Die Miliz- und Trachtenkapelle beweist bei „La Passio de Crist“ ihre große Interpretationskunst.
Das Werk des zeitgenössischen spanischen Komponisten Ferrer Ferran – „La Passio de Crist“ – ist außergewöhnlich komplex und für ein Laienorchester besonders anspruchsvoll. Dennoch – oder gerade deshalb – war die Pfarrkirche St. Gallus am vergangenen Samstagabend beim Konzert der Miliz- und Trachtenkapelle voller interessiert und gespannt lauschender Besucher. Das bestens aufgestellte Orchester wurde von Dirigent Rüdiger Müller zu Höchstleistungen angespornt.
Bereits der musikalische Auftakt nach der Begrüßung der Hörer durch Vorstandsmitglied Stephanie Fritsch signalisierte, worin die Botschaft des Konzertabends bestand: „Rise up“, eine Fanfare von Brooks Pierson, gleichsam als Aufruf, Freude und Hoffnung zu verbreiten – trotz Krieg und Krisen.
Das nachfolgende „Choose Joy“ war eine Hommage an Beethovens „Ode an die Freude“, wobei Komponist Randall Standridge einige Takte der berühmten Melodie des Wiener Klassikers gezielt adaptiert hatte. Ein Highlight war es vor allem für die Blechbläser und Schlagwerker. Das Publikum belohnte die Darbietung mit viel Beifall.
Emotional tiefgreifend
Das Hauptwerk des Abends – „La Passio de Crist“ – gliedert sich in drei programmatische Sätze, die das Leben Jesu von der Geburt über die Taufe bis zur Kreuzigung und schließlich die Verkündung der Wiederkehr des Heilands musikalisch darstellen.
Flötistin Alisa Jilg erzählte die Passionsgeschichte abschnittsweise jeweils vor den einzelnen Sätzen, sodass die Konzertbesucher den Verlauf des musikalischen Geschehens gut einordnen konnten. Ergänzend illustrierten großformatige Bilder auf einer Leinwand, die im Altarraum über dem Orchester angebracht war, die einzelnen Stationen.
Dadurch konnte man beispielsweise gut erkennen, dass die subtil gestalteten Flötentriller im 1. Satz die Geburt des Jesuskindes darstellen. Ferrer Ferran hält sich kompositionstechnisch nicht streng an die Sonatenform, was ihm Freiheiten gewährt, die er emotional tiefgreifend ausschöpft. Die Musikerinnen und Musiker setzten das entsprechend kraftvoll und mit orchestraler Raffinesse in Szene. Konzertant und wie selbstverständlich gingen beim Spiel der Instrumentalisten Technik und Musik in eins.
Das war unabdingbar, denn Rüdiger Müller am Pult spornte das Orchester zum Temporausch an, wenn etwa die Dramatik von Herodes’ Kindsmord darzustellen ist. Dynamische Kontraste wurden punktgenau gesetzt, abrupte Tempiwechsel erfolgten präzise, etwa wenn nach der geglückten Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten Zuversicht und Hoffnung aufleuchten und dies eine feinsinnig ruhige Orchestrierung erfordert, die in der Kirche wogende Klanglandschaften entstehen ließ.
Harmonisch komplex Dynamisch, klar und intensiv
gestaltete Dirigent Müller auch den 2. Satz, der von den drei Prüfungen des Herrn in der Wüste handelt. Jesus widersteht den Versuchungen des Teufels, ruft Gottvater an – und schließlich weicht Satan.
Wenige, aber umso wirkungsvollere Lichteffekte schufen eine mystische Aura, entrückten die Instrumentalisten und den Altarraum bei teils orientalisch anmutenden, sanften Klängen der Holzbläser, unterlegt mit einem fein ziselierten Schlagwerk. Eine facettenreiche Tongebung in den einzelnen Registern wirkte wie ein Austausch musikalischer Gedanken, fast meditativ , bevor ein neuerliches Crescendo einsetzte. Die Akustik in der Pfarrkirche sorgte zusätzlich für Dynamik.
Der dritte und umfangreichste Satz begann mit dem Einzug Christi in Jerusalem, der Tempelreinigung, später dem letzten Abendmahl und dem Gebet im Garten Gethsemane. Als Zuhörer war man einmal mehr gefordert: Die Musik zog einen hinein in einen magischen Sog aus komplexen Harmonien, in einen fortwährenden, von abrupten kurzen Pausen unterbrochenen und wieder aufbrausenden Melodiefluss.
Plastisch und eindringlich
Spektakulär war die Klangvielfalt, mit der das dramatische Geschehen von Verrat, Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung Jesu musikalisch nachgezeichnet wurde: Peitschenhiebe, Aufrichten des Kreuzes, Einschlagen der Nägel vernahm man in plastisch-eindringlicher Orchestersprache.
Mit besonderer Umsicht sorgte Rüdiger Müller für die optimale musikalische Balance innerhalb des Orchesters – vom hochpräsenten Pianissimo bis zum furiosen Fortissimo. Damit gelang es dem Dirigenten stets, den Gesamtklang zu runden.
Am Ende der Passion Christi verkünden die Engel die Auferstehung des Herrn: Das Orchester interpretierte feierlich die Freude und die damit verbundene Hoffnung auf Erlösung. Ein jubilierendes, strahlendes Finale war das – und eine überwältigende Leistung der Miliz- und Trachtenkapelle, die damit ihre Interpretationskunst einmal mehr unter Beweis stellte.
Überwältigend war auch der Applaus, der die Pfarrkirche erfüllte und lange anhielt. Mit dem melodiösen „Lux aeterna“ als Zugabe verabschiedeten sich die Musikerinnen und Musiker von den Zuhörern. So könnten Konzertabende öfter enden.





