»Den meisten Menschen von heute ist Holzkohle als Grillkohle ein Begriff, ohne zu wissen, dass dieser Stoff einen entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Menschheit hatte«, heißt es von Seiten des Europäischen Köhlervereins.
Auch in den Bergwäldern rund um Nordrach dampften dereinst die wie riesige Maulwurfshügel anmutenden Meiler, überall auf den Hochflächen gab es sogenannte Kohlplätze. Flurnamen wie »Kohlberg« gehen darauf zurück, ein Köhlerkreuz zeugt gar von einer Moritat, begangen von einem der oftmals allein im Wald hausenden Gesellen.
Die letzten beiden Köhler im Schwarzwald gaben ihr Gewerbe Mitte der 1960er Jahre auf. Einer der deutschlandweit wenigen, der sich mit diesem Handwerk noch auskennt, ist Thomas Faißt.
Gut und gern erinnert er sich an Nordrach, denn wie schon an vielen anderen Orten hat der als Köhler tätige Seewalder bereits auch hier einen Meiler aufgebaut, um Groß und Klein erlebbar zu machen, wie Holzkohle vor 200 Jahren – zur Hochzeit der Köhlerei im Schwarzwald – erzeugt wurde. Mit viel Wissen und Geschicklichkeit.
Ihr überaus beschwerliches Leben im Wald, in einfachsten Unterständen, führten die Köhler entweder mit ihren Familien oder aber alleine. Thomas Faißt schlägt für die Zeit des Köhlerns sein Lager in einem Waldarbeiterwagen neben dem Meiler auf – so wie auch die Köhler früher direkt an ihren Meilern lebten. Denn sobald die schwarzen, weit mehr als mannshohen Kegel entzündet worden waren, mussten sie Tag und Nacht bewacht werden.
Faißt, 1963 in Baiersbronn geboren, ist Forstwirt und Forstbauingenieur. Die Leidenschaft fürs Köhlern packte ihn vor rund 20 Jahren. »Eines Tages stand ich vor einem Kohlemeiler, da ist irgendetwas in mir entfacht worden, das jahrzehntelang zugedeckt geschwelt hat«, erinnert er sich und erzählt von dem Hauff´schen Märchen »Das kalte Herz«.
Bis zu 100 Ster Holz
Als Jugendlicher hatte er die vor 150 Jahren entstandene Geschichte um einen jungen Köhler aus dem tiefen Schwarzwald gelesen. Und war damals fasziniert von der Frage: »Warum wird durch das Verbrennen von Holz an einem Kohlemeiler ein Produkt erzeugt, das noch viel heißer verbrannt werden kann als das eingesetzte Holz?« Dieser scheinbare Widerspruch hatte ihn nie wieder losgelassen.
Einen Tag lang schaute er sich die Arbeit des Köhlers an, »ein Jahr später baute ich bei mir zuhause im Wald meinen ersten Meiler auf.« In Nordrach war es oben auf der Rautsch, auf einer windgeschützten Waldwiese, dass ein solcher Kegel entstand. Fünfeinhalb Meter im Durchmesser und zweieinhalb Meter hoch, aus 18 Raummetern (Ster) lufttrockenen Buchenholzscheiten. Früher verbaute man in einem Meiler gar bis zu 100 Ster Holz.
Zunächst errichtet Thomas Faißt in der Mitte einer aus Schwartenbrettern gebildeten ebenen Fläche einen Schacht, der aus vier dünnen Fichtenstangen besteht, mit Eisenringen werden sie zusammengehalten. Stehend um diesen Schacht schichtet er gespaltene Holzstücke auf, von meist einem Meter Länge. Weil dabei so wenige Hohlräume wie möglich entstehen sollen, ist die Arbeit mühsam und kleinteilig. Eine Arbeitswoche benötigt der von Feuer Faszinierte dafür »Je dichter, kompakter und homogener der Meiler sitzt, umso ruhiger lässt er sich nachher beim Abbrennen führen und etwas steuern«, so der Köhler. Andernfalls könne es Stellen geben, wo vielleicht die Hitze nicht wirklich weiterspringt, so dass der Meiler beim Abbrand in ein Ungleichgewicht gerät, das schwer wieder in Balance zu bringen ist.
»Abbrand« bedeutet bei einem Meiler jedoch keinesfalls lodernde Flammen. Die schließlich würden das Holz zu Asche verbrennen, der Köhler stünde vor dem Nichts. Vielmehr soll sich die Glut langsam in das Holz fressen, damit die Holzscheite vor sich hinschwelen, allenfalls glimmen.
Die Steuerung der Luftzufuhr: eine Kunst
Das heißt, dass der Meiler rundherum möglichst luftdicht abgeschlossen werden muss, was Schaufel für Schaufel mit einer dicken Schicht aus Köhlelösche erfolgt. Diese besteht aus mit Kohlstückchen und Kohlenstaub versetzter, krusiger Erde vom Boden des zuletzt abgebrannten Meilers. Damit sie nicht zwischen die Holzscheite rieselt, bringt Thomas Faißt zunächst ein Rauhdach auf: eine dünne Lage aus frisch gemähtem Gras. »Früher hat man dazu auch Farn, Zweige oder Laub genommen.«
Auf dem abwechselnd mit Kohle und Holzstücken gefüllten Quandelschacht wird zu guter Letzt ein Feuer entzündet. Hat sich dessen Glut nach etwa einer Stunde in den Quandel gesetzt, wird auch dieser Schacht mit Gras und Kohlelösche verschlossen. Die Kunst besteht nun darin, die – möglichst sparsame – Luftzufuhr so zu steuern, dass zwecks möglichst hoher Kohleausbeute möglichst wenig Holz verbrennt.
Andererseits darf der Meiler aber auch nicht erlöschen, zudem müssen beim Verschwelen entstehender Wasserdampf samt verschiedenster Gase kontrolliert austreten können. Dazu heißt es höllisch auf der Hut zu sein, den Meiler immer genau im Auge zu behalten. Denn: Je nach Zustand des Meilers müssen hier oder dort Löcher in die Deckschicht gestoßen und/oder verschlossen werden. Alle ein- bis zwei Stunden steht Thomas Faißt dazu in den Nächten auf.
Früher: Stress pur
Während das Holz bei bis zu 350 Grad Celsius allmählich verkohlt, verliert der Meiler an Volumen, sackt in sich zusammen. Damit die hierbei entstehenden Hohlräume nicht unkontrolliert aufbrechen und zu einem »Durchgehen«, sprich Abbrennen des Meilers führen, geht dessen Hüter drei- bis viermal am Tag auf diesen hinauf, um ihn – auf einen langen Stock gestützt – mit den Füßen zu verdichten. »Die karg entlohnten und am Rand der Gesellschaft stehenden Köhler hatten früher also nicht nur unter starker körperlicher Belastung, sondern auch unter hohem psychischen Stress gestanden«, betont Thomas Faißt, obendrein durfte kein Waldbrand entstehen.
Ist ein Meiler – je nach Größe nach Tagen oder Wochen – »reif«, wird er auseinandergezogen. In aller Herrgottsfrühe, wenn die Hitze am ehesten auszuhalten ist und Glutnester gut zu sehen sind. Die so geerntete, extrem leichte Holzkohle besteht zu über 93 Prozent aus Kohlenstoff. Sie brennt ohne Flammen- und Rauchentwicklung langsam und gleichmäßig ab, mithilfe eines Blasebalgs bei Temperaturen von bis zu 1200 Grad Celsius.
Geköhlert wurde in der hiesigen, schneereichen Region meist von April bis allenfalls Oktober. Im Winter waren viele Köhler mit Holzeinschlag beschäftigt.
Handwerk
Schon in der Urzeit wurde Holz verkohlt. Seit dem Mittelalter gewann man Holzkohle in Meilern – vor allem als Brennstoff zur Eisenverhüttung, Verarbeitung von Erzen und Edelmetallen sowie Glasherstellung.
Die ab dem 18. Jahrhundert zunehmend genutzte, wirtschaftlichere Steinkohle drängte die Meilerei allmählich zurück. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Holzkohle zunehmend industriell hergestellt.