Wohltäter sind in allen Lebensbereichen grundsätzlich gerne gesehen. Auch im Kommunalwesen. Der Lahrer Bürger Christian Wilhelm Jamm (1809 – 1875) war solch ein Wohltäter. Er schenkte der Stadt Lahr seinen Park.



Unter Wohltätern gibt es Leute, die handeln nach dem Grundsatz »Tue Gutes und sprich darüber.« In Zeiten sozialer Medien ist dieser Spruch heute aktueller denn je. Man handelt mit Kalkül und bringt die Begünstigten nicht selten in Gewissenskonflikte. Andere handeln aus Überzeugung. Für sie ist Großzügigkeit eine Herzensangelegenheit. Zur zweiten Gruppe gehörte wohl der Lahrer Bürger Christian Wilhelm Jamm. In seinem Testament, das er ein Jahr vor seinem Tod niederschrieb, vermachte er unter anderem seine Villa und seinen großen Garten der Stadt Lahr mit der Bedingung, dass der Garten den Bürgern der Stadt als Park zur Verfügung stehen soll.
Zweihundertfünfzigtausend Reichsmark aus dem Nachlass waren für den Bau einer christlich protestantischen Kirche nebst Pfarrhaus und Anstellung eines Pfarrers reserviert.
Wer war dieser Christian Wilhelm Jamm?
Über die Kindheit des am 30. Juni 1809 in Lahr geborenen C. W. Jamm ist nicht viel bekannt. Sein Vater Christian war Schlossermeister. Mutter Elisabeth (geb. Dorner) besaß den vierten Teil eines Hauses mit Stall in der Schnadergasse (heute Schlosserstraße). Dort wuchs Christian Wilhelm zusammen mit seinen Schwestern Wilhelmine und Lisette auf. Der kurze Schulweg führte durch die Kirchgasse zum Marktplatz. Christian Wilhelm galt als begabter Schüler. Ein Besuch der Lateinschule wird angenommen, ist aber nicht gesichert.
Der Anfang
Als frischgebackener Kaufmann ging er zusammen mit Wilhem Traub auf Wanderschaft. Jamm fand eine Anstellung in einer Seidenhandlung in Lyon. Seine Aufgabe bestand darin neue Geschäftsbeziehungen für den Export zu knüpfen. Mit Tüchtigkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit gewann er alsbald das Vertrauen seiner Herrschaft. Im Alter von 25 Jahren verließ er Lyon als Handlungsreisender. Über seine Geschäftsreisen existieren kaum Aufzeichnungen. Unter anderem kam er nach Kapstadt und Kuba. In Havanna gründete er schließlich ein Handelsgeschäft und ernährte sich durch den Import von Seidenwaren und Manchesterstoffen. Havanna war seinerzeit ein bedeutender Umschlagplatz für Zucker und Tabak. Seidenstoffe kamen bei den zugewanderten wohlhabenden Europäern gut an.
Die Reisen
Rasch zu Vermögen gekommen kaufte Jamm 1850 im Alter von 41 Jahren für 40.000 Gulden in Lahr ein Haus als Domizil für seine Angehörigen. Es war nie seine Absicht für immer in Kuba zu bleiben. 1855 machte er seinen Mitarbeiter, den Spanier Joaqin Tijero, zum Teilhaber und firmierte unter C. W. Jamm & Co. In den Folgejahren zog sich Jamm zunehmend aus dem Geschäft zurück. Er mietete ein Haus in der Umgebung von Havanna, kaufte sich Pferd und Wagen und begann zu reisen. In der Hauptstadt war Jamm nur noch selten anzutreffen. Nach einigen Wochen in Paris reiste er nach Manchester, von wo er Leinen- und Baumwollstoffe bezog. Im April 1856 kam er nach Paris zurück und setzte alsbald seinen Weg nach Lyon fort. Bei dieser Gelegenheit kehrte er bei Josefine Vilar an. Sie betrieb in Cheverny bei Blois (Loire) eine Haarwicklerei. Josefine war vermutlich seine Jugendliebe. Sie bezog von Jamm größere Summen, die in seinen Büchern als »Depot J.V.« erschienen. Im gleichen Jahr besuchte er seinen Vater und seine ledige Schwester in Lahr. Die Mutter war bereits verstorben. Nach einer Visite bei seiner verheirateten Schwester in Karlsruhe führte ihn der Weg nach Sachsen, wo er geschäftlich Socken und Damenstrümpfe einkaufte.
Die Rückkehr
1857 war für den Handelsmann ein lebhaftes Reisejahr. Nach einem Schweizaufenthalt kam er in die Heimat. Die meiste Zeit hielt er sich im Paris auf. Dort lebte er bei Amélie de Cantillon, der Tochter eines Seidenzeichners, mit der er sich verbunden fühlte. Vermutlich hatte er sie als Einkäufer im Umfeld ihres Vaters kennen gelernt. 1858 folgte der Entschluss Havanna ganz aufzugeben. Dort wurde eine neue Firma gegründet, die Tijero Scherrer & Co., welche noch lange große Beträge an ihn zu leisten hatte. Diese reichten für ein Leben als Privatier zusammen mit Amélie. Die kühleren Jahreszeiten verbrachte man in Paris, den Sommer an einem Badeort oder einem Landhaus nahe Paris. Doch Jamm zog es zurück in seine Heimat nach Lahr.
Die Villa
Was er in der Weltstadt Paris gesehen hatte, wollte er sich in der Heimat einrichten, um dort alt zu werden. Noch immer floss reichlich Geld aus Havanna, von dem er sich sein Schlösschen in einem großen Park einrichten ließ. Den Bauplan dazu brachte er aus Frankreich mit. Auch den Park ließ er 1861 durch einen Gartenbauingenieur aus Paris anlegen. Die Entwicklung der Vegetation beobachtete er bei seinen täglichen Spaziergängen. Als Krönung, so steht es in einem Nachsatz zu seinem Testament geschrieben, wollte er sich gegen Ende des Jahres 1874 mit Frau Amélie de Cantillon verheiraten.
Der Privatier
Bis zur Fertigstellung der Villa wohnte Jamm-Junior bei seinem Vater, der zu dieser Zeit schon über 80 Jahre alt war. Seine Schwester Wilhelmine führte den Haushalt. An die Stelle der Geschäftsreisen traten Fahrten zwischen Lahr und Paris. Aus Paris, Nancy und Straßburg stammt auch das Inventar der Villa Jamm. Der Privatier verstand es, sein Junggesellenleben in der Heimat angenehm einzurichten. Über den Inhalt des Weinkellers wurde Buch geführt. Das Weinkonto enthielt Kaiserstühler, Markgräfler, Durbacher-Klingelberger, Affentaler, Bordeaux und Champagner im Gesamtwert von zeitweise mehr als 7.000 Gulden. In Begleitung von zwei deutschen Doggen konnte man ihn tagsüber im Park spazieren gehen sehen. Als Gemeinderat war er nacheinander für zwei Bürgermeister tätig. Die Ratskollegen besuchten ihn oft im Park. Allerdings wurde dem Lahrer Handelsmann kein langes Leben zuteil. Ungesunde Lebensbedingungen in heißen Ländern hatten seinen kräftigen Körper geschwächt. Dazu kam ein Leberleiden, wie aus dem Kreis der Verwandtschaft zu vernehmen war. Christian Wilhelm Jamm starb am 7. Mai 1875. Zur Hochzeit mit Amélie de Cantillon ist es nicht mehr gekommen. Sein Wanderkamerad Wilhelm Traub starb im Amerika.
Das Vermächtnis
Den großen Garten errichtete Jamm zunächst zur eigenen Freude. 1858 kaufte er dazu einen Lindengarten und mehrere Grundstücke in der Dinglinger Vorstadt. Die eiserne Einzäunung erschien notwendig, um lästige Besucher fernzuhalten. Enten und weiße Schwäne belebten den Teich. Auf dem westlichen Teil der Fläche betrieb Jamms Gärtner Josef Bauer eine kleine Landwirtschaft. Erst nach Jamms Tod gelangte der Park zu seiner heutigen Größe. Seinen Gärtner hat man zum ersten Lahrer Stadtgärtner ernannt. Die Villa bot man dem Reichskanzler Bismarck zur Erholung an. Dieser dankte und wollte sich die Lokalität gelegentlich anschauen, kam aber aus Zeitgründen nicht dazu.
Der Tierpark
1885 wurde ein Musikpavillon errichtet. Der spätere Gärtner Bennemann (Vater) betrieb die Aufwertung des Parks durch Tierhaltung. 1882 wurden die ersten Damhirsche beschafft. Der Fürst von Fürstenberg schenkte dem Park drei Damkitzen. 1894 wurden Braut- und Mandarinenten aus Straßburg und Antwerpen bezogen, deren Nachkommen heute noch die Besucher erfreuen. 1896 kamen drei Pfauen, zwei Truthähne und ein Silberfasan dazu. Erste Trauerschwäne sind 1897 eingezogen.
Das Arboretum
1900 beschloss der Stadtrat eine Begutachtung des Stadtparks durch den Straßburger Obergärtner Kunz. Er empfahl hochstämmige Schattenbäume wie Ulmen, Roßkastanien, Krimlinden, Götterbäume und Blutbuchen, um den Park auch im Winter optisch aufzuwerten.
Die Vergrößerung
Wilhelm Bennemann (Sohn) betreute von 1930 bis 1958 den Park. Unter Stadtoberbauamtmann Erwin Mayer wurde die heutige Stadtparkwiese dazu erworben, die bis dahin als Zirkus- und Sportplatz diente. Mayer ließ eine Rhododendronanlage und eine Restaurant-Terrasse einrichten. Der Tierbestand wurde vergrößert und Wasserspiele angelegt. Landschaftsarchitekt Eckard Riedel ließ Tiergehege und Musikpavillon sanieren. Er war Mitinitiator des »Freundeskreis Lahrer Stadtpark e. V.«, der die Stadt bei der Pflege des Parks finanziell unterstützt. Sein Nachfolger ist der Garten- und Landschaftsarchitekt Richard Sottru, der lange mit Riedel zusammenarbeitete.
Status Quo
Heute besitzt die Stadt Lahr einen Stadtpark, um den sie von vielen größeren Städten beneidet wird. Jedem Besucher wird die Gelegenheit geboten, sich ein Plätzchen zu suchen, an dem er sich niedersetzen und erholen kann. Im Rosengarten werden 250 Sorten gezeigt. Star des vielfältigen Baumbestands ist eine über 100 Jahre alte Libanonzeder. Auch an die Kinder haben die Gestalter gedacht. Das Eibenlabyrinth lädt zum Versteckspiel ein. Robuste Roller und Dreiräder werden bei der Erkundung des 4,5 Hektar großen Parks von den Kleinen gerne angenommen. Übers Jahr wird der Park für ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm genutzt. Hervorzuheben sind das im April stattfindende Tulpenfest und ein Rosenabend im Juni.
Die Christuskirche
Zweihundertfünfzigtausend Mark hat C.W. Jamm für den Bau der Christuskirche, das Pfarrhaus und einen Fonds zur Bezahlung eines Pfarrers gestiftet. Die Kirche und das Pfarrhaus wurden durch die Stadt gebaut. 1877 legte man den Grundstein. Eingemauert wurden neben Dokumenten über den Stifter von Kirche und Pfarrhaus, ein Adressbuch, eine Bürgerliste, einen Gemarkungsplan, zwei Flaschen Wein, je ein Fläschchen mit Getreide, Schnupftabak und Zichorie und die aktuelle Ausgabe des Lahrer Hinkenden Boten. Nach dem Willen des Stifters wurde die Kirche in seinem Garten erbaut. Darin wurde seine Leiche beigesetzt. Im Testament spricht er von einer Kapelle. Ein Glockentürmchen hält er für ausreichend. Es entstand ein Kuppelbau im Stil der italienischen Renaissance. Die Glocken tragen die Namen von C. W. Jamms Schwestern Wilhelmine und Lisette.