Nordracher Seniorennachmittag mit Generalkonsul a. D. Wolfgang Mössinger. Der Referent erhielt dankbaren und anerkennenden Applaus für seinen kurzweiligen, lebendigen und mit zahlreichen Fotos versehenen Vortrag.
Am vergangenen Mittwoch fand der erste Seniorennachmittag in Nordrach im Winterhalbjahr 2024/25 statt. Referent war der Generalkonsul a. D. Wolfgang Mössinger. Die Frauengemeinschaft sorgte für das leibliche Wohl der Gäste.
Im Mittelpunkt des Seniorennachmittags stand der Vortrag von Wolfgang Mössinger über seine Erlebnisse und Erfahrungen in „36 Jahren diplomatischem Dienst“. Zunächst informierte Mössinger über seinen Werdegang als Diplomat. Nach seinem Studium für das Lehramt in den Fächern Deutsch, Französisch und Geschichte habe er vom Kultusministerium die Auskunft erhalten, dass es auf absehbare Zeit keine freien Stellen als Lehrer geben werde. Er habe deshalb nach Alternativen gesucht und fand eine Annonce des Auswärtigen Amtes. Nach einem Test wurde er zu einer persönlichen Vorstellung eingeladen. Hierbei habe man ihn gefragt, ob er auch einer der Lehrer sei, die keinen Job bekommen hätten. „Ja, Sie sind meine zweite Wahl“, antwortete Mössinger schlagfertig. Am 3. Mai 1987 konnte er seinen Dienst antreten.
Politik, Wirtschaft, Kultur und Konsularische Dienstleistungen
Nach einer zweijährigen Ausbildung in einer „Crew“, damals die 42., lernte Mössinger das Aufgabenspektrum kennen mit den Schwerpunkten Politik, Wirtschaft, Kultur und Konsularische Dienstleistungen. Diplomaten müssen bereit sein, immer wieder einen Ortswechsel zu akzeptieren und sich auf ein neues Umfeld und andere Aufgaben einzustellen. Dafür ist die Tätigkeit abwechslungsreich, vielseitig und bietet Gelegenheiten für viele Begegnungen. Dies hat Wolfgang Mössinger in seiner fast 40-jährigen Karriere reichlich erlebt.
Seine erste richtige Aufgabe war dann im „Protokoll“. Es sei wichtig, diplomatische Umgangsformen einzuhalten, betonte er. Seine Aufgabe sei auch gewesen, sich um die ausländischen Botschafter in Deutschland zu kümmern, einschließlich der „Botschafterbeglaubigung“.
Erste Auslandsverwendung in Dakar im Senegal
Die erste Auslandsverwendung erfolgte in Dakar im Senegal an die westlichste Spitze Afrikas. Als Generalkonsul war er auch für weitere Staaten verantwortlich: Gambia, Guinea-Bissau und Kap Verde. Als Kulturreferent kümmerte er sich um den Erhalt historisch wertvoller Gebäude, um Schulen und Universitäten, die Deutsch unterrichten und organisierte Kulturveranstaltungen. Er erwähnte, dass ein Projekt des „Kulturerhalts“ nicht voran ging, obwohl er die Baustelle jeden Dienstag besichtigt habe. An den Dienstagen seien auch Arbeiter auf der Baustelle gewesen, danach aber wieder für den Rest der Woche abgezogen. Mit einem neuen Unternehmer konnte das Projekt dann in wenigen Monaten vollendet werden.
Seine nächste Station war drei Jahre später Helsinki, zuständig für Wirtschaft. Zu diesem Zeitpunkt war Finnland gerade der EU beigetreten und so galt das Interesse vor allem der neuen EU-Außengrenze zu Russland, an der es an den Grenzübergängen kilometerlange Schlangen gab.
1997 kehrte der Diplomat zurück nach Deutschland, in das Auswärtige Amt, das sich damals noch in Bonn befand. Klaus Kinkel war damals Bundesminister des Auswärtigen Amtes, der sich auch sehr stark für die Firma Airbus einsetzte. Mössinger musste die Reise von rund 200 Botschaftern in das Hamburger Werk organisieren.
Kulturreferent an der Deutschen Botschaft in Moskau
Im Jahr 2000 wieder ein Umzug, diesmal als Kulturreferent an der Deutschen Botschaft in Moskau. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte die Deutsche Schule in Moskau, die Russlanddeutschen, und Kulturveranstaltungen. Für die Rückgabe der Beutekunst, die russische Soldaten im Zweiten Weltkrieg mitgenommen hatten, setzte er sich vergebens ein, bedauerte er. Alle Kunstwerke seien im Eigentum Russlands geblieben, mit einer Ausnahme. Die Fenster der Marienkirche in Frankfurt/Oder wurden zurück gegeben. Mössinger hat sich auch um die Kriegsgräber und Kriegsgefangenengräber gekümmert und den Ort vor Moskau gesucht, wo sein Onkel gefallen ist. In der Anfangszeit von Putin habe der Westen noch sehr viel Hoffnung gehabt, dass er die Politik von Jelzin fortsetzen werde. Aber dass er vor nichts zurückschrecke, habe man schon bei der Vernichtung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny erkennen können, merkte Mössinger an.
Wieder ein Ortswechsel. Im Jahr 2003 kehrte Mössinger in das Auswärtige Amt nach Berlin zurück, diesmal in die Wirtschaftsabteilung. Er stellte sich hier auch für den Personalrat des Auswärtigen Amtes zur Verfügung.
Leiter des General konsulates in Edinburgh
Im Jahr 2008 wurde Mössinger zum Leiter des Generalkonsulates in Edinburgh in Schottland berufen. Ein Bild der Exequatur, die von Queen Elizabeth II. persönlich unterschrieben wurde, hatte Mössinger mitgebracht. Dies ist die Genehmigung, dass Wolfgang Mössinger als Generalkonsul in Edinburgh tätig sein durfte. In dieser Zeit kamen auch deutsche Politiker wie Winfried Kretschmann und Wolfgang Schäuble nach Edinburgh zu Besuch, die er zu betreuen hatte. Ein Höhepunkt für ihn sei die Eröffnung des deutschen Weihnachtsmarktes gemeinsam mit Edinburghs Oberbürgermeister George Grubb gewesen. Deutsche Händler hatten hier im fernen Schottland ihre Waren an Ständen angeboten. Für seinen Einsatz, an den Schulen auch Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten, verlieh ihm die Heriot-Watt-University die Ehrendoktorwürde.
Weitere Station von 2012 bis 2015: Baku in Aserbaidschan. Das Land sei wichtig wegen der Lage und seiner Öl- und Gasvorkommen. Schröder, Steinmeier und Öttinger seien hier zu Besuchen gekommen. Leider habe die deutsche Industrie wenig Interesse am Gas gezeigt, nur das russische stand auf der Prioritätenliste, bedauerte Mössinger.
Mit dem Kriegsgeschehen im Donbass konfrontiert
Die nächste Berufung erfolgte nach Dnipropetrowsk in der Ukraine. Dort wurde Mössinger sofort mit dem Kriegsgeschehen im Donbass konfrontiert. Über die vielen Projekte der Zusammenarbeit konnte man sich anhand der Kalender orientieren, die Mössinger auf einem Tisch ausgelegt hatte. Eine Delegation aus Charkiw habe er 2019 ins Kinzigtal begleitet, um das Projekt „Gesundes Kinzigtal“ studieren zu können. Als die Technische Universität aus Donezk fliehen und die Labore zurücklassen musste, habe er bei der Ersatzbeschaffung geholfen. Zum Dank sei er auch hier zum „Ehrendoktor“ ernannt worden.
Seine letzte Station war dann Chicago in den USA. Ein riesiger Amtsbezirk mit 70 Millionen Einwohnern war zu betreuen, davon hielten sich 20 Millionen für deutschstämmig. Bei ihren Oktoberfesten durfte er auch Bierfässer anstechen. Zu Mössingers Aufgaben gehörte auch, eine in Chicago auf Privatinitiative gegründete deutsche Schule zu einer offiziell anerkannten deutschen Auslandsschule zu machen. Selbstverständlich besuchte Mössinger die Niederlassung der Firma Junker in der Nähe von Chicago und stattete der amerikanischen Firma AAM, die eine Niederlassung in Zell-Unterharmersbach hat, in Detroit einen Besuch ab. Das deutsche Kulturhaus in Chicago wurde durch das Generalkonsulat finanziell unterstützt. Eine Terrasse trägt seither den Namen „Wolfgang-Mössinger-Terrasse“. Außerdem lag ihm die Geschichte der deutschen Auswanderer am Herzen. Deshalb wurde ihm eine besondere Ehre zuteil und der „Friedrich- Hecker-Freedom-Award“ verliehen.
Wohlverdienter Ruhestand in der Heimatstadt Zell
Im Jahr 2023 beendete Wolfgang Mössinger seine Tätigkeit im diplomatischen Dienst. Zusammen mit seiner aus Irland stammenden Gattin Mairéad verbringt er seither seinen wohlverdienten Ruhestand in seiner Heimatstadt Zell.
Nach dem Vortrag hatten die Senioren die Möglichkeit, Erinnerungsstücke wie Urkunden, Fotos, Kalender, Schärpe, Broschüren und Bücher aus den Ländern seiner Tätigkeit genauer zu betrachten. Währenddessen konnte er auch Fragen der Interessierten beantworten und mit ihnen ins Gespräch kommen.
Wolfgang Mössinger erhielt dankbaren und anerkennenden Applaus für seinen kurzweiligen, lebendigen und mit zahlreichen Fotos versehenen Vortrag. Mit einem gemeinsamen Vesper ging ein sehr interessanter Seniorennachmittag zu Ende.