Der Alltag kostet uns viel Energie, oft fühlt man sich müde und kraftlos, der Körper reagiert mit Verspannungen, mit Schmerzen. Wie man in kurzer Zeit seinen Akku aufladen kann, zeigte am letzten Mittwoch ein höchst kurzweiliger Vortrag beim Bildungswerk
Biberach-Prinzbach.
Warum hält Marlene Hügle im Chorsaal der katholischen Kirche einen Benzinkanister in der Hand, während 70 Augenpaare lächelnd auf sie gerichtet sind?
Das Rätsel ist schnell gelöst: Der leere Kanister steht für Energie, die wieder aufgetankt werden muss. »Wenn ich nichts reintu’, kann ich nichts rausnehmen«, erklärt die Stressmanagement-Trainerin, die zudem als Gesundheits- und Burnout-Coach agiert. »Viele Krankheiten kommen daher, dass die Menschen nicht für sich sorgen«, weiß sie. Bandscheibenvorfälle, Magengeschwüre, Herzinfarkte und Co. – sie ist lang: die Liste der Maßnahmen, mit denen der Körper meldet »Error, ich kann nicht mehr« und den Menschen ganz aus dem Verkehr zieht.
»Wer hat denn heute schon was für seine Gesundheit getan?«, fragt Marlene Hügle sogleich in die Runde. Nur einige wenige zaghafte Finger melden sich. Lachend stellt die Trainerin richtig: »Sie haben alle schon etwas getan: Sie haben gelächelt!« Denn das Nach-Oben-Ziehen der Mundwinkel ist ein wunderbares Mittel für die Gesundheit zu sorgen. »Eine Minute sollten Sie’s gut aushalten können, damit’s auch wirkt, damit Glückshormone freigesetzt werden«, animiert die Referentin alle Teilnehmer zum Langzeit-Lächeln mit geschlossenen Augen. »Schön sieht das aus«, sagt sie, rundherum ein Kichern. Ein anschließender Blick in die Gesichter zeigt: schon wirken diese entspannt.
Auch das bewusste Atmen reguliert den Akku, weil es den Körper mit wertvoller Energie versorgt. Das Rezept: Die Augen schließen und den Atem ganz tief zum Bauchnabel schicken, dort sitzt unser Energiezentrum. »Denken Sie einmal nur an Ihren Atem«, gibt die Trainerin vor, »spüren Sie, wie sich Ihre Bauchdecke hebt und senkt und vielleicht spüren Sie auch, wie sich bei jedem Atemzug ihr Akku mit Energie füllt.« Um sich in einer akuten Situation zu beruhigen, ist eine sogenannte »Notfallatmung« empfehlenswert: Mit jedem Einatmen zählen, und zwar von zehn bis Null.
Mini-Tankstellen
»Bereits ganz kleine Mini-Tankstellen füllen unseren Kanister«, verdeutlicht Marlene Hügle. Doch weil der Kopf den Körper regelt, regt sie zu grundlegenden Dingen an. Zum einen: »Überlegen Sie, was Sie früher getan haben, um Ihren Energiekanister zu füllen, und warum Sie das nicht mehr tun.«
Zum zweiten rät sie, jenem Perfektsein-Wollen die Stirn zu bieten, das Frauen wie Männern oft genug in der Erziehung vermittelt wurde. »Das Streben nach Perfektionismus leert so richtig den Akku, das zieht so richtig Energie«, mahnt sie und gibt den Slogan aus: Gut ist auch mal gut genug.
Zum dritten empfiehlt die Ohlsbacherin zu akzeptieren, dass sich manche Dinge nicht ändern lassen. Widerstand – das heißt mit der Situation zu kämpfen – bringe in so einem Fall nichts. Stattdessen gelte es einen Weg zu finden, mit den jeweiligen Widrigkeiten zu leben. »Dies ist ein Faktor aus der Resilienz – der Widerstandskraft, die wir Menschen haben«, erklärt Marlene Hügle und betont die damit zusammenhängende Notwendigkeit, ein Ziel zu haben, zu wissen, wo man hingehen will: »Gehen Sie raus aus der Opferrolle!« Dies gelte auch bei Krankheit oder Verlust, wie bei einem Todesfall: »Mit einer solchen Einstellung leert es unseren Akku nicht ganz.«
Dabei gibt die Fachfrau den Hinweis: »Was man vorm Schlafengehen zuletzt denkt, das verarbeitet das Gehirn.« Daher solle man sich abends drei Dinge überlegen, die man an dem jeweiligen Tag als schön empfunden hat. Statt darüber nachzudenken, was alles schief gelaufen ist. »Wenn Sie zusätzlich zu dieser Dankbarkeits- noch Ihre Atemübung machen, werden Sie schlafen wie kleine Babies«, schwört Hügle zur Heiterkeit aller und widmet sich als nächstes der Muskulatur. Die nämlich zieht sich bei Unzufriedenheit, bei Belastung und Sorgen zusammen, verhärtet sich, »macht dicht«.
Entspannung ist das A und O
»Viele Menschen werden durch Stress krank, Muskelverspannungen können ein Signal sein«, warnt die Trainerin. Hilfreich ist hier die Methode der progressiven Muskelentspannung, bei der Körperzonen bewusst angespannt und wieder locker gelassen werden. »Schon ein oder zwei Minuten können Ihrem Akku helfen«, weiß Marlene Hügle.
Wobei es allerdings wichtig sei, »ganz bei sich« zu sein. Denn »Multitasking« gibt es laut Gehirnforschung nicht: »Das Gehirn kann sich nur auf eine Aufgabe konzentrieren, alles andere ist Routine« erklärt die Referentin und nennt als Beispiel, wenn man beim Telefonieren nebenher Staub wischt. Will man jedoch seinen Akku aufladen, so heißt es, sich vollständig auf sich selbst zu fokussieren.
Beispielsweise, wenn man vor einer roten Ampel steht, lassen sich diese kleinen Übungen durchführen. So wie es überhaupt gesünder ist, sich nicht über Wartezeiten zu ärgern, sondern diese »als geschenkte Zeit zu betrachten, in der ich nichts zu tun brauche«.
Von vielen vermisst: Anerkennung
Wie gut es tut, wenn einem jemand mit einem ausgesprochenen Lob die Hand auf die Schulter legt! Genau das aber passiert viel zu selten. Sich selbst auf die Schulter zu klopfen und sich mit einem ausdrücklichen Das-hast-du-gut-gemacht zu loben und wertzuschätzen stellt daher eine weitere Mini-Tankstelle für die persönliche Balance dar. »Wer für sich selbst nicht gut sorgt, der kann auch nicht für andere sorgen«, warnt Marlene Hügle eindringlich.
Das Zauberwort lautet also »Selbstfürsorge«. Und die kann man sich gleich morgens im Bad vor dem Spiegel angedeihen lassen: Indem Frau sich mit erhobenen Armen in Siegerpose aufbaut und sich ausgiebig lächelnd mit einem lauten »Guten Morgen, Königin« begrüßt. Und Mann? Der darf sein Spiegelbild gerne als »Superman« anstrahlen, um «in Kraft« zu kommen, den Tag mit einem guten Körpergefühl zu beginnen.