Mutige Frauen im Löscheinsatz

Als das Gasthaus »Rössle« und »Schlagers« anno 1945 brannten, stürmte die weibliche Feuerwehr herbei

Frauen in der Feuerwehr? Selbst heute ist das noch undenkbar, denn die Feuerwehr ist im Badischen immer noch reine Männersache. Anders war es zu Kriegszeiten vor 76 Jahren. Damals war man in Unterharmersbach froh, dass es wenigstens eine weibliche Feuerwehr gab.

Die Männer waren im zweiten Weltkrieg. Feuerwehrmann Hermann Rauber, wegen Verletzung nicht mehr einsatzfähig, hatte seine zwölf Feuerwehrfrauen, die zwischen 18 und 23 Jahren alt waren, perfekt ausgebildet. Jeder Handgriff saß. An der Handpumpe, beim Schlauchlegen, auf der Feuerwehrleiter konnten den Frauen nicht einmal die Männer etwas vormachen.

Jagdbomber zielen auf das »Rössle«

Dann kam der erste große Einsatz am 14. Februar 1945: Jagdbomber schossen das Gasthaus »Rössle« und das Anwesen »Schlager« in Brand. Heribert Kuderer und Heinz Herrmann erinnerten sich noch: »Wir waren gerade in der ersten Klasse und hatten bei Fräulein Ruff Unterricht. Die Lehrerin schaute aus dem Fenster hinaus den Jagdbombern hinterher, die gerade in Richtung Oberharmersbach verschwanden. Gleich darauf schossen sie ohrenbetäubend. Die Lehrerin geriet in Panik und schrie: Hilfe das Schulhaus brennt. Wir ließen alles stehen und liegen und rannten die Treppe hinunter in den Schulhauskeller. Im Keller beteten wir mit der Lehrerin, die weinte.«

Bereit für den Einsatz

Das Ziel der Bomber war nicht die Schule, sondern das Gasthaus »Rössle« in der Ortsmitte. Mit Phosphor-Bomben wurden das Gasthaus und das Nachbarhaus »Schlager« beschossen. Im Nu brach das Feuer aus, und gleich darauf heulte wieder die Sirene. Lina Hertig war Mitglied der Frauenfeuerwehr. Sie war gerade bei ihrer Freundin. Als die beiden das Schießen hörten, warfen sie sich instinktiv auf den Boden. Doch Feuerwehrfrau Lina Hertig rannte heim, zog Helm und Uniform an – und war bereit für ihren ersten Einsatz.

Die Frauen pumpten das Löschwasser mit der Handpumpe aus dem Harmersbach. Andere retteten mit der Feuerwehrleiter, was noch zu retten war. Ein alter Hambacher, der gerade hinzukam, erinnert sich: »Das werde ich meinen Lebtag nicht vergessen. Wo immer ich hinschaute, auf den Leitern, an den Pumpen sah ich nur Frauen.«

Zerbrochenes Porzellan

Fast hätte es noch eine Panik gegeben, als Flugzeuge mitten in der Löschaktion wieder zurückkamen. Wahrscheinlich wollte sich die Flugzeugbesatzung überzeugen, dass die Zielobjekte noch brannten. Nach diesem Schreck siegte bei den Feuerwehrfrauen die praktische Seite. Mit Seilen ließen sie einen großen Geschirrschrank mit dem wertvollen Wirtschaftsporzellan des »Rössle« herunter. Doch einen Meter, bevor der Schrank auf dem Boden aufsitzen konnte, rissen die Seile, die Schranktüren brachen auf und das ganze Porzellan fiel heraus.

Verraten und verkauft

Der Nachbar, Schützenwirt Paul Kornmeier, erinnerte sich, dass damals Sabo­tage im Spiel gewesen sei. In dem damals freistehenden Toilettenhäuschen des Gasthaus »Schützen« habe sich zur fraglichen Zeit ein Mann in deutscher Soldatenuniform aufgehalten, der über Funk die Jagdbomber zum Ziel geleitet haben soll. Diesen angeb­lichen deutschen Soldaten habe danach keiner mehr gesehen.

Tragisch für die Familie Kaiser und fürs Schlager’s – und zugleich Glück für die Familie der dahinter liegenden Rösslemühle war eine andere Tatsache. Wie später bekannt wurde, habe der Angriff der dahinterliegenden Rösslemühle gegolten. Dort war nämlich ein großes Mehllager der deutschen Wehrmacht untergebracht. Aber offensichtlich hatte der ortsfremde Saboteur nicht gewusst, dass die Rösslemühle gar nicht zum »Rössle« gehörte.

Lediglich erhalten blieb vom ehemaligen »Rössle« das Wirtshausschild. Das riesige Schmuckstück wurde dem jüngsten Enkel der Familie Max Kaiser als besonders schönes und wertvolles Erinnerungsgeschenk überreicht.