Weil die Menschen des Harmersbach- und Nordrachtals vor über 300 Jahren vor einer kriegerischen Katastrophe verschont geblieben waren, gelobten sie eine alljährliche Wallfahrt in die Kapelle »Maria zu den Ketten«. Eine neuerliche Bedrohung durch die Corona-Pandemie diktiert heuer die Umsetzung dieses Versprechens.
Viel Papier wurde 1689 beschrieben und von weltlicher Herrschaft gesiegelt und von geistlicher Seite bekräftigt, auf dass die gelobte Wallfahrt nicht in Vergessenheit geriete. Schließlich hatten die Talbewohner in jenen unsicheren und gefährlichen Jahren nicht noch einmal die bittere Erfahrung erleben müssen wie nahezu fünf Jahrzehnte zuvor, als während des Dreißigjährigen Krieges Verbündete der Schweden im Tal wüteten und Kirchen wie Pfarrhäuser in Brand gesetzt hatten.
Die Auswirkungen des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688 – 1697) hatten im Spätsommer 1689 die Ortenau erreicht. Offenburg und Gengenbach lagen in Schutt und Asche, Zell und den Nachbarorten drohte dasselbe Schicksal. Weil die Truppen im Kinzigtal unerwartet stehen geblieben waren, schrieb man diese Fügung der »allerseligsten Mutter Gottes« zu.
Eine jährliche Wallfahrt aller Gemeinden der heutigen Seelsorgeeinheit Zell a.H. wurde auf Kreuzerhöhung (14. September) feierlich gelobt. Bekräftigt wurde dieses Versprechen, als 1703 erneut Truppen durchs Kinzigtal zogen, um den Spanischen Erbfolgekrieg auszufechten. Auch jetzt blieb es nach einem kleinen Scharmützel bei der Bedrohung, die man aber mit einer »Salveguard« endgültig bannen konnte. So waren zwar Abgaben für die Unterhaltung dieser Schutztruppen in nicht unerheblichem Umfang zu leisten, aber zumindest war man vor der Bedrohung des Lebens und Plünderungen geschützt. Eine Erneuerung des Versprechens für eine Wallfahrt war die Folge.
Immerhin hat das Gelöbnis der Vorfahren über die Jahrhunderte gehalten, ist allerdings in den 1960er Jahren sanft entschlummert. Es schien wohl nicht mehr zeitgemäß, bei zunehmendem Verkehr mit Kreuz und wehenden Fahnen auf der Talstraße zu Fuß von den einzelnen Orten nach Zell zu pilgern. Erst 1980 wurde von Oberharmersbacher Seite die Erinnerung daran wachgerufen, ohne allerdings die Tradition der Fußwallfahrt wieder aufzunehmen.
Bahn und Bus oder Pkw brachten die Pilger nach Zell, um zumindest eine verkürzte Variante der Wallfahrt durch die Stadt zu nehmen. Aber selbst dieser Rest ist in Corona-Zeiten nicht möglich, der erforderliche Abstand lässt sich nicht garantieren. Die Prozession dieses Jahr entfällt, die Wallfahrer treffen sich bei der Wallfahrtskirche.
Auch für den anschließenden Gottesdienst in der Wallfahrtskirche gibt es eine neue Regel. Zwar wird die Pfarrgemeinde St. Mauritius aus Prinzbach, die heuer für die Ausrichtung der Gelöbniswallfahrt verantwortlich zeichnet, entsprechend dem Gelöbnis die Votivkerze überreichen, aber die Bänke in der Kapelle »Maria zu den Ketten« werden nicht wie in der Anfangszeit nach dem gegebenen Versprechen »schwarz sein vor Leuten«. In den letzten Jahren gab es schon deutliche Lücken. Ein Stück weit kommt dies sicher den Abstandsbestimmungen entgegen und wer den Gottesdienst besuchen will, wird mit Sicherheit ein »sicheres« Plätzchen finden.
Geplant ist zumindest nach Auskunft des Kapuzinerklosters im Anschluss an den Gottesdienst ein gemeinsames Treffen im Klostergarten, soweit es die aktuellen Bestimmungen und die Witterung es zulassen.
Für Samstag, 12. September 2020, laden die Seelsorgeeinheit Zell a. H. und das Kapuzinerkloster zum gemeinsamen Gottesdienst um 9.30 Uhr in die Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten« ein. Um Beachtung weiterer aktueller Hinweise wird gebeten.