Der historische Lokschuppen, der mit Baujahr 1904 aus dem Gründungsjahr der Harmersbachtal stammt und noch im Originalzustand erhalten ist, geht in den Besitz eines privaten Käufers über. Die Gemeinde Oberharmersbach hätte die Möglichkeit gehabt, ein Vorkaufsrecht für die Immobilie auszuüben. Letztlich fand sich dafür am Montagabend am Ende einer turbulenten Gemeinderatssitzung keine politische Mehrheit mehr. Bei Stimmengleichheit wurde der Kauf abgelehnt. Mit dem Verzicht landete auch ein möglicher Bebauungsplan »Dampflokomotive-Werkstattmuseum« auf dem Abstellgleis.
Enttäuschte Gesichter gab es nach dem Beschluss nicht nur bei Bürgermeister Siegfried Huber und jenen CDU-Gemeinderäten, die den Lokschuppen als historisches Erbe sehen und das Areal zu einem »Dampflokomotive-Werkstattmuseum« entwickeln wollten. Enttäuscht waren auch die Mitglieder des Achertäler Eisenbahnvereins, die in größer Anzahl an der Gemeinderatssitzung teilnahmen. Der Verein hat die Dampflokomotive »Lok 20« in ihre Obhut übernommen. Das Fahrzeug gehört schon seit dem Jahr 1968 ebenso der Gemeinde Oberharmersbach wie das dazugehörige Instandhaltungswerkzeug.
Seit dem Jahr 2016 ist die »Lok 20« samt Waggons an die Schwäbische-Alb-Bahn vermietet. Im Jahr 2021 sollte die Lokomotive wieder an ihren ursprünglichen Standort ins Harmersbachtal zurückkehren und dann als Attraktion zwischen Oberharmersbach und Gengenbach verkehren. Diese Pläne haben sich am Montagabend zerschlagen. Mit dem Verkauf der Wartungshalle gibt es nun keinen Platz mehr, wo das Fahrzeug untergestellt und gewartet werden kann. Die »Lok 20« ist heimatlos geworden.
Eine politische Irrfahrt
Indes gleicht das Verfahren um die Übernahme des Lokschuppens beim Bahnhof Riersbach einer Irrfahrt. Bereits in den Jahren 2008 bis Mitte 2010 hatte die SWEG den Verkauf des Lokschuppens vorbereitet aber zum damaligen Zeitpunkt nicht umgesetzt. Wie in der Diskussion am Montagabend bekannt wurde, habe die SWEG bereits im Frühjahr 2016 nochmals konkret auf den bevorstehenden Kauf aufmerksam gemacht – ohne eine positive Rückmeldung von der Gemeinde Oberharmersbach zu erhalten. Im Januar 2017 hat die Gesellschaft den Verkauf im Bundesanzeiger veröffentlicht, berichtete Gemeinderätin Sonja Wurth.
Die Chance zum Kauf nutzte Industriemechanikermeister Dominik Isenmann aus Oberharmersbach, der mit der SWEG-Schienenwege-GmbH am 26. Juni 2017 den notariellen Kaufvertrag für das 1305 Quadratmeter große Gelände samt Lokschuppen abgeschlossen hat. Vom Notariat Lahr wurde die Gemeinde Oberharmersbach über den Verkauf informiert und auch aufgefordert darüber zu entscheiden, ob sie ein Vorkaufsrecht ausüben wolle.
Daraufhin führte die Gemeinde Oberharmersbach am 24. Juli und am 1. August 2017 zwei nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen durch und besichtigte das strittige Objekt vor Ort. Nichtöffentlich sprach sich das Gremium bei 7:4 Stimmen dafür aus, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen soll. Dies wiederum ist aber nur möglich, wenn es sich um eine »Gemeindebedarfsfläche« handelt und ein öffentliches Interesse besteht. Dieses öffentliche Interesse sollte mit der Aufstellung des Bebauungsplans »Dampflokomotive-Werkstattmuseum« dokumentiert werden.
Auf Anfrage von Gemeinderat Andreas Kasper teilte die Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamts Ortenaukreis mit Schreiben vom 17. August 2017 der Gemeinde mit, dass die Beratung und Beschlussfassung in nichtöffentlicher Sitzung »zweifelhaft« seien und die Beschlüsse öffentlich gefasst werden müssten. Bürgermeister Siegfried Huber verteidigte sein Vorgehen mit der Begründung, dass sowohl der Vertragsinhalt als auch der Kaufpreis zwischen der SWEG und dem privaten Käufer schützenswert seien.
Nicht nur die Rechtsaufsichtsbehörde widersprach dieser Ansicht. Gemeinderat Roland Buttgereit zitierte ein Urteil des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg, die in einem ähnlich gelagerten Fall ebenfalls die Herstellung der Öffentlichkeit gefordert habe. Er bezweifelte allerdings auch, ob es nun möglich sei, die nichtöffentlich gefassten Beschlüsse durch öffentliche Beschlüsse wieder gegenstandslos zu machen und forderte am Montagabend die Absetzung der beiden Tagesordnungspunkte.
Indes widersprach Bürgermeister Huber wiederum dieser Ansicht. Das Urteil des Verwaltungsgerichts könne auch anders beurteilt werden. Letztlich komme es auf den Sachverhalt an. »Aufheben, beraten und neu beschließen« lautete die Formel des Bürgermeisters. Bei acht »Ja«- und zwei »Nein«-Stimmen hob das Ratsgremium bei der späteren Abstimmung die nichtöffentlich gefassten Beschlüsse auf.
Kontrovers geführte Diskussion
Bei der kontrovers geführten Diskussion im Gemeinderat standen nicht nur das Für und Wider für den Kauf Lokschuppen im Blickpunkt. Deutliche Vorwürfe gab es von Gemeinderat Sebastian Brucher, der dem Bürgermeister vorwarf, das Gremium nicht rechtzeitig informiert
zu haben. Auch Gemeinderätin Sonja Wurth beklagte »mangelnde Transparenz«. Seit dem Jahr 2009 habe die Gemeinde die Chance gehabt, den Lokschuppen zu kaufen.
»Wir haben kein Geld für das Projekt«, machte Gemeinderat Klaus Lehmann seine Ablehnung deutlich. Das Gebäude sei zu alt und zu baufällig, eine Sanierung des Denkmals »ein Fass ohne Boden«. Dieser Meinung schloss sich Gemeinderat Hubert Müller (Forst) an und gab bekannt, dass er seine Meinung nach der nichtöffentlichen Beratung geändert habe. Die Gemeinde sei finanziell zu sehr belastet.
Indes warb Gemeinderat Hubert Müller für den Kauf der Lok und die damit verbundene Chance für die Tourismus-Gemeinde Oberharmersbach, eine weitere Attraktion zu schaffen. Mehr als 100 Jahre Eisenbahngeschichte seien damit verbunden. Auch Gemeinderätin Anja Jilg sprach von einem Alleinstellungsmerkmal und warnte vor dem Verlust des Schuppens und auch der Lok 20: »Wenn sie weg sind, sind sie weg.« Davon wolle sie sich nur schweren Herzens trennen.
Nach rund zwei Stunden führte die Debatte und die Vorlage des Bebauungsplans in zwei Beschlussfassungen. Die Aufstellung des Bebauungsplans »Dampflokomotive-Werkstattmuseum« fand mit 6:4 Stimmen eine knappe Mehrheit. Allerdings war damit die Klausel verbunden, dass der Beschluss nur gültig ist, wenn das Vorkaufsrecht wahrgenommen wird. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts sprachen sich letztlich nur fünf Gemeinderäte aus. Fünf Gemeinderäte lehnten den Kauf des Lokschuppens ab.