Sie brüllen, was das Zeug hält, aus möglichst rauen Kehlen und möglichst furcht erregend – zwar sind sie nur zu dritt, doch fast machen sie Lärm für zehn, mindestens. Und das ist gut so. Sehr gut sogar.
Schließlich soll er wie immer weithin hörbar angekündigt werden: der heilige Mann mit seinem Buch, aus dem er jedem Kind dessen gute und dessen schlechte Taten vorlesen wird. Taten, die es in den vergangenen 12 Monaten begangen hat.
Heulende Töne mischen sich nun in das inbrünstige Brüllen. »Super«, lacht Christian Dumin. Der vollberufs tätige IT-ler und zweifache Familienvater übt zudem das Amt des Ortsvorstehers aus. Mit allem Herzblut. Entsprechend wichtig war es ihm, dass das »Klausern« auch in Zeiten der Pandemie stattfinden kann.
Wie schon im letzten Jahr besteht die durch das Dorf ziehende Mannschaft daher aus einem Quartett, statt wie sonst aus rund zehn bis 15 jungen Männern. Denn, jawohl: Jung müssen sie dem Brauch gemäß sein, von dem niemand weiß, seit wann er eigentlich existiert. Jung – das heißt: mindestens 16 Jahre und bitteschön nicht verheiratet.
»Das hat sicher etwas damit zu tun, dass man früher nach der Heirat meist auch sehr bald Kinder bekam und dann keine Zeit mehr für das Amt hatte«, meint Christian Dumin. Wenn man jedoch als Single Kinder habe, dürfe man dennoch mitklausern, schmunzelt er dann ob der gewandelten gesellschaftlichen Umstände.
Keine 16-Jährigen in diesem Jahr
Auch er selbst hat schon den Nikolaus gegeben, bis zum Jahr 2013, da war er 30 Jahre alt. Auf ihn folgte Florian Berger, anschließend Uwe Brosamer, und nun ist es – zum ersten Mal – Jonas Armbruster. Seit elf Jahren gehört er beim Klausern dazu. »Es ist halt Brauchtum im Ort«, konstatiert er, daher habe er automatisch mitgemacht, als er ins passende Alter gekommen sei. Und weil er inzwischen einer der Ältesten sei und mit dem Ausscheiden Uwe Brosamers jemand nachrücken musste, habe er schon im letzten Jahr mit seinem Vorgänger ausgehandelt, dass er sich für dieses Amt bereit erklärt.
So hat er denn auch traditionsgemäß für einen Ort gesorgt, an dem nicht nur er selbst, sondern auch seine Begleiter sich für das von Vielen aufgeregt erwartete Event von außen unbeobachtet herrichten können. Pünktlich um halb fünf Uhr am Nachmittag traten sie dann vor die Tür.
Zwischen 19 und 26 Jahre alt sind die Schwarzen in diesem Jahr. »Es hätten sich auch wieder 16-Jährige angemeldet«, erzählt Ortsvorsteher Dumin, »aber wegen Corona mussten wir die Zahl der Schwarzen beschränken.« Deren Gesichter glänzen dank Ruß und Fett in derart tiefem Schwarz, dass das Weiß der Augäpfel geradezu unheimlich leuchtet.
Straffer Zeitplan
Die helle Erscheinung des Nikolaus hingegen wird durch weiße Schminke hervorgehoben. Ob seiner Premiere aufgeregt ist Jonas Armbruster nach eigenem Bekunden weniger. »Aber gestresst«, sagt er, »weil das Klausern immer mit einem straffen Zeitplan verbunden ist, denn alle Familien möchten recht früh drankommen.« Bis allerspätestens gegen 21 Uhr will er sie sämtlich besucht haben – dreizehn Familien haben in diesem Jahr für insgesamt 40 Kinder um das Erscheinen des Nikolaus gebeten.
Von seinen lärmenden schwarzen Gesellen umringt zieht der denn auch gleich los. Würdigen Schrittes und in einer Haltung, dass man meinen möchte, er fülle dieses mit einer hohen Verantwortung verbundene Amt seit jeher aus. »Das ergibt sich automatisch, wenn man in das Kostüm schlüpft«, lacht Ex-Nikolaus Christian Du-min aus eigener Erfahrung, »außerdem hat man ja auch über Jahre hinweg erlebt, wie der oder die Vorgänger das gemacht haben.«
Für ihn, der als Kind dereinst zudem selbst dem Klausern entgegengefiebert hatte, sei es etwas ganz Besonderes gewesen, als der Heilige Mann mit den Schwarzen erstmals zu seinen eigenen Kindern gekommen war.
Und auch jetzt wieder freut er sich riesig für seine – inzwischen drei und sechs Jahre alten – Kinder, wenn die vorweihnachtliche Truppe natürlich auch bei ihm zuhause vorstellig werden wird. Wegen Corona ohne den Biggesel zwar, und natürlich bleiben Nikolaus und Schwarze vor der Tür, statt wie üblich ins Haus gebeten zu werden. Und natürlich ist die Atmosphäre trotz des leidenschaftlichen Lärmens der schwarzen Gesellen eine gediegenere als sonst. Aber Hauptsache, sie kann gelebt werden: diese alte, so jung gebliebene Tradition.





