acht, 1957 für 12 Jahre ohne Gegenkandidaten in diesem Amt bestätigt. Sein anschließender Verzicht rief 1969 erstmals vier Kandidaten auf den Plan, die sich um die anstehende Neubesetzung des Amtes bewarben. Die Oberharmersbacher Franz Isenmann und Friedebert Stehle stellten sich mit den beiden auswärtigen Kandidaten Otmar Ritter und Alfred Stein der wahlberechtigen Bevölkerung. Erst im zweiten Wahlgang setzte sich Otmar Ritter (634 Stimmen) gegen Franz Isenmann (522) und Friedebert Stehle (22) durch. Alfred Stein hatte seine Kandidatur zurückgezogen.
Den ersten auswärtigen Bürgermeister in Oberharmersbach hielt es vier Amtsperioden im Rathaus, bisher die längste Amtszeit eines Bürgermeisters überhaupt. Die jeweilige Wiederwahl war reine Formsache. 1977 stand der Amtsinhaber allein auf weiter Flur. 1985 ließ sich der »Rebell vom Remstal« Helmut Palmer, auf die Liste setzen, ohne allerdings auch nur einmal in Oberharmersbach aufzutauchen, ebenso wie Dauerkandidat Werner Tereba, der 1993 nur namentlich in Erscheinung trat.
2001 stand dann wieder eine spannende Wahl an. Siegfried Huber, Claus Jilg, Bernd Biekark und der Biberacher Karl Hoferer stellten sich zur Wahl. Wiederum musste ein zweiter Wahlgang entscheiden, in dem sich schließlich Siegfried Huber (817 Stimmen) gegen Karl Hoferer (744) durchsetzte. Die beiden anderen Kandidaten traten nicht mehr an. Ohne Bedeutung blieb auch das nochmalige Auftreten des Dauerkandidaten Werner Tereba. Bei der letzten Wahl 2009 blieb der Amtsinhaber ohne Gegenkandidat.
Im 19. Jahrhundert verlief die jeweilige Wahl des Bürgermeisters wesentlich spannender und turbulenter. Wählen durften nur Männer und auch hier nur diejenigen, die nicht von öffentlicher Unterstützung lebten, also jeweils zwischen 350 und 480 Wahlberechtigte. Bei der Kandidatur für den Posten des Bürgermeisters waren die begüterten Bürger unter sich. Da wurde »Wahlkampf« oftmals zu wörtlich genommen. Zwar gab es noch keine Parteien, die Bürgermeisterwahl war also eine »Persönlichkeitswahl«, aber dennoch wurde das jeweilige Duell beinhart ausgetragen. Hinzu kam damals auch der mal schwelende, mal offene Gegensatz wegen der Auseinandersetzung um die Juliane Wußler, überlagert und verschärft durch den Kulturkampf, vereinfacht gesagt: übertriebene Frömmelei – das waren die »Schwarzen«, gegen liberales Gedankengut – das waren die »Roten«, die gegen die allgegenwärtige Bevormundung seitens der katholischen Kirche aufmuckten.
Da wurden Fensterscheiben zertrümmert und Heu in den Bach geworfen, Nägel verstreut und verleumdet und angeschwärzt, wie man das bis dahin nicht kannte. Selten regierte ein Bürgermeister länger als eine Amtsperiode. In knapp sieben Jahrzehnten von 1838 bis 1914 gaben sich in der Ratsstube im Gasthaus »Zur Stube« – das Rathaus wurde erst nach 1901 bezogen – neunmal die Nachfolger die Hand. Erst Landolin Jilg bürgte für Kontinuität. 1894 mit klarer Mehrheit gewählt, setzte er sich 1903 und 1913 erneut durch, zuletzt gegen drei Gegenkandidaten. 26 lange Jahre regierte er in seiner Heimatgemeinde.
In den schweren Nachkriegsjahren bewies Fridolin Lehmann eine glückliche Hand, es kehrte trotz aller Krisen Ruhe ein in der Amtsführung des Bürgermeisters. Als die Nationalsozialisten auch auf örtlicher Ebene ihre Macht nach und nach festigten, musste der demokratisch gewählte Bürgermeister weichen. Als Nachfolger wurde Josef Serrer eingesetzt. Er war ab 1938 auch der erste hauptamtliche Bürgermeister der Gemeinde. 1943 wurde er unerwartet eingezogen; nachdem er wenige Monate später vermisst gemeldet worden war, vertraten ihn Reinhard Müller und August Lehmann, bevor die Besatzungsmacht noch einmal auf Fridolin Lehmann zurückgriff und nach dieser kurzen Interimszeit schließlich Ludwig Braun als Bürgermeister einsetzte.